25. Mai 2019

Zwei schöne Kampagnen

Die Fraktion der Pro-Europäer (gefühlt vielleicht 90% des politischen Betriebes, aber auch eine lockere Mehrheit der deutschen Wähler) hat ein Problem: Sie haben keine so rechten Themen mehr. Man kann zwar weiter hirnfrei "Frieden" (SPD), "Ein Europa für Frieden und Wohlstand" (CDU) oder "Europa ist die beste Idee, die Europa je hatte" (Grüne) plakatieren, aber so richtig verfangen tut der Quatsch nicht. Man hat schlicht keine Themen.­
Was einfach daran liegt, dass Europa durch die letzten Jahre wenig bis gar nichts (für den Bürger!) zuwege bringt, sondern sich lieber darin gefällt die realen Krisen wie die Merkelsche Flüchtlingsshow oder das griechische Finanzwunder auszusitzen. Das einzige Konzept der Pro-Europäer besteht in -Überraschung!- mehr Europa. Warum ist eigentlich unklar. Warum Europa Probleme, die es bisher nicht ansatzweise lösen konnte, durch noch mehr Macht in Brüssel lösen will, verbleibt im Nebel. 

Das Doofe ist: Das hat inzwischen auch der Bürger gemerkt. Und nicht nur in Deutschland, gerade auch im Ausland, vor allem in Osteuropa, aber auch und gerade in Großbritannien wie auch in Frankreich, Italien und einer nicht unbeträchtlichen Menge anderer. Das Gespenst das seitdem umgeht nennt sich im politisch korrekten "Rechtspopulismus" oder wahlweise auch Nationalismus. Erstaunlich eigentlich, denn zunächst mal ist ein Gegner der totalen europäischen Vereinigung noch lange kein Nationalist, aber seis drum, es lässt sich so leichter drauf rumhacken. Das noch Doofere ist: Der Bürger lässt sich davon auch noch zunehmend weniger erschrecken. Und wählt diese bösen Menschen gar noch.

Was also tut der politisch informierte Pro-Europäer? Eine eigene Botschaft (mal ab von dem "Mehr Europa") hat er nicht. Also muss er, so er nicht selber besser dastehen kann, den vermeintlichen "Europa-Feind" möglichst schlecht darstellen. Was eigentlich ein guter Ansatz ist, vor allem dann, wenn nahezu 90% aller Medien quer durch die Bank zur Fraktion derjenigen gehören, denen gar nicht genug Entscheidungsgewalt in Brüsseler Hinterzimmer transferiert werden kann. Rein generisch wie früher geht es nicht mehr, da der Nazi-Vorwurf inzwischen stumpfer ist als eine Rede von Claudia Roth und dem Bürger nur noch zum Halse raushängt. Zeit für eine Kampagne. Davon hat man dann zumindest in Deutschland (im Ausland mag es vergleichbare geben) zwei gefunden: Zum einen das Korruptionsvideo um Strache in Österreich, zum anderen das Youtube Video des "Influencers" (moderne Kurzform für "Irgendwas mit Medien") Rezo. Beide Videos sind in ihrer Konzeption und ihrem Ziel ad hoc nicht gleich, beide sind aber im Stil eine Kampagne exakt auf die Europawahl ausgerichtet. 

Es wäre schon ein absurder(!) Zufall, wenn das Strache-Video genau eine Woche vor der Wahl plötzlich auftauchte, ein Video das zwei Jahre alt ist und seitdem wohl vor sich hinstauben sollte. Weit wahrscheinlicher ist, dass es schon eine ganze Weile auf seinen Einsatz wartet und vermutlich am Ende auch nicht unbedingt billig war. Bei dem Rezo-Video dagegen ist es ja nicht einmal ein Geheimnis, dass es sich um ein öffentlich buchbares Mietmaul handelt, dass Kampagnen ganz offiziell als Dienstleistung verkauft. Auch hier ist der Zeitpunkt eindeutig und auch hier dürfte einiges an Geld geflossen sein (ich würde zu gern sehen wer den Spaß finanziert hat, wenn ich meinen Aluhut wiederfinde, dann würde ich mich nicht wundern, wenn es irgendwas im Umfeld der Open Society Foundation wäre). 

Warum ist das Ganze jetzt so wichtig? Weil es eine politische Armseeligkeit aufzeigt, die schon deutlich angesprochen werden sollte. Statt zu plakatieren was man denn selber eigentlich will, was das "Mehr Europa" alles bringen soll, statt zu sagen was man von Europa erwartet, beschränkt man sich im Wesentlichen darauf mit dem Finger auf den anderen zu zeigen und diesen als "unwählbar" zu brandmarken. Die FPÖ ist nicht unwählbar, weil sie eine korrupte Führungsfigur hat (sonst wäre in Deutschland keine(!) der etablierten Parteien mehr wählbar), die AfD hat mit dem ganzen Zauber gar nichts zu tun, die CDU bestreitet auch nicht den Klimawandel (sie könnte es vielleicht, aber sie tut es real nicht) und die FDP will auch nicht den Manchesterliberalismus einführen (was eine Schwäche ist), aber all diese Differenzierung geht eine Woche vor der Wahl lange verloren. Es soll dem Wähler suggeriert werden, dass es abseits von SED, Grünen und SPD (im letzten Kampagnenschritt nur noch SED und Grüne) keine Möglichkeit gebe, ein vertretbares Kreuz zu machen. 

Ich finde es doppelt abstoßend. Denn nicht nur wird mir fälschlich suggeriert, dass die betreffenden Parteien jetzt unmöglich wählbar sind, ich stoße mich auch an den Methoden, die hier angewandt werden. Ist das die politische Kultur, die man sich wünschen möchte? Geheimdienstmethoden und negative Campaigning? Der ganze Europa-Wahlkampf war schon aufgrund der wirklich ausgesucht dummen Wahlplakate ein Krampf für sich, jetzt hats auch noch einen Gestank dabei. 


Llarian

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