Drei Artikel zu Rußland sind mir in den letzten Tagen aufgefallen. Einer gestern in der auf englisch erscheinenden russischen Zeitung "St. Petersburg Times"; die beiden anderen vorgestern in der "International Herald Tribune".
Sie handeln von verschiedenen Themen. Aber es paßt zusammen, was dort zu lesen ist: Als Facetten einer Restauration, die in Rußland auf eine ähnliche Weise im Gange ist, wie die Rückkehr der Bourbonen nach dem Sieg über Bonaparte das Ancien Régime wiederhergestellt, es eben restauriert hat.
Nein, was da in Rußland restauriert wird, das ist nicht der Sowjetkommunismus; das nicht.
Aber es ist das autoritäre, manchmal bis ins Despotische gehende Herrschafts- System, das in Rußland besteht, seit Iwan IV Wassilijewitsch, der Schreckliche, sich als der erste gesamtrussische Zar etablierte.
1989 schien dieses System, das die Kommunisten von den Zaren übernommen und perfektioniert hatten, unterzugehen wie die Herrschaft der Bourbonen 1789.
Aber sie kehrten zurück, die Bourbonen. Und in unseren Tagen kehrt Rußland zurück dorthin, wo es sich politisch seit Jahrhunderten befunden hat: Zu vordemokratischen Verhältnissen.
In der "St. Petersburg Times" beschreibt David M. Woodruff die zunehmenden staatlichen Eingriffe in die russische Wirtschaft.
Die staatliche Bank Vneshtorgbank (VTB) schluckt private Konkurrenten. In der Rüstungs- und Luftfahrtindustrie schließen sich bisher private Firmen zu Konzernen unter staatlicher Kontrolle zusammen. Die staatliche Waffenexport- Firma Rosoboronexport kontrolliert inzwischen Teile der Automobil- und der Stahlindustrie. Gazprom hat beantragt, den Kohleproduzenten SUEK zu übernehmen; damit würde Gazprom zusätzlich zum Gasgeschäft 40 Prozent der Kohleförderung in Rußland in der Hand haben.
Woodruff hebt hervor, daß diese Ausdehnung des staatlichen Sektors nicht einfach die Rückkehr zur Sowjet- Wirtschaft ist. Es wird nicht per Dekret verstaatlicht, sondern die Staatsunternehmen kaufen private Firmen auf. Sie sind an den internationalen Börsen tätig, sie stehen in Rußland im Wettbewerb mit ausländischen Firmen.
Aus meiner Sicht ist das die Art, wie Putin dem chinesischen Modell folgt, das seinerseits nach dem Vorbild des chilenischen Modells konzipiert ist, das seinerseits viel Ähnlichkeit mit dem Nazi- System hatte: Ein staatlich kontrollierter Kapitalismus, dessen Rahmenbedingungen durch politische Repression stabil gehalten werden.
Es ist schon eine Ironie der Geschichte, daß der "staatsmonopolistische Kapitalismus" (Stamokap), als den die DDR-treuen Kommunisten der DKP und des MSB Spartakus in den siebziger Jahren die Bundesrepublik zu diffamieren trachteten, jetzt doch noch Wirklichkeit geworden ist. Freilich auf dem Boden des Kommunismus.
Wie sehr dieses sich in Rußland etablierende Stamokap- System Züge des Nazismus trägt, zeigen die beiden Artikel in der "International Herald Tribune".
Unter der Überschrift "Racists in Russia - Kremlin turns a blind eye to racism" ("Rassisten in Rußland - der Kreml verschließt die Augen vor dem Rassismus") schreibt Jeff Mankoff:
Aufgrund einer zynischen Rechnung, meint Mankoff: Der Kreml föderere gezielt den Nationalismus als ein Instrument zu seinem Machterhalt. Die Regierung habe lange ihre schützende Hand über rechtsextreme Parteien wie die von Wladimir Schirinowski gehalten, später dann über die Rodina, die Vaterlands- Partei. Von dieser rechtsextremen Partei wird sogar behauptet, sie sei vom Kreml gegründet und finanziert worden.
Als die Rodina allerdings zu erfolgreich zu werden begann, schwenkte der Kreml selbst - so Mankoff - auf einen zunehmend rechtsextremen Kurs ein, um ihr das Wasser abzugraben.
Im April dieses Jahres wurde ein Gesetz verabschiedet, das es Einwanderern aus dem Kaukasus untersagt, im russischen Einzelhandel zu arbeiten. Nationalistische Einstellungen gegen Georgier wurden vom Kreml planmäßig geschürt, schreibt Mankoff, und fährt fort:
Auch Paul Kennedy, Direktor der Abteilung für Internationale Sicherheitsfragen der Universität Yale, zeichnet in der "International Herald Tribune" ein düsteres Bild der Lage in Rußland.
Nicht das militär- und außenpolitische Muskelspiel Putins sieht Kennedy als besonders besorgniserregend an - so sei Rußland immer gewesen, seit Iwan dem Schrecklichen -, sondern den Nationalismus, den Putin ermutige und pflege.
Kennedy nennt zwei Beispiele.
Erstens die Schaffung einer staatlichen Jugendorganisation, der "Naschi" (die "Unseren"). Die Jugendlichen werden dort indoktriniert in Vaterlandsliebe, Familiensinn, russischen Traditionen, der Verabscheuung von Fremden - von amerikanischen Imperialisten, tschetschenischen Terroristen, undankbaren Esten.
Die Kader der Naschi werden in Lagern trainiert. Sie waren es, die in Estland und vor der britischen Botschaft in Moskau als Unruhestifter auftraten. Rund 60 000 dieser Kader werden, so hat es die "Financial Times" recherchiert, dafür ausgebildet, die bevorstehenden Wahlen zu "überwachen". "I find this all pretty creepy", resümiert Paul Kennedy - er finde das alles ganz schön gruselig.
Kennedys zweites Beispiel ist ein neues russisches Geschichtsbuch, das Putins persönliche Empfehlung hat:
Das sind drei Stellungnahmen aus der aktuellen internationalen Presse.
Und in Deutschland? Wird denn da gar nichts Beunruhigendes über Rußland berichtet?
Aber ja doch! Eine Russin hat den Penis ihres Ex- Mannes angezündet.
Das immerhin erfahren wir, wir Millionen Deutsche, die wir unser aktuelles Wissen aus "Spiegel-Online" beziehen.
Sie handeln von verschiedenen Themen. Aber es paßt zusammen, was dort zu lesen ist: Als Facetten einer Restauration, die in Rußland auf eine ähnliche Weise im Gange ist, wie die Rückkehr der Bourbonen nach dem Sieg über Bonaparte das Ancien Régime wiederhergestellt, es eben restauriert hat.
Nein, was da in Rußland restauriert wird, das ist nicht der Sowjetkommunismus; das nicht.
Aber es ist das autoritäre, manchmal bis ins Despotische gehende Herrschafts- System, das in Rußland besteht, seit Iwan IV Wassilijewitsch, der Schreckliche, sich als der erste gesamtrussische Zar etablierte.
1989 schien dieses System, das die Kommunisten von den Zaren übernommen und perfektioniert hatten, unterzugehen wie die Herrschaft der Bourbonen 1789.
Aber sie kehrten zurück, die Bourbonen. Und in unseren Tagen kehrt Rußland zurück dorthin, wo es sich politisch seit Jahrhunderten befunden hat: Zu vordemokratischen Verhältnissen.
In der "St. Petersburg Times" beschreibt David M. Woodruff die zunehmenden staatlichen Eingriffe in die russische Wirtschaft.
Die staatliche Bank Vneshtorgbank (VTB) schluckt private Konkurrenten. In der Rüstungs- und Luftfahrtindustrie schließen sich bisher private Firmen zu Konzernen unter staatlicher Kontrolle zusammen. Die staatliche Waffenexport- Firma Rosoboronexport kontrolliert inzwischen Teile der Automobil- und der Stahlindustrie. Gazprom hat beantragt, den Kohleproduzenten SUEK zu übernehmen; damit würde Gazprom zusätzlich zum Gasgeschäft 40 Prozent der Kohleförderung in Rußland in der Hand haben.
Woodruff hebt hervor, daß diese Ausdehnung des staatlichen Sektors nicht einfach die Rückkehr zur Sowjet- Wirtschaft ist. Es wird nicht per Dekret verstaatlicht, sondern die Staatsunternehmen kaufen private Firmen auf. Sie sind an den internationalen Börsen tätig, sie stehen in Rußland im Wettbewerb mit ausländischen Firmen.
Aus meiner Sicht ist das die Art, wie Putin dem chinesischen Modell folgt, das seinerseits nach dem Vorbild des chilenischen Modells konzipiert ist, das seinerseits viel Ähnlichkeit mit dem Nazi- System hatte: Ein staatlich kontrollierter Kapitalismus, dessen Rahmenbedingungen durch politische Repression stabil gehalten werden.
Es ist schon eine Ironie der Geschichte, daß der "staatsmonopolistische Kapitalismus" (Stamokap), als den die DDR-treuen Kommunisten der DKP und des MSB Spartakus in den siebziger Jahren die Bundesrepublik zu diffamieren trachteten, jetzt doch noch Wirklichkeit geworden ist. Freilich auf dem Boden des Kommunismus.
Wie sehr dieses sich in Rußland etablierende Stamokap- System Züge des Nazismus trägt, zeigen die beiden Artikel in der "International Herald Tribune".
Unter der Überschrift "Racists in Russia - Kremlin turns a blind eye to racism" ("Rassisten in Rußland - der Kreml verschließt die Augen vor dem Rassismus") schreibt Jeff Mankoff:
The list of racially motivated violent crimes in Russia - mostly but not exclusively directed against individuals from the Caucasus and Central Asia - is long and depressing. A nine-year old Tajik girl killed and her family beaten by skinheads in St. Petersburg in February 2004. A Vietnamese college student is beaten and stabbed to death by a gang of skinheads in October 2004. A neo-Nazi stabs eight people in Moscow's Chorale Synagogue in January 2006.Warum duldet Putins Regierung solche bestialischen Akte der Fremdenfeindschaft (bis hin zum auf Video aufgenommen Köpfen eines Opfers)?
In the majority of such cases, the perpetrators - if prosecuted at all - have been convicted of nothing more serious than "hooliganism" and given short prison terms.
Die Liste der rassistisch motivierten Gewaltverbrechen in Rußland - sie richten sich hauptsächlich, aber nicht ausschließlich gegen Personen aus dem Kaukasus und Zentralasien - ist lang und deprimierend. Ein neunjähriges tadschikisches Mädchen und ihre Familie im Februar 2004 in St. Petersburg getötet, ihre Familie zusammengeschlagen. Ein vietnamesischer Student wird im Oktober 2004 von einer Bande von Skinheads geprügelt und mit Messerstichen getötet. Ein Neo- Nazi sticht im Januar 2006 in der Moskauer Choral- Synagoge auf acht Menschen ein.
In der Mehrzahl derartiger Fälle wurden die Täter - wenn sie überhaupt verfolgt wurden - wegen nicht mehr als "Hooliganismus" zu niedrigen Gefängnisstrafen verurteilt.
Aufgrund einer zynischen Rechnung, meint Mankoff: Der Kreml föderere gezielt den Nationalismus als ein Instrument zu seinem Machterhalt. Die Regierung habe lange ihre schützende Hand über rechtsextreme Parteien wie die von Wladimir Schirinowski gehalten, später dann über die Rodina, die Vaterlands- Partei. Von dieser rechtsextremen Partei wird sogar behauptet, sie sei vom Kreml gegründet und finanziert worden.
Als die Rodina allerdings zu erfolgreich zu werden begann, schwenkte der Kreml selbst - so Mankoff - auf einen zunehmend rechtsextremen Kurs ein, um ihr das Wasser abzugraben.
Im April dieses Jahres wurde ein Gesetz verabschiedet, das es Einwanderern aus dem Kaukasus untersagt, im russischen Einzelhandel zu arbeiten. Nationalistische Einstellungen gegen Georgier wurden vom Kreml planmäßig geschürt, schreibt Mankoff, und fährt fort:
Given the Kremlin's cynical manipulation of nationalist passions, it is little wonder extremists feel they can abuse and kill non-Russians with impunity. As the success of Rodina shows, a substantial percentage of the Russian electorate is attracted to such extremism. By pandering to these passions, the Russian government is playing with fire, acknowledging that xenophobia is an acceptable political strategy.
Angesichts dieser zynischen Manipulation nationalistischer Affekte durch den Kreml ist es kaum verwunderlich, daß Extremisten glauben, sie könnten straflos Nicht- Russen mißhandeln und ermorden. Wie der Erfolg der Rodina zeigt, wird ein erheblicher Teil der russischen Wählerschaft durch derartigen Extremismus angezogen. Indem sie diesen Affekten Vorschub leistet, spielt die russische Regierung mit dem Feuer. Sie räumt damit ein, daß Fremdenfeindlichkeit eine akzeptable politische Strategie ist.
Auch Paul Kennedy, Direktor der Abteilung für Internationale Sicherheitsfragen der Universität Yale, zeichnet in der "International Herald Tribune" ein düsteres Bild der Lage in Rußland.
Nicht das militär- und außenpolitische Muskelspiel Putins sieht Kennedy als besonders besorgniserregend an - so sei Rußland immer gewesen, seit Iwan dem Schrecklichen -, sondern den Nationalismus, den Putin ermutige und pflege.
Kennedy nennt zwei Beispiele.
Erstens die Schaffung einer staatlichen Jugendorganisation, der "Naschi" (die "Unseren"). Die Jugendlichen werden dort indoktriniert in Vaterlandsliebe, Familiensinn, russischen Traditionen, der Verabscheuung von Fremden - von amerikanischen Imperialisten, tschetschenischen Terroristen, undankbaren Esten.
Die Kader der Naschi werden in Lagern trainiert. Sie waren es, die in Estland und vor der britischen Botschaft in Moskau als Unruhestifter auftraten. Rund 60 000 dieser Kader werden, so hat es die "Financial Times" recherchiert, dafür ausgebildet, die bevorstehenden Wahlen zu "überwachen". "I find this all pretty creepy", resümiert Paul Kennedy - er finde das alles ganz schön gruselig.
Kennedys zweites Beispiel ist ein neues russisches Geschichtsbuch, das Putins persönliche Empfehlung hat:
It's a bit more disturbing to learn that the new Russian history manual teaches that "entry into the club of democratic nations involves surrendering part of your national sovereignty to the U.S." and other such choice contemporary lessons that suggest to Russian teenagers that they face dark forces abroad.Professor Kennedys Bewertung dieser beider Beispiele: Die Aktionen der Naschis mögen Fußnoten der Geschichte bleiben, meint er. Hingegen:
Es ist ein wenig beunruhigender, zu erfahren, daß das neue russische Geschichtsbuch lehrt, daß "wer in den Club der demokratischen Staaten eintritt, damit einen Teil seiner nationalen Souveränität den USA ausliefert"; und dergleichen mehr heutige Lektionen, die russischen Jugendlichen finstere ausländische Mächte auf der anderen Seite suggerieren.
... the deliberate campaigns to indoctrinate Russian youth and to rewrite the history of the great though terribly disturbed nation that they are inheriting might be much more significant for the unfolding of our 21st century.
... die bewußten Feldzüge, die russische Jugend zu indoktrinieren und die Geschichte dieser großen, wenn auch entsetzlich verunsicherten Nation umzuschreiben, die deren Erbe ist, könnten weit bedeutsamer für die Entwicklung unseres 21. Jahrhunderts sein.
Das sind drei Stellungnahmen aus der aktuellen internationalen Presse.
Und in Deutschland? Wird denn da gar nichts Beunruhigendes über Rußland berichtet?
Aber ja doch! Eine Russin hat den Penis ihres Ex- Mannes angezündet.
Das immerhin erfahren wir, wir Millionen Deutsche, die wir unser aktuelles Wissen aus "Spiegel-Online" beziehen.
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