Spektakuläre Verbrechen regen unsere Phantasie an, vielleicht auch Gedanken über das Schlechte in der Welt. Das war so, seit Kain den Abel erschlug und seit Herostrat den Tempel der Artemis in Ephesos anzündete. Heutzutage aber regen sie noch etwas anderes an: Die Gesetzgebung.
Nachgerade reflexhaft folgen auf jedes Verbrechen, das in den Massenmedium Beachtung findet, öffentliche Vorschläge, was denn der Gesetzgeber tun solle oder tun müsse, um derartigen Verbrechen künftig zu begegnen. Mindestens werden administrative Maßnahmen gefordert.
Als vor Jahren einige Unfälle mit Kampf- und anderen Hunden für ein paar Tage die öffentliche Diskussion beherrschten, war die Folge eine Flut von "Hundeerlassen", die sich von den Landesregierungen bis hinein in die Kommunen ergossen, wo sie neue Behörden erheischten, die seither, und vermutlich bis in alle Zeiten, die Hunde der betreffenden Kommune erfassen, verwalten, gegebenenfalls prüfen und aus dem Verkehr ziehen.
In einigen Gemeinden wird jeder Hund mit einer eigenen Akte geführt, die alles Wichtige über ihn enthält; ein Vollbürger der Gemeinde sozusagen.
Zehntausende, vielleicht hunderttausend Jahre ist der Mensch mit Hunden zurechtgekommen, ohne dafür eine Bürokratie zu benötigen. Allenfalls eine Lizenz zur Hundehaltung brauchte man bisher; und auch das nur in einigen Ländern. Unsere Zeit - und, in ihr mal wieder an der Spitze des Wahnwitzes marschierend, unser Land Deutschland - hat die Notwendigkeit entdeckt, unsere Hunde staatlich zu verwalten.
Weil sie ja ein Kind beißen könnten. Und wer kann dafür sein, daß ein Kind gebissen wird, nicht wahr?
Wer kann dafür sein, daß ein Schüler in einer Schule wild um sich ballert? Nein, dafür kann niemand sein. Also muß der Staat etwas dagegen tun. So fordern es die Medien, so exekutieren es die Politiker.
Die Gesetzgebungsmaschine wird angeworfen. Mit derselben gesetzmäßigen Zuverlässigkeit, mit welcher der konditionierte Hund in Pawlows Labor aufs Glöckchen hin Speichel sekretierte, wirft diese Maschine Gesetze aus, sobald ein spektakuläres Verbrechen die Medien erreicht hat. Mindestens werden bestehende Gesetze verschärft. Allermindestens werden neue Verordnungen erlassen.
Im jetzt aktuellen Fall von Emsdetten hat der Täter, wie es scheint, gern ein bestimmtes, gewaltbetontes Computerspiel gespielt. Niemand weiß, ob das irgendwie ursächlich für seine Tat gewesen ist, ob das Computerspielen überhaupt jemals ursächlich für irgendeine Gewalttat war - aber tut nichts, ein Verbot dieses Spiels muß her. Am besten verbietet man gleich alle derartige Spiele, wie es der niedersächsische Innenminister Schünemann gefordert hat.
Als sich vor einigen Jahren in Erfurt ein ähnlicher Fall zutrug, wurden daraufhin die Waffengesetze verschärft. Das hat offenbar den jetzigen Fall nicht verhindert. Natürlich nicht, denn wer eine Waffe haben will, der kann sie sich auch besorgen. Auch gewaltbetonte Computerspiele wird man durch ein Verbot nicht aus der Welt bekommen. So, wie auch nach der Einrichtung des ganzen administrativen Aufwands der Hundeverordnungen Unfälle mit Hunden immer noch vorkamen und weiter vorkommen werden.
Kurzum, es ist offen, ob diese reflexhaft ausgelösten Gesetze und Verordnungen überhaupt irgendeine gefahrenverhütende Wirkung haben. Aber das ist, glaube ich, auch gar nicht so entscheidend. Im Grunde sind sie nämlich so etwas wie ein Beschwörungs- und Exkulpationsritual.
Eine Exkulpation brauchen die zuständigen Politiker oder glauben sie zu brauchen. Denn wir, die Deutschen, haben uns angewöhnt, für ein Verbrechen nicht etwa den Verbrecher verantwortlich zu machen, sondern den Staat, der irgendwie, irgendwann versagt habe. (Als kürzlich drei Verbrecher einen Zellengenossen viehisch ermordeten, hat man sich mehr mit der Verantwortung der Justizministerin des Landes NRW befaßt als mit der Verantwortlichkeit dieser Verbrecher für ihre Tat).
Also, sie müssen Diskussionen über ihre angebliche Schuld oder Verantwortung bestehen, die Politiker. Und das tun sie am besten, indem sie Maßnahmen ankündigen, am besten gleich neue Verbote beschließen.
Und Beschwörungscharakter hat das Ganze, weil es etwas verspricht, was es in dieser schlechten Welt nun mal nicht gibt: Sicherheit, perfekte Sicherheit. Das Versprechen, das "etwas getan" wird, hat, psychologisch gesehen, wohl eine ähnliche Funktion wie in früheren Zeiten die öffentliche Hinrichtung des Täters: Das Böse wird beseitigt, es wird aus der Welt geschafft. Es passiert was.
Nun könnte man das gelassen beobachten, so wie, sagen wir, die Tätigkeit von Exorzisten. Nur ist dieser Gesetzgebungsreflex ja nicht harmlos. Mit jedem solchen Gesetz wird unsere Freiheit weiter eingeschränkt, wird die Bürokratie ausgeweitet, die wir bezahlen müssen, auch wenn wir ihre Dienstleistung gar nicht bestellt haben.
Kaum eines der Gesetze, die anläßlich eines spektakulären Verbrechens, eines spektakulären Unfalls in die Welt kamen, wird wieder aufgehoben. So werden wir allmählich, still und leise, immer fester eingesponnen in den Kokon staatlicher Fürsorglichkeit.
Nachgerade reflexhaft folgen auf jedes Verbrechen, das in den Massenmedium Beachtung findet, öffentliche Vorschläge, was denn der Gesetzgeber tun solle oder tun müsse, um derartigen Verbrechen künftig zu begegnen. Mindestens werden administrative Maßnahmen gefordert.
Als vor Jahren einige Unfälle mit Kampf- und anderen Hunden für ein paar Tage die öffentliche Diskussion beherrschten, war die Folge eine Flut von "Hundeerlassen", die sich von den Landesregierungen bis hinein in die Kommunen ergossen, wo sie neue Behörden erheischten, die seither, und vermutlich bis in alle Zeiten, die Hunde der betreffenden Kommune erfassen, verwalten, gegebenenfalls prüfen und aus dem Verkehr ziehen.
In einigen Gemeinden wird jeder Hund mit einer eigenen Akte geführt, die alles Wichtige über ihn enthält; ein Vollbürger der Gemeinde sozusagen.
Zehntausende, vielleicht hunderttausend Jahre ist der Mensch mit Hunden zurechtgekommen, ohne dafür eine Bürokratie zu benötigen. Allenfalls eine Lizenz zur Hundehaltung brauchte man bisher; und auch das nur in einigen Ländern. Unsere Zeit - und, in ihr mal wieder an der Spitze des Wahnwitzes marschierend, unser Land Deutschland - hat die Notwendigkeit entdeckt, unsere Hunde staatlich zu verwalten.
Weil sie ja ein Kind beißen könnten. Und wer kann dafür sein, daß ein Kind gebissen wird, nicht wahr?
Wer kann dafür sein, daß ein Schüler in einer Schule wild um sich ballert? Nein, dafür kann niemand sein. Also muß der Staat etwas dagegen tun. So fordern es die Medien, so exekutieren es die Politiker.
Die Gesetzgebungsmaschine wird angeworfen. Mit derselben gesetzmäßigen Zuverlässigkeit, mit welcher der konditionierte Hund in Pawlows Labor aufs Glöckchen hin Speichel sekretierte, wirft diese Maschine Gesetze aus, sobald ein spektakuläres Verbrechen die Medien erreicht hat. Mindestens werden bestehende Gesetze verschärft. Allermindestens werden neue Verordnungen erlassen.
Im jetzt aktuellen Fall von Emsdetten hat der Täter, wie es scheint, gern ein bestimmtes, gewaltbetontes Computerspiel gespielt. Niemand weiß, ob das irgendwie ursächlich für seine Tat gewesen ist, ob das Computerspielen überhaupt jemals ursächlich für irgendeine Gewalttat war - aber tut nichts, ein Verbot dieses Spiels muß her. Am besten verbietet man gleich alle derartige Spiele, wie es der niedersächsische Innenminister Schünemann gefordert hat.
Als sich vor einigen Jahren in Erfurt ein ähnlicher Fall zutrug, wurden daraufhin die Waffengesetze verschärft. Das hat offenbar den jetzigen Fall nicht verhindert. Natürlich nicht, denn wer eine Waffe haben will, der kann sie sich auch besorgen. Auch gewaltbetonte Computerspiele wird man durch ein Verbot nicht aus der Welt bekommen. So, wie auch nach der Einrichtung des ganzen administrativen Aufwands der Hundeverordnungen Unfälle mit Hunden immer noch vorkamen und weiter vorkommen werden.
Kurzum, es ist offen, ob diese reflexhaft ausgelösten Gesetze und Verordnungen überhaupt irgendeine gefahrenverhütende Wirkung haben. Aber das ist, glaube ich, auch gar nicht so entscheidend. Im Grunde sind sie nämlich so etwas wie ein Beschwörungs- und Exkulpationsritual.
Eine Exkulpation brauchen die zuständigen Politiker oder glauben sie zu brauchen. Denn wir, die Deutschen, haben uns angewöhnt, für ein Verbrechen nicht etwa den Verbrecher verantwortlich zu machen, sondern den Staat, der irgendwie, irgendwann versagt habe. (Als kürzlich drei Verbrecher einen Zellengenossen viehisch ermordeten, hat man sich mehr mit der Verantwortung der Justizministerin des Landes NRW befaßt als mit der Verantwortlichkeit dieser Verbrecher für ihre Tat).
Also, sie müssen Diskussionen über ihre angebliche Schuld oder Verantwortung bestehen, die Politiker. Und das tun sie am besten, indem sie Maßnahmen ankündigen, am besten gleich neue Verbote beschließen.
Und Beschwörungscharakter hat das Ganze, weil es etwas verspricht, was es in dieser schlechten Welt nun mal nicht gibt: Sicherheit, perfekte Sicherheit. Das Versprechen, das "etwas getan" wird, hat, psychologisch gesehen, wohl eine ähnliche Funktion wie in früheren Zeiten die öffentliche Hinrichtung des Täters: Das Böse wird beseitigt, es wird aus der Welt geschafft. Es passiert was.
Nun könnte man das gelassen beobachten, so wie, sagen wir, die Tätigkeit von Exorzisten. Nur ist dieser Gesetzgebungsreflex ja nicht harmlos. Mit jedem solchen Gesetz wird unsere Freiheit weiter eingeschränkt, wird die Bürokratie ausgeweitet, die wir bezahlen müssen, auch wenn wir ihre Dienstleistung gar nicht bestellt haben.
Kaum eines der Gesetze, die anläßlich eines spektakulären Verbrechens, eines spektakulären Unfalls in die Welt kamen, wird wieder aufgehoben. So werden wir allmählich, still und leise, immer fester eingesponnen in den Kokon staatlicher Fürsorglichkeit.