19. September 2016

Zeit zurückdrehen ? Frau Bundeskanzler simuliert Selbstkritik.

"Merkel gesteht Fehler in der Flüchtlingspolitik ein", so titelt die FAZ heute und zitiert gleich einen passenden Satz dazu: „Wenn ich könnte, würde ich die Zeit zurückdrehen“.
Sapperlot mag dem einen oder anderen durch den Kopf gehen: Hat Sie jetzt, nachdem es ihr nun mehr als ein Jahr um die Ohren gehauen wird, endlich verstanden, welchen Schaden sie angerichtet hat, welch massives Problem sie verursachte? Um es kurz zu sagen: Nein, hat sie nicht. Ganz im Gegenteil. Die Aussagen von Merkel dienen eigentlich nur einem Zweck: Dem Nachlaufen der öffentlichen Diskussion, um so zu tun, als habe sie die Kritik nicht nur verstanden, sondern sei ja eigentlich auch schon immer dieser Meinung gewesen. Inhaltlich ist ihre Reflektion ohne jedwede Eigenerkenntnis, dafür mit viel Selbstgerechtigkeit und vielen Floskeln.
Sie reflektiert zu Anfang darüber, dass man "zu lange gewartet habe, bevor wir uns der Flüchtlingsfrage genähert haben". So kann man natürlich das eklatante Staatsversagen von 2015 auch bezeichnen. Nur: Wenn Sie denn die Zeit zurückdrehen wollte, was würde sie denn anders machen? Und genau in dieser Frage liegt auch die Begründung, warum es sich eben um keine Selbstkritik handelt, sondern nichts weiter als eine inhaltsleere Floskel: Nämlich gar nichts. Wenn sie davon erzählt, dass sie sich viel zu lange auf Dublin verlassen habe, dann ignoriert sie zum einen, dass es bereits vor dem grossen Durchbruch 2015 klar war, dass Dublin eben nicht funktionierte (was auch viele öffentlich laut gesagt haben), zum anderen ist sie ja selbst heute(!) nicht bereit eine Grenze einzuführen, oder nur einen Millimeter hinter ihren angeblich so "ethischen" Standpunkt zurückzugehen. Wenn sie also heute zurück könnte ins Jahr 2015 und sie dann wissen würde, dass Dublin nicht funktioniert, was würde sie anders machen? Doch gar nichts. Wenn heute keine Obergrenze existieren kann, dann kann die 2015 erst recht nicht existieren. Wenn man heute keinen Zaun bauen kann (nach Ansicht Merkel), dann ging das 2015 ja auch nicht.
Auch lässt sie sich, ganz analog zu ihren Nachtänzern, darüber aus, dass in Zukunft die Politik der Bundesregierung besser erklärt werden müsse. Was nichts weiter als eine paternalistische Bemerkung gegen den dummen Wähler ist, der einfach nur noch nicht verstanden hat, wie gut die ihre Politik eigentlich ist. Nicht die Politik ist schlecht, nein, der Wähler ist zu dumm, sie zu verstehen, also muss man sie ihm halt noch einmal erklären. Und dann noch einmal. Bis er es endlich verstanden hat. Die ganz simple Idee, dass der Wähler die Politik durchaus verstanden hat, aber eben anderer Meinung ist, kommt in der Welt von Angela Merkel nicht vor. Mutti knows best.
Besonders drollig wird es, als Angela Merkel auf die 82% zu sprechen kommt, die einen Kurswechsel von ihr verlangen. Ihr fallen dazu zwei Dinge ein:
Zum einen, dass wenn diese 82% keine Fremden (vor allem keine islamischgläubigen) in Deutschland wollen, dann könne sie dem nicht folgen, weil das dem Grundgesetz und dem ethischen Fundament der CDU nicht entspreche. Zum einen würde ich an der Stelle Frau Merkel einmal empfehlen das Grundgesetz einfach mal zu lesen, ich habe da zumindest einsame Zweifel, dass sie es so genau kennt. Denn dort steht nichts drin, was dem widerspricht. Im Gegenteil, dort steht erst einmal drin, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, nicht von Angela Merkel, auch nicht von der CDU oder deren ethischem Verständnis. Es wäre besser, Angela Merkel würde sich mal an ihren Amtseid erinnern, das steht da auch was zu drin und es hat nichts mit Fremden oder Glauben zu tun.
Zum zweiten führt sie dann weiter aus, dass sie, und dafür nimmt sie die 82% dann mit, dafür kämpfe dass sich eine Situation wie im letzten Jahr nicht wiederholt. Das hat schon Chuzpe. Und zwar ziemlich gewaltige. Denn der Grund, warum die Situation eben nicht mehr andauert, besteht vor allem im Handeln der Staaten Ungarn, Österreich & Mazedonien. Und zwar mit Maßnahmen, die Merkel bis aufs Blut bekämpft hat. Nicht ein Wort davon, dass sie sich vollständig an dieser Stelle geirrt hat und es nur anderen zu verdanken ist, dass das gewaltige Problem nicht noch eine Dimension größer ist. Das ist, nennen wir es einmal beim Namen, rotzfrech.
Gegen Ende kommt dann auch der Freund von zynischem Humor noch etwas ab: Frau Merkel erkennt, dass es Menschen in Deutschland gibt, die Angst vor Überfremdung haben und Deutschland sei bald nicht mehr wiederzuerkennen. Darauf antwortet sie sich dann selbst mit "Es wäre unlogisch, da mit Fakten zu kontern, auch wenn ich, dafür kennen Sie mich, ich sofort in der Lage, sie herunterzubeten.“ Davon mal ab, dass der Satz grammatikalisch eine Herausforderung ist (ich aber nicht weiss, ob das ein Fehler der FAZ ist oder im Original so gesagt wurde), wird der Sinn schon klar: Sie habe Fakten. Es lohne sich nur nicht, die zu benennen. Dumm, dass sie nicht einen genannt hat. Das Deutschland 2016 eben nicht mehr das Deutschland von 2014 ist, ist trivial. Das weiss jeder, der seine Kinder ins Freibad schicken möchte, sich Gedanken um Sylvester macht oder mal überlegt warum das Innenministerium eine Terrorwarnung nach der anderen raus haut. Das zu bestreiten ist einfach dumm. Sogar ziemlich dumm. Aber Frau Merkel hat Fakten. Ja, nee, ist klar. 

Und am Ende kommt dann natürlich auch der unvermeidliche Merkelansatz: Sie hat ein Gefühl. Und zwar das Gefühl, dass wir viel besser aus dieser Situation rausgehen, als wir reingegangen sind. Stellen wir uns an der Stelle mal einen Vorstandsvorsitzenden einer großen AG vor, der vor seinen Aktionären spricht. Er wisse zwar nicht, was als nächstes komme, aber er habe das Gefühl, es werde der Firma am Ende besser gehen als vorher. Wäre eine totale Lachnummer. Aber Merkel tut genau das standardmäßig. Man muss sie einfach mal beobachten: In nahezu allem was sie sagt ist spätestens beim dritten Satz die Rede von Gefühlen. Aber das ist ein Thema für ein anderes mal. Es bleibt dennoch auch hier die Frage, wenn sie das Gefühl hat, dass alles so gut läuft, warum dann überhaupt selbst kritisieren? Wenn das Ergebnis gut ist, dann brauche ich keine Kritik. Nur ist das Ergebnis eben nicht gut. Da kann sie so viel fühlen, wie sie will.

Es handelt sich nicht nur um keine Selbstkritik, es ist ein ebenso billiger wie Merkel-typischer Ansatz, sich selbst zu rechtfertigen, ohne auch nur einen Funken echter Reflektion zu üben. Selbstkritik muss zwangsnotwendig den Punkt beinhalten zu erkennen, wo man etwas falsch gemacht hat und was man anders machen würde, wenn man noch einmal in die Situation käme. Frau Merkel hat aber in ihren Augen nichts falsch gemacht. Sie will ihren Weg unbeirrt weiter gehen und versucht einfach nur wieder gute Presse zu erzeugen, weil der Begriff Selbstkritik ganz gut im Kurs steht für jemanden, der massiv kritisiert wird. Sie möchte den Begriff gerne für sich reklamieren, um ihre angekratzte Reputation zu stärken, aber bitte ohne Verantwortung für ihre Handlungen tragen zu müssen. Bei ihren Jubelpersern mag diese Art von Argumentation gut verfangen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie damit in der Realität weit kommt. Wen immer die CDU inzwischen als Wähler an die AfD verloren hat, wird sich von dieser Simulation kaum überzeugen lassen. Egal wie sehr die Presse (Stichwort Jubelperser) das in den nächsten Tagen loben wird.

Llarian

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