In Deutschland hat kürzlich eine TSN Emnid- Umfrage im Auftrag der "Zeit" Aufsehen erregt, die darauf hindeutet, daß die Deutschen in ihrer Mehrheit links sind.
In dieser aktuellen Umfrage bezeichneten sich 34 Prozent der Befragten als links und nur 11 Prozent als rechts. 1981 war die Relation umgekehrt (17 Prozent links, 38 Prozent rechts) und 1991 immerhin noch ungefähr ausgeglichen gewesen (24 Prozent links, 26 Prozent rechts; der Rest lokalisierte sich jeweils in der Mitte).
Selbst von den Anhängern der Union bezeichneten sich 25 Prozent als links und nur 22 Prozent als rechts. (Die Union dürfte damit die einzige Partei der rechten Mitte in Europa, vielleicht weltweit sein, die - nach deren eigenen Aussagen - mehr linke als rechte Anhänger hat!).
Zum Teil mögen diese Antworten einer intensiven öffentlichen Diskussion geschuldet zu sein, in der - vor allem, aber leider nicht nur von Seiten der Kommunisten und ihrer Verbündeten - der Begriff "rechts" ständig mit "rechtsextrem" identifiziert und damit diskreditiert wird. (Auch das ist eine deutsche Besonderheit; kein Franzose käme auf den Gedanken, "la droite" und "l'extrême-droite" auch nur in eine Nähe zueinander zur rücken).
Aber das kann nicht die ganze Erklärung sein. Denn auch in den Einstellungen zu vielen politischen und gesellschaftlichen Einzelfragen fanden die Demoskopen bei der Mehrheit der Deutschen eine Linksneigung.
So glauben 72 Prozent, daß die "Regierung zu wenig für soziale Gerechtigkeit" tue. 68 Prozent sind für die Einführung von Mindestlöhnen. Nur 15 Prozent sind mit der Rente mit 67 einverstanden.
67 Prozent sind dafür, daß Bahn, Telekom, Energieversorgung in Staatsbesitz sind; nur 27 Prozent wollen sie in privatem Besitz sehen. Und während die Macht der Gewerkschaften bei früheren Umfragen mehrheitlich als "zu groß" beurteilt wurde, ist jetzt eine Mehrheit, fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent), der Meinung, sie sei "zu klein".
Im aktuellen "Nouvel Observateur" werden die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts TNS Sofres vorgestellt, die zwar einen etwas anderen Hintergrund hat, die aber auch auf die Haltung der Befragten zu linken und rechten politischen Positionen zielt. (Die Web- Version des Artikels enthält nicht die Ergebnis- Tabellen. Ich zitiere aus diesen aufgrund der gedruckten Ausgabe des "Nouvel Observateur").
In dem Begleit- Artikel von Claude Ascolovitch geht es um die Gründe für die Niederlagen der PS bei den vergangenen Wahlen und um die Aussichten dieser Partei. Dazu wurde, ähnlich wie in der deutschen Umfrage, die Meinung zu politischen Streitfragen erhoben. Und fast durchweg fand sich eine Mehrheit für rechte Positionen:
Es ist eine triviale Feststellung, daß es für solche Unterschiede nie eine einzige Ursache gibt. Es ist ebenso trivial, daß die Frage nach den Ursachen eine empirische Frage ist; eine für die empirische Sozialforschung also.
Aber dies gesagt - ich möchte eine Hypothese zur Diskussion stellen. Sie ist spekulativ, wie anders. Aber sie scheint es mir wert, in Betracht gezogen zu werden. Sie ergänzt das, was ich früher über eine strukturelle linke Mehrheit im wiedervereinigten Deutschland geschrieben habe.
Seit den achtziger Jahren standen Deutschland und Frankreich vor im wesentlichen denselben Problemen:
Anders als zum Beispiel Großbritannien, Neuseeland, Holland, die skandinavischen Staaten reagierten Frankreich und Deutschland auf diese Herausforderungen, indem die Regierungen den Kopf in den Sand steckten.
In Frankreich waren in den achtziger Jahren die Sozialisten und die Kommunisten an der Macht. Für sie war die Globalisierung nur ein Trick des bösen Kapitals, um die Arbeiter noch mehr auszubeuten.
In Deutschland gab es zwar die rechte Regierung Kohl; aber ihre zaghaften Reformversuche wurden durch die Obstruktionspolitik der SPD im Bundesrat blockiert.
In den neunziger Jahren, bis hinein ins neue Jahrtausend änderte sich in beiden Ländern im Grunde nichts.
Deutschland war zunächst mit den Folgen der Wiedervereinigung beschäftigt; dann leisteten sich die Deutschen eine rotgrüne Regierung, die fünf Jahre lang mit geradezu diabolischer Zielsicherheit das Gegenteil von dem tat, was notwendig gewesen wäre.
In Frankreich schleppten sich die Regierungen unter Mitterand bis 1995 hin; zuletzt in Gestalt einer Cohabitation, in der Mitterand mit einer rechten Mehrheit in der Nationalversammlung regieren mußte.
Als Jacques Chirac seine Nachfolge antrat, gab es eine kurze Phase eines rechtsliberalen Aufbruchs. Aber bald neutralisierten sich die beiden Regierungsparteien (die Gaullisten und die Liberalen) in internen Streitigkeiten gegenseitig. Dann gab es - von 1997 bis 2002 - wieder eine Cohabitation; diesmal zur Abwechslung die einer linken Parlaments- Mehrheit mit einem rechten Präsidenten.
Und über all dem wurde Chirac immer kraftloser; ähnlich wie Kohl in seinen letzten Jahren. Selten waren die Franzosen über den Abschied eines Präsidenten so froh wie im Mai dieses Jahres, als sie Chirac endlich losgeworden waren.
Bis in die unmittelbare Gegenwart hinein hatte also weder Frankreich noch Deutschland eine Regierung, die die Herausforderungen der Globalisierung akzeptierte; die die dringend erforderlichen neoliberalen Reformen anpackte.
Als es dann aber doch so weit war, geschah es auf radikal verschiedene Weise. Und darin liegt, so scheint mir - so lautet jedenfalls die Hypothese - der Grund dafür, daß in Deutschland heute eine linke, in Frankreich eine rechte Grundstimmung herrscht.
In beiden Ländern wurden zwar nach der Jahrtausendwende die Probleme so offensichtlich, daß es eine breite öffentliche Diskussion darüber gab, was geändert werden mußte.
Aber die Änderung, die Wende vollzog sich auf völlig verschiedene Art.
In Frankreich hatten sich sowohl François Bayrou als auch Nicolas Sarkozy zu Anwälten marktwirtschaftlicher Reformen gemacht; der eine mehr am modernen Neoliberalismus orientiert, der andere mehr an der ordoliberalen Position Ludwig Erhards.
Diese beiden Kandidaten, die beide Wirtrschaftsliberale sind, erreichten im ersten Wahlgang der Präsidentschafts- Wahlen zusammen genau 50 Prozent der Stimmen; gegenüber 26 Prozent für die sozialistische Kandidatin und rund 37 Prozent für die gesamte Linke.
Die Franzosen hatten sich also, nach einer breiten öffentlichen Diskussion und mit vollem Bewußtsein dessen, worauf sie sich einließen, für liberale Reformen entschieden. Sie erwarten jetzt, daß diese Früchte tragen und sind also in ihrer Mehrheit rechts.
In Deutschland dagegen hat die rotgrüne Regierung von ihrem Amtsantritt im Herbst 1998 bis zum März 2003 alle liberalen Reformen verteufelt. In ihren ersten Jahren machte sie viele der Reformen Kohls wieder rückgängig; später fand eine "Politik der ruhigen Hand", d.h. des Nichtstuns, statt.
Mit heftiger Ablehung aller neoliberalen Reformen hatte Schröder die Wahlen im Herbst 2002 gewonnen. Einige Monate später putschte er.
Das ist die richtige Bezeichung für das, was Schröder zwischen den Dezember 2002 und seiner Regierungserklärung am März veranstaltete: Erst wurde ein Strategiepapier aus dem Kanzleramt Ende Dezember an die Öffentlichkeit lanciert. Dann gab es hektische Aktivität der Regierung und in den Regierungsparteien. Und am 14. März 2003 hörte die staunende Nation eine Regierungserklärung von Gerhard Schröder, die das genaue Gegenteil der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Positionen proklamierte, mit denen er ein halbes Jahr zuvor die Wahlen gewonnen hatte.
Viele Deutsche haben seither zu Recht den Eindruck, daß sie sich nicht nach einer öffentlichen Diskussion frei für liberale Reformen entschieden haben wie die Franzosen, sondern daß diese Reformen ihnen von "denen da oben" aufgedrückt wurden.
Seither geht es abwärts mit der SPD. Zu Recht.
Nicht, weil sie sich damals, 2003, zu den erforderlichen Reformen durchgerungen hat.
Sondern weil die Regierung Schröder sich schlimmer als ein autoritärer Monarch verhalten hat, indem sie diese Reformen par ordre du mufti oyktroyierte. Weil Schröder, wie er es in seiner gesamten Karriere gemacht hat, erst das eine sagte und dann das andere tat; weil er, wie immer, mit einer Überrumpelungstaktik arbeitete.
Diese Reformen sind dadurch von Anfang an in den Ruch des Willkürlichen, des Ungerechten geraten. Der Aufstieg der WASG, der dann zum Aufstieg auch der PDS führte, hat darin seine Ursache.
Die Deutschen sind jetzt mehrheitlich links, weil sie mehrheitlich diese liberalen Reformen nicht als notwendig, sondern als eine Willkür wahrgenommen haben. Genau umgekehrt wie die Franzosen, die in ihnen eine Chance sehen, mehrheitlich.
In dieser aktuellen Umfrage bezeichneten sich 34 Prozent der Befragten als links und nur 11 Prozent als rechts. 1981 war die Relation umgekehrt (17 Prozent links, 38 Prozent rechts) und 1991 immerhin noch ungefähr ausgeglichen gewesen (24 Prozent links, 26 Prozent rechts; der Rest lokalisierte sich jeweils in der Mitte).
Selbst von den Anhängern der Union bezeichneten sich 25 Prozent als links und nur 22 Prozent als rechts. (Die Union dürfte damit die einzige Partei der rechten Mitte in Europa, vielleicht weltweit sein, die - nach deren eigenen Aussagen - mehr linke als rechte Anhänger hat!).
Zum Teil mögen diese Antworten einer intensiven öffentlichen Diskussion geschuldet zu sein, in der - vor allem, aber leider nicht nur von Seiten der Kommunisten und ihrer Verbündeten - der Begriff "rechts" ständig mit "rechtsextrem" identifiziert und damit diskreditiert wird. (Auch das ist eine deutsche Besonderheit; kein Franzose käme auf den Gedanken, "la droite" und "l'extrême-droite" auch nur in eine Nähe zueinander zur rücken).
Aber das kann nicht die ganze Erklärung sein. Denn auch in den Einstellungen zu vielen politischen und gesellschaftlichen Einzelfragen fanden die Demoskopen bei der Mehrheit der Deutschen eine Linksneigung.
So glauben 72 Prozent, daß die "Regierung zu wenig für soziale Gerechtigkeit" tue. 68 Prozent sind für die Einführung von Mindestlöhnen. Nur 15 Prozent sind mit der Rente mit 67 einverstanden.
67 Prozent sind dafür, daß Bahn, Telekom, Energieversorgung in Staatsbesitz sind; nur 27 Prozent wollen sie in privatem Besitz sehen. Und während die Macht der Gewerkschaften bei früheren Umfragen mehrheitlich als "zu groß" beurteilt wurde, ist jetzt eine Mehrheit, fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent), der Meinung, sie sei "zu klein".
Im aktuellen "Nouvel Observateur" werden die Ergebnisse einer Umfrage des Instituts TNS Sofres vorgestellt, die zwar einen etwas anderen Hintergrund hat, die aber auch auf die Haltung der Befragten zu linken und rechten politischen Positionen zielt. (Die Web- Version des Artikels enthält nicht die Ergebnis- Tabellen. Ich zitiere aus diesen aufgrund der gedruckten Ausgabe des "Nouvel Observateur").
In dem Begleit- Artikel von Claude Ascolovitch geht es um die Gründe für die Niederlagen der PS bei den vergangenen Wahlen und um die Aussichten dieser Partei. Dazu wurde, ähnlich wie in der deutschen Umfrage, die Meinung zu politischen Streitfragen erhoben. Und fast durchweg fand sich eine Mehrheit für rechte Positionen:
Gewiß, es handelt sich um andere Fragen als diejenigen, die den Befragten von Emnid gestellt wurden. Aber es ist doch offensichtlich, daß die Franzosen - heutzutage, in dieser aktuellen Befragung - in ihrer Mehrheit rechte politische Positionen bevorzugen, während die Deutschen im Zweifelsfall - heutzutage, in der deutschen aktuellen Befragung - nach links neigen. Warum ist das so?Die von der rechten Mehrheit in der Nationalversammlung beschlossene Einschränkung des Streikrechts (Service Minimum) wurde von 67 Prozent als "angemessen" beurteilt. Nur 30 Prozent fanden sie "nicht angemessen". Eine Verschärfung der Strafandrohung für Rückfall- Täter wird von 62 Prozent begrüßt; nur 32 Prozent lehnen sie ab. Die Legalisierung von illegal in Frankreich lebenden Ausländern - ein Lieblingsprojekt der Linken - wird von 56 Prozent abgelehnt. Lediglich 38 Prozent würden sie begrüßen. Eine Verkürzung der Arbeitszeit lehnen sogar 68 Prozent ab; nur 28 Prozent sprechen sich dafür aus. Als aussichtsreiches Mittel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sprechen sich 49 Prozent für "größere Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt" aus. Das linke Rezept, die Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer zu verbessern, halten nur 39 Prozent für den richtigen Weg. Und das vielleicht erstaunlichste Ergebnis: Auf die Frage nach der Haltung zur Marktwirtschaft entschieden sich nur 16 Prozent für die Aussage: "Sie ist ein schlechtes System und muß geändert werden". Volle 65 Prozent der Befragten bejahten dagegen die Aussage: "Sie ist das am wenigsten schlechte System; sie sollte ausgebaut werden".
Es ist eine triviale Feststellung, daß es für solche Unterschiede nie eine einzige Ursache gibt. Es ist ebenso trivial, daß die Frage nach den Ursachen eine empirische Frage ist; eine für die empirische Sozialforschung also.
Aber dies gesagt - ich möchte eine Hypothese zur Diskussion stellen. Sie ist spekulativ, wie anders. Aber sie scheint es mir wert, in Betracht gezogen zu werden. Sie ergänzt das, was ich früher über eine strukturelle linke Mehrheit im wiedervereinigten Deutschland geschrieben habe.
Seit den achtziger Jahren standen Deutschland und Frankreich vor im wesentlichen denselben Problemen:
Sie hatten ein System der sozialen Rundum- Versorgung, das immer weniger zu bezahlen war. Sie hatten Arbeitnehmer, die es gewohnt waren, für immer höhere Löhne immer weniger zu arbeiten. Sie hatten einen unterentwickelten Dienstleistungs- Sektor (sieht man von den staatlichen "Dienstleistungen" ab, die freilich wenig von Dienst und viel von Herrschaft an sich hatten). Und vor allem hatten sie eine Industriestruktur, die überhaupt nicht fit für den heraufziehenden Wettbewerb mit den sich schnell industrialisierenden Staaten Asiens war.
Anders als zum Beispiel Großbritannien, Neuseeland, Holland, die skandinavischen Staaten reagierten Frankreich und Deutschland auf diese Herausforderungen, indem die Regierungen den Kopf in den Sand steckten.
In Frankreich waren in den achtziger Jahren die Sozialisten und die Kommunisten an der Macht. Für sie war die Globalisierung nur ein Trick des bösen Kapitals, um die Arbeiter noch mehr auszubeuten.
In Deutschland gab es zwar die rechte Regierung Kohl; aber ihre zaghaften Reformversuche wurden durch die Obstruktionspolitik der SPD im Bundesrat blockiert.
In den neunziger Jahren, bis hinein ins neue Jahrtausend änderte sich in beiden Ländern im Grunde nichts.
Deutschland war zunächst mit den Folgen der Wiedervereinigung beschäftigt; dann leisteten sich die Deutschen eine rotgrüne Regierung, die fünf Jahre lang mit geradezu diabolischer Zielsicherheit das Gegenteil von dem tat, was notwendig gewesen wäre.
In Frankreich schleppten sich die Regierungen unter Mitterand bis 1995 hin; zuletzt in Gestalt einer Cohabitation, in der Mitterand mit einer rechten Mehrheit in der Nationalversammlung regieren mußte.
Als Jacques Chirac seine Nachfolge antrat, gab es eine kurze Phase eines rechtsliberalen Aufbruchs. Aber bald neutralisierten sich die beiden Regierungsparteien (die Gaullisten und die Liberalen) in internen Streitigkeiten gegenseitig. Dann gab es - von 1997 bis 2002 - wieder eine Cohabitation; diesmal zur Abwechslung die einer linken Parlaments- Mehrheit mit einem rechten Präsidenten.
Und über all dem wurde Chirac immer kraftloser; ähnlich wie Kohl in seinen letzten Jahren. Selten waren die Franzosen über den Abschied eines Präsidenten so froh wie im Mai dieses Jahres, als sie Chirac endlich losgeworden waren.
Bis in die unmittelbare Gegenwart hinein hatte also weder Frankreich noch Deutschland eine Regierung, die die Herausforderungen der Globalisierung akzeptierte; die die dringend erforderlichen neoliberalen Reformen anpackte.
Als es dann aber doch so weit war, geschah es auf radikal verschiedene Weise. Und darin liegt, so scheint mir - so lautet jedenfalls die Hypothese - der Grund dafür, daß in Deutschland heute eine linke, in Frankreich eine rechte Grundstimmung herrscht.
In beiden Ländern wurden zwar nach der Jahrtausendwende die Probleme so offensichtlich, daß es eine breite öffentliche Diskussion darüber gab, was geändert werden mußte.
Aber die Änderung, die Wende vollzog sich auf völlig verschiedene Art.
In Frankreich hatten sich sowohl François Bayrou als auch Nicolas Sarkozy zu Anwälten marktwirtschaftlicher Reformen gemacht; der eine mehr am modernen Neoliberalismus orientiert, der andere mehr an der ordoliberalen Position Ludwig Erhards.
Diese beiden Kandidaten, die beide Wirtrschaftsliberale sind, erreichten im ersten Wahlgang der Präsidentschafts- Wahlen zusammen genau 50 Prozent der Stimmen; gegenüber 26 Prozent für die sozialistische Kandidatin und rund 37 Prozent für die gesamte Linke.
Die Franzosen hatten sich also, nach einer breiten öffentlichen Diskussion und mit vollem Bewußtsein dessen, worauf sie sich einließen, für liberale Reformen entschieden. Sie erwarten jetzt, daß diese Früchte tragen und sind also in ihrer Mehrheit rechts.
In Deutschland dagegen hat die rotgrüne Regierung von ihrem Amtsantritt im Herbst 1998 bis zum März 2003 alle liberalen Reformen verteufelt. In ihren ersten Jahren machte sie viele der Reformen Kohls wieder rückgängig; später fand eine "Politik der ruhigen Hand", d.h. des Nichtstuns, statt.
Mit heftiger Ablehung aller neoliberalen Reformen hatte Schröder die Wahlen im Herbst 2002 gewonnen. Einige Monate später putschte er.
Das ist die richtige Bezeichung für das, was Schröder zwischen den Dezember 2002 und seiner Regierungserklärung am März veranstaltete: Erst wurde ein Strategiepapier aus dem Kanzleramt Ende Dezember an die Öffentlichkeit lanciert. Dann gab es hektische Aktivität der Regierung und in den Regierungsparteien. Und am 14. März 2003 hörte die staunende Nation eine Regierungserklärung von Gerhard Schröder, die das genaue Gegenteil der wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Positionen proklamierte, mit denen er ein halbes Jahr zuvor die Wahlen gewonnen hatte.
Viele Deutsche haben seither zu Recht den Eindruck, daß sie sich nicht nach einer öffentlichen Diskussion frei für liberale Reformen entschieden haben wie die Franzosen, sondern daß diese Reformen ihnen von "denen da oben" aufgedrückt wurden.
Seither geht es abwärts mit der SPD. Zu Recht.
Nicht, weil sie sich damals, 2003, zu den erforderlichen Reformen durchgerungen hat.
Sondern weil die Regierung Schröder sich schlimmer als ein autoritärer Monarch verhalten hat, indem sie diese Reformen par ordre du mufti oyktroyierte. Weil Schröder, wie er es in seiner gesamten Karriere gemacht hat, erst das eine sagte und dann das andere tat; weil er, wie immer, mit einer Überrumpelungstaktik arbeitete.
Diese Reformen sind dadurch von Anfang an in den Ruch des Willkürlichen, des Ungerechten geraten. Der Aufstieg der WASG, der dann zum Aufstieg auch der PDS führte, hat darin seine Ursache.
Die Deutschen sind jetzt mehrheitlich links, weil sie mehrheitlich diese liberalen Reformen nicht als notwendig, sondern als eine Willkür wahrgenommen haben. Genau umgekehrt wie die Franzosen, die in ihnen eine Chance sehen, mehrheitlich.
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