17. April 2017

Die türkischen Demokraten: Ein paar Streiflichter

Es kam, wie es kommen musste und die deutsche Presse ist sich (mal wieder) einig: "Die Türken" haben die Demokratie abgewählt, Erdogan ist böse und man muss jetzt ganz vorsichtig sein, wie man weiter vorgeht. Die Vokabel des "Warnens" ist mal wieder in aller Politiker-Mund gelegt, obschon ja eigentlich nur das eingetreten ist, was ja ohnhin jeder gewusst hat. Ich möchte dem mal ein paar andere Gedanken hinzufügen, die ich in der öffentlichen Diskussion großenteils vermisse.

1. Die Demokratie wurde nicht abgewählt. Im Gegenteil. Es wurde demokratisch entschieden, dass es in Zukunft einen "Demokrator" geben soll, der eigentlich für fünf Jahre ziemlich tun und lassen kann, was er will. Das ist vieles. Aber es nicht(!) undemokratisch. Das dahinterliegende Problem ist die gerade in der deutschen Diskussion gerne gesehene Gleichsetzung zwischen Demokratie und Rechtsstaat. Und das ist eben nicht das selbe (im Gegenteil, es sind oftmals Gegensätze). Wenn die Türkei jetzt effektiv die Gewaltenteilung aufhebt (was das eigentliche ist, was gerade passiert), dann ist das nicht undemokratisch, aber ein eklatanter Bruch des Rechtsstaates. Nun meine ich aber, dass man gerade in der Beziehung aus Deutschland jedenfalls nicht mit Steinen werfen sollte. Die Gewaltenteilung war und ist in Deutschland schon immer ein Problem gewesen und der deutsche Rechtsstaat ist effektiv seit Jahren auf dem absteigenden Ast. Wir haben einen Justizminister, der effektiv die Meinungsfreiheit beenden möchte und eine Familienministerin, die eine neue Stasi finanziert und aufbauen lässt. Aus Deutschland sollte man Belehrungen über den Rechtsstaat besser unterlassen. Alleine, dass der deutsche Mainstream nicht in der Lage ist zu verstehen, dass Rechtsstaat und Demokrate eben nicht das selbe sind, sondern versucht permanent per demokratischer Argumentation den Rechtsstaat zu negieren, spricht Bände.

2. Der Beitrittsprozess zur EU war, ist und wird auch weiterhin eine Farce bleiben. Nun aber ausgerechnet dieses Referendum als Kronzeugen zu benennen hat schon was Albernes. Ein türkischer Staatschef wettert seit Monaten in einem Ton vor sich hin, der selbst Kim-Jong-Un zur Ehre gereichen würde, droht "Europa" offen mit Gewalt, betitelt es als verrottet und verkommen und hat inzwischen mehr Regierungschefs als Nazis bezeichnet als Jakob Augstein. Das alles ist für Europa keinerlei Problem, aber so ein Referendum, das geht nun wirklich nicht. Man glaubt es hackt. Sicher kann man eine Einzelmeinung oder einzelne Entgleisung, wie beispielsweise die Ausfälle eines Frank Walter Steinmeiers, immer auch genau als das abtun, was sie sind: Einzelne Ausfälle einer schwachen Persönlichkeit. Wenn das aber über Monate geht und keinerlei Konsequenzen innerhalb der Türkei nach sich zieht, wenn dagegen von diversen Regierungsmitgliedern nachgelegt wird, dann kann man nur den Schluss ziehen, dass Erdogan auch wirklich für die Türkei spricht und daraus seine Konsequenzen ziehen. "Die Nazis" kommen sehr gut ohne die Türkei und ihre massiven Probleme aus.

3. Ein Streiflicht, dass mit Sicherheit in der Konsequenz in den deutschen Medien nicht aufgegriffen wird, ist das Wahlverhalten der diversen Deutschtürken, Türkdeutschen oder was man sonst für ein Modewort für diejenigen gerade festgelegt hat, die zwar in Deutschland leben, aber immer noch einen türkischen Paß haben. Natürlich, das Ergebnis selber wird man wohl erwähnen (da führt auch kaum ein Weg dran vorbei), aber eine ganz triviale Folgerung wird man beileibe auf keinen Fall ziehen: Die kompletten "Integrationsbemühungen" der letzten 30 Jahre an dieser Gruppe sind nicht nur auf ganzer(!) Linie gescheitert, sie sind sogar eher kontraproduktiv gewesen. Während in der Türkei selber das Ergebnis gespalten ist, also die Hälfte der Bevölkerung durchaus Bedenken gegen die Abschaffung des Rechtsstaates hat, sind unter den Deutschtürken diese Bedenken eher die Ausnahme. Zwei Drittel der Menschen, die hier schon Jahre, teils Jahrzehnte, leben, ist ein starker türkischer Staat wichtiger als ein Rechtsstaat. Was nichts anderes aussagt, als das das reine Leben in einer "modernen" Gesellschaft nicht das geringste dazu beitragen muss, dass man sein Werteverständnis ändert. Im Gegenteil. Das Werteverständnis der "türkischen Gemeinde" entspricht vor allem dem der anatolischen Gastarbeiter, die vor 40 Jahren in diesen Land kamen. Anpassung praktisch null. Man darf sich fragen wie sich das mit der Idee verträgt, die auch derzeit gegenüber den Flüchtlingen angewandt wird: Wenn man jemandem das Grundgesetz in die Hand drückt, dann folgt der Rest von alleine. Eher nicht. Eher im Gegenteil.

4. Was bedeutet es eigentlich für Deutschland, wenn nun ein Land, mit dem man vorgeblich so "freundschaftlich" verbunden ist, in eine Demokratur abgleitet, die von einem Mann angeführt wird, der mit dem deutschen Rechtsstaat so nun gar nichts anzufangen weiss? Wie wird es in Zukunft ausgehen, wenn ein neuer Fall Böhmermann (und der kommt bestimmt) auftritt?

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Llarian

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