24. Januar 2007

Rehe und Wölfe, Polarfüchse und Lämmer

Je mehr ich darüber nachdenke, umso absurder kommt es mir vor: Daß Demokraten Sympathie für jeweils diejenigen Extremisten haben, die sich auf derselben Seite des politischen Spektrums verorten wie sie selbst.

Vor einem Monat habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß dies ein zentrales Problem der momentanen politischen Situation im Irak ist:

Die demokratisch gesonnenen Schiiten haben Verbindungen zu, ja Bindungen an die schiitischen Extremisten der Sadr- Milizen. Die sunnitischen Demokraten pflegen Beziehungen zu sunnitischen Extremisten. Der Kampf gegen den Extremismus wird dadurch massiv behindert.

Der Irak wird, so habe ich argumentiert, nur dann einen demokratischen Weg gehen können, wenn die Demokraten endlich verstehen, daß sie miteinander weit mehr Gemeinsamkeiten haben als mit den jeweiligen Extremisten. Wenn insbesondere El Maliki versteht, daß er den demokratischen Staat gegen die schiitischen Extremisten verteidigen muß.



Nur wäre es naiv, das als ein spezifisches Problem des Irak zu sehen. Weltweit scheinen Demokraten immer wieder Sympathie, zumindest Verständnis für diejenigen zu empfinden, die die Demokratie beseitigen wollen, das aber unter demselben Banner - "links", "rechts", "nordirische Protestanten", "nordirische Katholiken" usw. - tun, unter dem auch diese Demokraten antreten.

Ungefähr so, als hätten die Lämmer Sympathie für die Polarfüchse, weil beide weiß sind; wohingegen die Rehe die Wölfe mögen, weil auch die ja braun sind.



Weil das nicht nur das aktuelle Problem des Irak ist, sondern weil es ein Problem in vielen Ländern zu den unterschiedlichsten Zeiten war und ist, habe ich in dem damaligen Beitrag auf die Parallele zu meinen Erfahrungen als Jungsozialist in den siebziger Jahren hingewiesen, als die Jusos immer wieder vor der Entscheidung standen, mit Kommunisten zusammenzuarbeiten oder diese Zusammenarbeit zu verweigern.

Diese Parallele war natürlich ein wenig provokativ gezogen, und hier hat ein schrecklicher Ivan sie prompt auch schrecklich übelgenommen.

Das Beispiel, auf das ich jetzt komme, mag manchen ähnlich provokativ erscheinen.



Es betrifft das aktuelle Thema, ob Mohnhaupt auf Bewährung entlassen, ob Klar begnadigt werden sollte. Dazu liegen jetzt Stellungnahmen der Parteien vor.

Und wenn man sich den Bericht auf der Website der Tagesschau ansieht, dann zeigt sich ein deprimierendes Muster: Die SPD, die Grünen, die Kommunisten sind für eine Haftentlassung. Die CDU, die CSU sind überwiegend dagegen.

Ja, haben denn die linken Parteien mehr Gemeinsamkeiten mit diesen Terroristen als die CDU und die CSU? Nur, weil sie ihre Morde als links deklariert haben?

Es sieht so aus. Volker Beck von den "Grünen" spricht gar von "Versöhnung". Seit wann versöhnt man sich mit Verbrechern, statt von ihnen Reue zu verlangen?



Also - auch hier wieder scheint es eine Affinität zwischen linken Demokraten und Leuten zu geben, die ihre Verbrechen als "links" deklariert haben.

Man könnte diese Folgerung mit einer alternativen Erklärung vermeiden: Vielleicht sind ja die linken Parteien generell dafür, Politverbrecher zu begnadigen, wenn sie lange genug gesühnt haben?

Diese Hypothese kann man leicht testen: Wie haben sie es gehalten, wenn es um Nazi- Verbrecher gegangen ist?

Nehmen wir einen Fall, der sich zum Test eignet, den von Erich Priebke. Er hatte als SS-Offizier 1944 an der Erschießung italienischer Geiseln teilgenommen. Den Befehl, sie erschießen zu lassen, hatte er nicht veweigert. Dafür - und weil statt der befohlenen 330 Geiseln 335 erschossen worden waren, wie eine Zählung nach der Erschießung ergab - wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt, die er, inzwischen weit über neunzig Jahre alt, immer noch verbüßt; Europas ältester Strafgefangener.

Wer generell dafür ist, Politverbrecher zu begnadigen, wenn sie lange genug gesühnt haben, der sollte sich eigentlich in diesem Fall engagieren. Hat das eine der linken deutschen Parteien getan, wenigstens einer ihrer Prominenten? Nein, soweit ich es herausfinden konnte.

Der anscheinend einzige prominente Politiker, der es getan hat, war 1999 Heinrich Dregger, CDU.

Auch hier wieder das Muster: Ein rechter Demokrat setzt sich für den SS-Mann ein.



Ist das nicht deprimierend, diese Kumpanei der Lämmer mit den Polarfüchsen, der Rehe mit den Wölfen?