21. März 2021

Die Grenzen der Demokratie. Ein Gedankensplitter.


Gestern gab es in Kassel eine etwas größere Querdenker Demonstration (wobei angesichts der Größe real bezweifelt werden kann, dass es sich um besonders viele Querdenker handelt als oftmals um ganz normale Bürger, die keine Lust mehr haben sich einsperren zu lassen). Boris Reitschuster, einer der wenigen Journalisten diesen Landes, die diesen Titel noch zurecht tragen, war vor Ort dabei und hat einige Lifestreams auf seine Webseite gestellt. Im letzten Lifestream kommt es zu einer recht interessanten Diskussion zwischen einer Demonstrantin und einem Passanten. Der Passant nimmt dabei die wohl verbreitete Position ein, dass man halt aus Rücksicht Masken tragen muss, etc. pp.. Er tut das allerdings sehr höflich, das muss man anerkennen. Die Demonstrantin hält ihm ein paar sehr interessante Sätze entgegen, die ich sinngemäß hier wiedergeben möchte (sie sind so an den Passanten gerichtet):
"Es sind sicher 60-65% in der Bevölkerung ihrer Meinung. Und die Politiker auch. Wir sind eine Minderheit. .... Ich habe mich jetzt ein Jahr lang angepasst, obwohl ich überhaupt nicht dieser Meinung bin, habe mein Leben eingerichtet nach Ihnen. Nach der Mehrheit. .... Ich habe mich Ihnen angepasst.Ein Jahr lang. Ich hab mein Familienleben, mein Freundschaftsleben, Freundschaften sind zerbrochen. Ich habe mich Ihnen angepasst." 

Die scheinbare Wirrheit des Ausdrucks ist der Live-Situation geschuldet, insgesamt bringt die Dame ihr Anliegen recht überzeugend und ruhig rüber. 

Der Gedanke dahinter ist eigentlich nicht weniger als die Frage, wie wir mit Demokratie umgehen wollen, in was für einen Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Denn das, was Sie beschreibt ist absolut richtig, seit mehr als einem Jahr passt sich in Deutschland eine Minderheit der Mehrheit an, muss es hinnehmen, dass ihre Bürgerrechte entzogen worden sind, dass ihre Kinder misshandelt werden (anders kann man das nicht mehr ausdrücken), dass ihre wirtschaftliche und persönliche Situation massiv beschädigt wird. Alles im Namen der Mehrheit und ihrem Wunsch nach absoluter Sicherheit. 

Demokratie, wenn man sie auf simple Mehrheiten reduziert, ist, wie schon vielfach zitiert, die Situation, dass zwei Wölfe und ein Schaf entscheiden, was es zum Abendessen gibt. Also nicht mehr als die Gewalt der Masse, nicht mehr als eine Diktatur der Mehrheit. Wohin das führt wissen wir aus der Geschichte zur Genüge, entsprechend haben sich nahezu alle westlichen Demokratien bemüht, ein System des Ausgleichs zu schaffen, dass Minderheiten ebenso berücksichtigt und die Mehrheit nicht zum Diktator über die Minderheit werden lässt. Ein ganz essentieller Teil davon sind die verschiedenen Verfassungen, in Deutschland niedergelegt im Grundgesetz. Und über mehrere Jahrzehnte (im Ausland Jahrhunderte), muss man sagen, ging das ganz gut.

Heute erleben wir, dass dieses System immer mehr in Frage gestellt wird, ja rundheraus ignoriert wird. Mehrheiten erlauben alles, so scheint es, auch das Abschaffen von Grundrechten, wenn es denn gerade passt. Wir reduzieren uns rein wieder auf den demokratischen Status, wie er in Weimar vorgeherrscht hat, indem wir die Polder, die eigentlich das, was nach Weimar kam, verhindern sollten, umreißen. Im Namen der Mehrheit. Das Ergebnis ist eine Diktatur, egal ob man sie als eine Diktatur des Proletariats (wie es noch Marx formuliert hätte) oder eine Diktatur der Progressiven/Bewahrenden/Sozialen/etc. ist. Wenn eine Regierung nur noch nach dem Willen einer Mehrheit vorgeht und den Willen einer Minderheit dauerhaft(!) ignoriert, so leben wir in einer Diktatur.

Diese Entwicklung ist keinesfalls auf Deutschland beschränkt, im Gegenteil, sie hat nahezu alle westlichen Gesellschaften erfasst. Die Amerikaner schleifen gerade ihr 200 Jahre altes System von checks and balances, indem sie den Kongress faktisch entmachten und die dort zementierten Minderheitenrechte (Stichwort Fillibuster) abschaffen. Gleichzeitig entmachten sie den surpreme court mit der Drohung ihn je nach politischer Wetterlage aufzublasen, damit die aktuelle Regierung immer eine Mehrheit stellen kann. Und warum das alles? Im Namen der Mehrheit natürlich. Die halt gerade einen Tucken nach links geht, aber das kann auch wieder in die andere Richtung pendeln. Das Prinzip ist aber das selbe: Alles im Namen der Mehrheit. Und die beginnt eben bei 50,1%.  
 
Nun: Funktionieren tut das ganze eine Weile. Die Mehrheit kann die Staatsgewalt ausüben. Sogar eine ganze Weile. Aber der Erfolg, beispielsweise gerade des deutschen Systems, ist auf einem Konsens aufgebaut, und ein Konsens ist etwas gänzlich anderes als eine Diktatur der Mehrheit. Das ist etwas, was dem meisten Menschen, die gerne im Kollektiv denken und argumentieren, nicht bewusst zu sein scheint. Man meint mit Gewalt(!), sei es durch Mehrheit, sei es durch Einschüchterung, einen Konsens erzwingen zu können. Aber das ist natürlich, wenn man es auch nur ganz simpel betrachtet, exakt diametral falsch. Wer zu etwas gezwungen werden muss, stimmt dem gerade eben nicht zu, ein Konsens liegt nicht vor. 

Was verloren geht ist die Bereitschaft zum Kompromiss, aber auch zur Vergebung. Die Fronten verhärten sich, die Gewaltbereitschaft nimmt zu, der ewig zitierte Hass wird erzeugt und vergrößert (es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet die Gruppen, die sich verbal immer gegen den Hass aussprechen, ausgerechnet die sind, die ihn am massivsten schüren). Ebenso sinkt die Bereitschaft sich an Gesetze zu halten, die Fundamente der Zivilgesellschaft erodieren, im Extremfall führt es zur direkten Gewalt. Die Menschen stehen nicht mehr hinter "ihrem Staat", es ist nicht mehr "ihr Staat" sondern nur noch eine Herrschaftsform, die je nach gusto, zutiefst verachtet oder auch bekämpft wird. 

Ich komme noch einmal auf den Eingangsgedanken: Wie lange? Wie lange soll sich die Minderheit eigentlich der Mehrheit unterwerfen? Ein Jahr? Zwei? Fünf? Prinzipiell ist es durchaus denkbar, dass die nächste Corona Mutation alle Impfstoffe unwirksam macht. Oder das sich stärker herauskristallisiert, was in Israel mehr und mehr auf den Schirm kommt: Das die Impfstoffe gegen die schweren Verläufe nichts bewirken. Und dann gehen wir wieder in den Lockdown, oder nicht? Oder kommen gar nicht mehr heraus. Ist das die Republik, in der ich leben möchte? Das sollte ein jeder für sich beantworten: Ist das eine Republik, in der er leben möchte?

Ich kann sagen: Nein. Das Jahr war schon bei weitem zu viel, die Folgen sind auf alle Skalen einfach nur verheerend, der Verlust an Lebensqualität und Freiheit ist sogar noch weit über die dunkelsten Prognosen hinaus gewachsen. Die Mehrheit hat sich großflächig geirrt, ist aber zu stur davon los zu lassen. Ab wann fängt man an sich zu wehren? Ab einem Jahr? Ab zweien? Ab 10? Und ich spreche hier explizit nicht von Wahlen. In einer dysfunktionalen Demokratie sind Wahlen kein funktionierender Weg Bürgerrechte wieder herzustellen. Ab wann darf man sich wehren? Diese Frage geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Als die Dame in dem Video sagte "Seit einem Jahr passe ich mich Ihnen an", wird einem so richtig klar, wie lange der Wahnsinn schon geht und wie wenig ein Ende eigentlich abzusehen ist. Wenn es nach Merkel und ihrer "Demokratie" geht, dann wird es nie ein Ende geben. Soll es das dann sein? Leben mit Bürgerrechten vorbei? Freiheit nur eine Illusion? 

Was ist eine Demokratie wert, die einem Gefängnis mit fließendem Wasser und Bananen entspricht? 
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Llarian

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