Ich wünsche mir, dass unsere Kinder und Jugendlichen erfahren, wie das Alltagsleben in der DDR aussah und welche Schattenseiten die DDR hatte, die viele ihrer Eltern miterlebt haben.
Der brandenburgische Minister für Bildung, Jugend und Sport, Holger Rupprecht, laut dem Internetauftritt seines Ministeriums.
Das Zitat bezieht sich auf die Reise, die Rupprecht gegenwärtig durch Schulen Brandenburgs unternimmt, um "mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 11 bis 13 über die DDR" zu diskutieren.
Kommentar: Stellen Sie sich einmal vor, zwanzig Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft - also Mitte der sechziger Jahre - hätte ein Minister von den "Schattenseiten des Dritten Reichs" gesprochen und angeregt, daß Schüler etwas über das "Alltagsleben im Dritten Reich" erfahren.
Natürlich wäre der Mann ab dem nächsten Tag Gegenstand eines Skandals gewesen, und ein paar Tage später sehr wahrscheinlich kein Minister mehr.
Denn man hätte ihm zu Recht vorgeworfen, daß es beim Verständnis einer Dikatur nicht um das "Alltagsleben" geht, sondern um das Schicksal der Opfer, um die Verbrechen des Regimes. Durch sie ist eine Diktatur bestimmt, und nicht dadurch, daß man in ihr einen fröhlichen Alltag haben konnte. Den hatten die meisten Deutschen nach 1933 auch.
Und man hätte ihn darauf hingewiesen, nein, ihm um die Ohren gehauen, diesem Minister, daß man von "Schattenseiten" nur dann spricht, wenn etwas überwiegend helle Seiten hat. Wer spricht denn von den Schattenseiten der Kriminalität, oder von den Schattenseiten des Terrorismus? Wer von den Schattenseiten des Antisemitismus?
Es sind Gysi, Bisky und Co, die heute mehr oder weniger diskret darauf hinweisen, daß die DDR auch ihre Schattenseite hatte. Wenn das ein demokratischer Politiker sagt, dann disqualifiziert er sich damit.
Gewiß findet nicht jeder immer das richtige Wort. In einer improvisierten Äußerung hätte man dem Minister so etwas durchgehen lassen können. Aber das Zitat stammt aus dem Internetauftritt seines eigenen Ministeriums. Es beinhaltet somit die offizielle Meinung des Ministers.
Kein Wort von den Verbrechen des Regimes; kein Wort von seinen Opfern. Alltag soll vermittelt werden, auf Schattenseiten soll hingewiesen werden. Ja, die Versorgung mit Südfrüchten war schlecht.
Holger Rupprecht, der jetzt Minister ist, war von 1975 bis zu deren Ende Lehrer in der DDR. Niemand konnte in der DDR Lehrer sein, ohne die Schüler im Sinn des Sozialismus zu erziehen. Wer auf Lehramt studierte - Rupprecht tat das ab 1971 -, der wußte das und war bereit, einen Beruf auszuüben, in dem er sich nicht politisch würde zurückhalten können.
Ich halte es für abwegig, jemanden deswegen zu verurteilen. Ich würde noch nicht einmal so weit gehen wie Rupprecht selbst, der sich laut "Spiegel- Online" gestern beim Besuch der katholischen Privatschule Bernhardinum in Fürstenwalde wegen seines Verhaltens in der DDR als "einfach feige" bezeichnet hat.
Es ist schwer genug, in einer Diktatur zu leben; und aus meiner Sicht sollte niemand, der das nicht selbst erlebt hat, sich anmaßen, über diejenigen zu urteilen, die dieses Schicksal zu ertragen hatten.
Aber seit zwanzig Jahrn lebt Holger Rupprecht nicht mehr in einer Diktatur. Daß er sein Leben als Mitläufer, als Verteidiger des Sozialismus aufgearbeitet hätte, lassen seine Äußerungen nicht erkennen.
Nicht daß er "feige" gewesen sei, sollte ein solcher Minister sagen, sondern daß er sich fürchterlich geirrt hat, als er dem Sozialismus diente.
Nicht "Schattenseiten" sollte er den Schülern vorgaukeln, sondern sie darauf aufmerksam machen, daß keine noch so schönen "sozialen Errungenschaften" etwas am Unrechts- Charakter eines Regimes ändern können. Daß ein Regime, das seine Bürger wie Gefangene hält und sich die Kontrolle aller ihrer Lebensbereiche anmaßt, nicht seine guten und seine schlechten Seiten hat, sondern von seinem Wesen her verwerflich ist.
Wer sich geirrt hat, wer Mitläufer war, der steht - wenn er es ehrlich meint - in der Pflicht, eine Wiederholung zu verhindern. Also aufzuklären, aktiv gegen den ja immer noch virulenten Totalitarismus zu kämpfen. Unverbindliche Selbstbezichtigungen tun es nicht.
Nach 1945 hatten viele, die dem Nationalsozialismus gedient hatten, die Charakterstärke, sich so zu verhalten. Carola Stern war ein herausragendes Beispiel; Werner Höfer war es. Nach dem Ende des DDR- Regimes hatten Leute wie Günter Schabowski die Größe, sich so zu verhalten. Dem Minister Rupprecht scheint dieses Format zu fehlen.
Innerhalb weniger als einer Woche habe ich jetzt zum zweiten Mal - nach dem Artikel über Erwin Sellering - etwas zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur geschrieben; jeweils aus aktuellem Anlaß.
Ist es Zufall, daß sich solche Anlässe häufen? Vielleicht. Vielleicht hat es aber auch seine Gründe, daß zwanzig Jahre nach dem Ende eines totalitären Regimes dessen Aufarbeitung beginnt, oder vielmehr neu einsetzt. Beim Nazismus war es genauso; erst ab Mitte der sechziger Jahre hat man sich wirklich mit ihm befaßt, vor allem auch mit den Lehren aus ihm.
Vielleicht braucht man einen so langen Abstand. Inzwischen beginnen die ersten jungen Leute in Ostdeutschland ihr Studium, die schon nicht mehr in der DDR geboren wurden. Sie werden an ihre Eltern dieselben Fragen stellen, die meine Generation an unsere Eltern gestellt hat.
Der brandenburgische Minister für Bildung, Jugend und Sport, Holger Rupprecht, laut dem Internetauftritt seines Ministeriums.
Das Zitat bezieht sich auf die Reise, die Rupprecht gegenwärtig durch Schulen Brandenburgs unternimmt, um "mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufen 11 bis 13 über die DDR" zu diskutieren.
Kommentar: Stellen Sie sich einmal vor, zwanzig Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft - also Mitte der sechziger Jahre - hätte ein Minister von den "Schattenseiten des Dritten Reichs" gesprochen und angeregt, daß Schüler etwas über das "Alltagsleben im Dritten Reich" erfahren.
Natürlich wäre der Mann ab dem nächsten Tag Gegenstand eines Skandals gewesen, und ein paar Tage später sehr wahrscheinlich kein Minister mehr.
Denn man hätte ihm zu Recht vorgeworfen, daß es beim Verständnis einer Dikatur nicht um das "Alltagsleben" geht, sondern um das Schicksal der Opfer, um die Verbrechen des Regimes. Durch sie ist eine Diktatur bestimmt, und nicht dadurch, daß man in ihr einen fröhlichen Alltag haben konnte. Den hatten die meisten Deutschen nach 1933 auch.
Und man hätte ihn darauf hingewiesen, nein, ihm um die Ohren gehauen, diesem Minister, daß man von "Schattenseiten" nur dann spricht, wenn etwas überwiegend helle Seiten hat. Wer spricht denn von den Schattenseiten der Kriminalität, oder von den Schattenseiten des Terrorismus? Wer von den Schattenseiten des Antisemitismus?
Es sind Gysi, Bisky und Co, die heute mehr oder weniger diskret darauf hinweisen, daß die DDR auch ihre Schattenseite hatte. Wenn das ein demokratischer Politiker sagt, dann disqualifiziert er sich damit.
Gewiß findet nicht jeder immer das richtige Wort. In einer improvisierten Äußerung hätte man dem Minister so etwas durchgehen lassen können. Aber das Zitat stammt aus dem Internetauftritt seines eigenen Ministeriums. Es beinhaltet somit die offizielle Meinung des Ministers.
Kein Wort von den Verbrechen des Regimes; kein Wort von seinen Opfern. Alltag soll vermittelt werden, auf Schattenseiten soll hingewiesen werden. Ja, die Versorgung mit Südfrüchten war schlecht.
Holger Rupprecht, der jetzt Minister ist, war von 1975 bis zu deren Ende Lehrer in der DDR. Niemand konnte in der DDR Lehrer sein, ohne die Schüler im Sinn des Sozialismus zu erziehen. Wer auf Lehramt studierte - Rupprecht tat das ab 1971 -, der wußte das und war bereit, einen Beruf auszuüben, in dem er sich nicht politisch würde zurückhalten können.
Ich halte es für abwegig, jemanden deswegen zu verurteilen. Ich würde noch nicht einmal so weit gehen wie Rupprecht selbst, der sich laut "Spiegel- Online" gestern beim Besuch der katholischen Privatschule Bernhardinum in Fürstenwalde wegen seines Verhaltens in der DDR als "einfach feige" bezeichnet hat.
Es ist schwer genug, in einer Diktatur zu leben; und aus meiner Sicht sollte niemand, der das nicht selbst erlebt hat, sich anmaßen, über diejenigen zu urteilen, die dieses Schicksal zu ertragen hatten.
Aber seit zwanzig Jahrn lebt Holger Rupprecht nicht mehr in einer Diktatur. Daß er sein Leben als Mitläufer, als Verteidiger des Sozialismus aufgearbeitet hätte, lassen seine Äußerungen nicht erkennen.
Nicht daß er "feige" gewesen sei, sollte ein solcher Minister sagen, sondern daß er sich fürchterlich geirrt hat, als er dem Sozialismus diente.
Nicht "Schattenseiten" sollte er den Schülern vorgaukeln, sondern sie darauf aufmerksam machen, daß keine noch so schönen "sozialen Errungenschaften" etwas am Unrechts- Charakter eines Regimes ändern können. Daß ein Regime, das seine Bürger wie Gefangene hält und sich die Kontrolle aller ihrer Lebensbereiche anmaßt, nicht seine guten und seine schlechten Seiten hat, sondern von seinem Wesen her verwerflich ist.
Wer sich geirrt hat, wer Mitläufer war, der steht - wenn er es ehrlich meint - in der Pflicht, eine Wiederholung zu verhindern. Also aufzuklären, aktiv gegen den ja immer noch virulenten Totalitarismus zu kämpfen. Unverbindliche Selbstbezichtigungen tun es nicht.
Nach 1945 hatten viele, die dem Nationalsozialismus gedient hatten, die Charakterstärke, sich so zu verhalten. Carola Stern war ein herausragendes Beispiel; Werner Höfer war es. Nach dem Ende des DDR- Regimes hatten Leute wie Günter Schabowski die Größe, sich so zu verhalten. Dem Minister Rupprecht scheint dieses Format zu fehlen.
Innerhalb weniger als einer Woche habe ich jetzt zum zweiten Mal - nach dem Artikel über Erwin Sellering - etwas zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur geschrieben; jeweils aus aktuellem Anlaß.
Ist es Zufall, daß sich solche Anlässe häufen? Vielleicht. Vielleicht hat es aber auch seine Gründe, daß zwanzig Jahre nach dem Ende eines totalitären Regimes dessen Aufarbeitung beginnt, oder vielmehr neu einsetzt. Beim Nazismus war es genauso; erst ab Mitte der sechziger Jahre hat man sich wirklich mit ihm befaßt, vor allem auch mit den Lehren aus ihm.
Vielleicht braucht man einen so langen Abstand. Inzwischen beginnen die ersten jungen Leute in Ostdeutschland ihr Studium, die schon nicht mehr in der DDR geboren wurden. Sie werden an ihre Eltern dieselben Fragen stellen, die meine Generation an unsere Eltern gestellt hat.
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