1. Mai 2019

Vorwärts zum wahren Sozialismus! Herr Kühnert legt die Karten auf den Tisch.

Es gibt Meldungen, bei denen kann man sich jedwede Kommentierung ersparen. Man braucht sie nur im Original-Ton zu präsentieren; sie richten den, den die Verlautbarung betrifft. So auch die Äußerungen, die der Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD, kurz Jusos genannt, heute aus Anlaß des Tags der Arbeit von sich gegeben hat, dem bezeichnenderweise höchsten Feiertag im liturgischen Festkalender aller sozialistischen Systeme. Wie die Welt vermeldet:

"Kühnert fordert Kollektivierung von Großunternehmen
Juso-Chef Kevin Kühnert hat die Kollektivierung von Großunternehmen wie dem Automobilkonzern BMW gefordert. "Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar", sagte Kühnert der Wochenzeitung "Die Zeit". Auch private Vermietungen solle es im "Optimalfall" nicht mehr geben.

"Wie genau solche Kollektivierungen ablaufen sollten, ließ Kühnert in dem Interview offen. "Mir ist weniger wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW 'staatlicher Automobilbetrieb' steht oder 'genossenschaftlicher Automobilbetrieb' oder ob das Kollektiv entscheidet, dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht", sagte er der "Zeit". Entscheidend sei, dass die Verteilung der Profite demokratisch kontrolliert werde. "Das schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebs gibt."

Damit nicht genug. Ein wahrer Sozialist macht keine halben Sachen, sondern Nägel mit Köpfen. Genosse Kühnert weiter:

Sozialismus bedeute im „Optimalfall“ auch, dass es keine privaten Vermietungen mehr gebe, so Kühnert. „Ich finde nicht, dass es ein legitimes Geschäftsmodell ist, mit dem Wohnraum anderer Menschen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.“ Seine Talkshow-Äußerung zur Legitimität des Umfangs von Wohneigentum in privater Hand verschärfte er noch einmal. „Konsequent zu Ende gedacht, sollte jeder maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.“

Daß der Sozialismus sich in allen Fällen, in denen die Menschen das Unglück hatten, sich diesem Experiment am (oft nicht mehr lang) lebenden Subjekt ausgesetzt zu sehen, nicht als "Optimalfall" entpuppt hat, sondern ausnahmslos zu Elend, Zwang und der Diktatur der einen, immer im Recht befindlichen Partei geführt hat, scheint sich bis zu unserem Kevin nicht herumgesprochen zu haben. Der nur aufs allererste Blinzeln, und nur bei historischer Blindheit einleuchtende Bescheidenheitsgrundsatz, das "Gemeinwohl" stehe stets über der "Raffgier" des Einzelnen und dem Wucher derer, die mit den Grundbedürfnissen der Menschen - hier dem Dach über dem Kopf - üblen Gewinst einfahren: solche Blindheit gegenüber aller geschichtlichen Erfahrung und der Lebenswirklichkeit in den Zwangssystemen, die das zum Prinzip erhoben haben, zeigt erschreckend die Naivität einer solchen "Gnade der späten Geburt" knapp vier Monate, bevor in Deutschland die Mauer fiel und Ost und West an die Beseitigung der Verheerungen aus vier Jahrzehnten planwirtschaftlicher Mißwirtschaft und staatlicher Bevormundung gehen konnten.

Schon die schlichte Überlegung, daß bei einer Reduzierung des Wohneigentums auf die eigenen vier Wände (und den implizierten Rückbau, der unweigerlich folgen dürfte: wer "braucht" schon 100 Quadratmeter, wenn er mit 30 doch "auskommen" kann) niemand mehr in die Errichtung von Mietwohnungen investieren wird, weil dies schlichterdings vom Staat untersagt worden ist, dürfte den Horizont unseres Helden der sozialen Gerechtigkeit weit überschreiten - und warum das Ergebnis in allen sozialistischen Paradiesen von Marzahn über Bukarest bis Moskau und Peking "die Platte" war, in der der Staat seine blauen Ameisen stapelte. Und ebenso dürfte es ihm ein Rätsel sein, warum all diese Systeme, die das in die blutige Praxis erhoben haben, dies mit Zwangsenteignung, mit der Vertreibung und Vernichtung des Bürgertums, also der Quelle des Wohlstands, mit Polizeistaat und GULag durchsetzen mußten. Die immer hektischer verkündeten Bestrebungen, die individuelle Mobilität -sei es per Flugzeug, sei es per Auto - ob nun mit Selbstzünder oder Benziner bewegt - drastisch zu beschränken, wenn nicht gar abzuschaffen, oder per "CO²-Abgabe" die Atemluft selbst zu besteuern, fügen sich nahtlos in dieses alarmierende Bild.

Kühnert wird in diesem Jahr 30. In einem solchen Alter sollte man die Wirrnisse einer pubertären Idealismus abgestreift haben, der einen anfällig für die utopischen Heilsversprechungen macht. Zumal wenn es zur Allgemeinbildung über den Verlauf des letzten Jahrhunderts geht, um die Katastrophen, die solche Versprechen angerichtet haben, um das Wissen um die weit über zweihundert Millionen Tote, die den verblendeten Idealisten wohl immer noch als die Späne gelten, die eben anfallen, wenn der Hobel angesetzt wird, um endlich das irdische Paradies zu schaffen. Noch mal zum Mitschreiben: hier schwafelt kein Träumer eines linksextremen Maoistenzirkels, sondern die neue Lichtgestalt der zweitgrößten deutschen Volkspartei, der von den Medien - neben dem ähnlich gestrickten Pendant Robert Habeck - zur neuen politischen Hoffnung aufgebaut wird und der gute Chancen hat, in ein paar Jahren den Parteivorsitz zu übernehmen und für das Amt des Kanzlers in den Wahlkampf zu ziehen. Die Personaldecke der SPD ist dermaßen ausgedünnt, die Zahl der Gesichter - egal ob Funktionsträger oder nur Maskottchen wie die Staatssekretärin im Ministerialrang Sawsan Chebli - so geschrumpft, daß KK, neben Frau Nahles, Herr Scholz, Frau Schwesig oder dem augenscheinlich auf die Zielgerade seiner Laufbahn eingebogenen "Ralle" Stegner zu dem höchstens halben Dutzend Namen gehört, die dieser 140 Jahre alten Traditionspartei überhaupt noch ein Gesicht im Bewußtsein der Öffentlichkeit verliehen. Wenn von diesen Protagonisten in den anstehenden Wahlen sich der eine oder andere als Kassengift in der Wählergunst entpuppen sollte (darauf zu wetten geht man kein Risiko ein), ist die Chance, daß unser Held als last man standing übrig bleiben wird, nicht gering. Als kleiner Zyniker, der den Zustand unserer politischen Landschaft für hoffnungslos dekadent und verrottet ansieht, mag man das als finstere poetische (Un-)Gerechtigkeit sehen. Für jemanden, der noch Hoffnung hegt, der Spuk, der uns seit Jahren von der Politik der Berliner Republik präsentiert wird, könne sich durch die Selbstheilungskräfte der bestehenden Institutionen - zu denen die "traditionellen Parteien" nun einmal als Kernelement zählen - ist dies nur als weiteres Alarmzeichen zu lesen.




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U.E.

© Ulrich Elkmann. Für Kommentare bitte hier klicken.