7. April 2017

Versuchsballons

Große Schlagzeilen, schreckliche Bilder: Assads Luftwaffe hat wieder einmal Zivilisten im "Rebellengebiet" mit Giftgas angegriffen.
Und in üblicher Weise laufen sofort die Islamistenversteher à la Lüders oder Todenhöfer in deutschen Fernsehstudios auf und werfen Nebelkerzen. Parallel in üblicher Weise die Welle der Putintrolle im Internet, die in jeder halbwegs passenden Diskussion die "Russia-Today"-Version der Ereignisse verbreiten.
Man wisse ja angeblich nichts Verläßliches über die Vorfälle und es könnten ja auch die Rebellen selber gewesen sein und vor allem kommt natürlich das "cui bono": So ein Giftgasangriff wäre doch militärisch völlig sinnlos und damit gäbe es überhaupt keine Motivation für Putin/Assad, sich so zu exponieren.

Ach so?
Kleine Rückblende:
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Große Schlagzeilen, schreckliche Bilder: Assads Luftwaffe hat Zivilisten im "Rebellengebiet" mit Giftgas angegriffen.
Das war 2013 in Gutra, einige tausend Menschen sind den Angriffen zum Opfer gefallen, viele von ihnen starben.

Auch damals kam von Islamistenverstehern und Putintrollen die Ablenkungsfrage, welches Motiv Putin denn haben könnte. Denn auch wenn das Assad-Regime damals deutlich mehr unter Druck war - militärisch war auch dieser Angriff nur begrenzt erklärbar.

Die Erklärung findet sich aber auf der diplomatischen Ebene. Der damalige US-Präsident Obama hatte 2012 eine rote Linie verkündet: Giftgas würden die USA nicht dulden, dieses einzusetzen wäre Grund für eine Intervention der USA.
Dann kam der Giftgaseinsatz, und Obama reagierte - nicht.

Ein sehr klares Signal für Putin. Er hatte seinen Versuchsballon losgelassen, sein Gegenüber hatte wie erwartet den Schwanz eingezogen, die USA waren künftig kein ernst zu nehmender Faktor mehr. Entsprechend konnte Rußland sowohl in Syrien wie auch in der Ukraine in die Offensive gehen.

Und nun der Versuchsballon für Obamas Nachfolger. Den man ja allgemein als Putin-freundlich eingeschätzt hatte.
Aber Trump reagierte deutlich anders als Obama: Gleich nach Überschreiten der roten Linie kam die amerikanische Antwort. Ganz bewußt gegen einen Stützpunkt, auf dem auf die russischen Militärs präsent waren. Aber mit Vorwarnung, damit diese sich in Sicherheit bringen konnten. Keine Eskalation, aber eine klare Positionsbestimmung.

Und genauso wurde sie von Putin dann auch eingeordnet. Der pflichtschuldige Protest wurde in die Post gegeben, aber ansonsten keine Eskalation oder gar militärische Reaktion. Er weiß nun, wie er den neuen Präsidenten einzuordnen hat, und das war der ganze Sinn der Übung.

Diese kurze Kommunikation zwischen Großmächten hat einigen Dutzend Menschen das Leben gekostet. Was aber nach einer halben Million Opfer in Syrien nicht mehr wirklich ins Gewicht fällt. Eher ist zu erwarten, daß Trumps klare Antwort weitere Opfer verhindert. Denn Putin wird eben nicht mehr wie zu Obama-Zeiten beliebig neue Konflikte starten können, das Risiko für ihn ist deutlich gestiegen.

Als Kollateralschaden zurück bleibt auch das Weltbild vieler Deutscher, die sich bisher als 100%ige Trump-Gegner oder -Fans positioniert hatten. Man sieht in den Internetforen sehr deutlich wie beide Seiten heftigste Schwierigkeiten haben, sich die neuesten Entwicklungen zu erklären. Weltpolitik läuft eben nicht so, wie das in deutschen Talk-Shows vermittelt wird.

R.A.

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