9. Januar 2017

Miszelle: Die Antithese zu Frau Merkel. Ein Phantombild.





Wie immer auch das Wahljahr 2017 ausgehen wird - mit den Landtagswahlen im Saarland am 26. März, am 7. Mai in Schwesig-Hohlstein und eine Woche darauf in Nordrhein-Westfalen und nach der anstehenden Sommerpause mit der Bundestagswahl am 24. September (die GRÜNEN scheinen aktuell im Distinktionswettbewerb um die Terminierung mit dem schlechteren Blatt gepokert zu haben) - eins kann man bereits konstatieren, ohne sich als Prophet zu verausgaben: Frau Merkel wird weiterhin den Kurs des Staatsschiffes "Deutschland" bestimmen, egal, in welchem Verhältnis die Offiziere und Mannschaften aus nominell unterschiedlichen Lagern rekrutiert werden, ob zwei, vier oder gar sechs Parteien im Kabinett Merkel IV auf ihr Kommando hören werden (zum sechsten Rad am Wagen könnte in diesem Fall "Die Partei" werden - da die Piraten, wie es sich für eine Spaßpartei im #Neuland gehört, ihre Selbstversenkung schon vor diversen subjektiv gefühlten Ewigkeiten erfolgreich ins Werk besetzt haben). Das Zusammenstehen gegen den altbösen Feind, gekoppelt mit der eigenen kompletten inhaltlichen Entkernung aller satisfaktionsfähigen Parteiungen (nicht nur in der gegenwärtigen Krise Nr. 1, sondern schon in den beiden vorangegangenen Akten des Kollektivtrauerendspiels, übertitelt "Eurorettung" und "Energiewende"), läßt andere Erwartungen als so komplett realitätsenthoben erscheinen wie die Politik unserer gegenwärtigen (und zukünftigen) Regierung. Nur für den Fall, daß jene alt- (oder besser: neu-)bösen Kräfte ein Wahlergebnis jenseits der absoluten Mehrheit einfahren sollten und keinerlei elektive Affinitäten auf der hellen Seite der Macht ihnen ein wirksames "Expelliarmus" neutralisierend entgegensetzen könnten, wäre dies anders. Aber mit dieser Möglichkeit rechnet man wohl selbst im innersten Zirkel der Finsternis - wo man dem Vernehmen nach zumeist mit der Lektüre der Bücher II bis IV von John Miltons "Paradise Lost" (1667) beschäftigt ist - niemand ernsthaft. 

(Als Fußnote sei noch erwähnt, daß sich das Erscheinen von Miltons Epos - dem William Blake bekanntlich beschied he was of the Devil's party without knowing it - beim Londoner Verleger Samuel Simmons in diesem Jahr zum 350. Mal jährt.)



Zwar haben die Mächte der Finsternis mit dem Verlust der britischen Inseln und dem Wahlausgang im #Mausland im vergangenen Jahr leichte Geländegewinne verbuchen können, doch droht weiteres Ungemach nur in bedauernswerten Anrainerstaaten. Die MS {Mutti-Schiff] "Angela" wird die "Anführerin der freien Welt" (so die Süddeutsche wörtlich vor 6 Wochen) unbeirrt einer lichten Zukunft entgegentragen. (Der Milton'sche Satan flüstert derweil dem Protokollanten in rechte Ohr, daß diese Formulierung doppeldeutig schillert. Apage, ananas!) Angesichts solcher Hoffnung darf man sich Zeit für frivole Späßchen gönnen - ganz im Sinn des o.e. Herrn Sonneborn, in der Tradition jener Humoorigkeit von Nanometertiefe, die uns vor einem Jahrzehnt die Vokabel Schland bescherte, im Kielsog der geistig-moralischen Wende die "Birne", die Eingeborenen von Trizonesien und das Gesamt aller ÖR-gepufferten Satire seit der Lach- und Schießgesellschaft. Dabei hilft die Überlegung, daß die Physiognomie zu den ältesten Mitteln der Charakterisierung zählt wie die Invertierung platt aufgezählter Eigenschaften zur Erzielung erheiternder Kontrastwirkung. (Es ist bezeichnend, daß Stan Laurel und Oliver Hardy etwa im Spanischen als el gordo y le flaco, also: der Dicke und der Dünne, im Deutschen aber als Dick & Doof geläufig sind.). In diesem Sinn könnte es interessant sein, das Gedankenexperiment zu unternehmen und ein imaginäres Gegenporträt zu Frau Merkel zu entwerfen, eine Umkehrung all ihrer Eigenschaften, und zu sehen, ob dieser Blick in den Zerrspiegel überhaupt ein menschliches Antlitz enthüllt.

Anders als in der klassischen Physiognomie, in der nur die Gesichtszüge in den Blick genommen werden, und im Zuge der Humoralpathologie, der Bestimmung des Charakters durch die angenommenen vier Körpersäfte Blut, Phlegma sowie gelbe und schwarze Galle und den daran angelehnten vier korrespondierenden Körperproportionen von Pyknikern, Asthenikern, Leptosomen und Dysplastikern sollten einige - nicht zu viele - grundlegende Merkmale in ihr krass-konkret gegebenes Gegenteil überführt werden.

- zunächst das Geschlecht: Frau Merkel ist eine Frau, also sollte das Phantombild einen Y-Chromosomenträger zeigen. Andererseits ist Frau Merkel, die Bezeichnung "Mutti" macht dies deutlich, der Inbegriff der geschlechtslosen Solidität, das Gegenteil aller Projektionen des Begehrens. Wie Cäsars Frau steht sie über jedem Verdacht. Kinderlos, mit einem in toto unsichtbaren Familienleben. Der Mann, denn wir nun suchen, sollte somit zum einen eine so zahlreiche wie öffentlich sichtbare Familie, Nachkommenschaft, Ehen (womöglich in der sanktionierten Form der "seriellen Bigamie") vorweisen. Zum anderen sollte ihm der in Kreisen der Macht wie des Großen Geldes ja nicht schädliche, sondern trotz aller PC-Prüderie durchaus verziehene Ruch der aktiven, beutegreifenden Libido anhängen, eines gewissen Donjuanismus, immer vorausgesetzt, er findet mit Zustimmung der Betreffenden statt und hinterläßt keine Flurschäden.

- Temperament: hier kommen wir der antiken, Galenschen Einteilung am nächsten: Frau Merkel hat nie in ihrer Politik ein Interesse oder eine Neigung zur aktiven Gestaltung gezeigt. Wenn man bei ihr überhaupt von "aktiver Politik" sprechen kann, handelte es sich um ein Abwarten, ein Aussitzen, um sich dann, nach Monaten an die Spitze des Konsenses zu setzen. Man tut ihr sicher nicht unrecht, sie im antiken Klassifikationsschema der Kategorie des "Phlegmatikers" zuzuschlagen. Das war so bei der Laufzeitverlängerung der Kernkraft, bei darauffolgenden Kippen im Zuge der Energiewende, bei der Rettung der Gemeinschaftswährung, beim jahrelangen Zuschauen in der Flüchtlingskrise und der alternativlosen Sturzgeburt der Grenzöffnung. Das Gegenteil wäre eine Persönlichkeit, die aktiv gestaltet, die sich unbedingt und ohne auf die opinio communis acht zu geben, positioniert: der Typ des Sanguinikers. Als polare Opposition wäre weiter zu nennen: Frau Merkel hat sich in all ihren Entscheidungen als, höflich gesagt, unbeirrbar gezeigt, als jemand, der vom einmal eingeschlagenen Kurs, wenn er denn einmal festgelegt ist, kein Tintillium abweicht. Der gesuchte typus sanguinicus sollte gezeigt haben, daß er (und dieses "er", ist wie gesagt alternativlos) nicht nur ausgewiesene Experten um sich schart, sondern auch seine Haltung je nach ihrem Votum ändert - freilich nicht in jedem Belang, sondern nur, wo es ihm angemessen scheint. Was zum dritten Punkt führt:

- Politische Inhalte: wenn man bei Frau Merkel überhaupt in den letzten 25 Jahren, seit sie ihren Aufstieg in der öffentlichen Sphäre begonnen hat, einen einzigen Inhalt, einen inhaltlichen Fixpunkt ausmachen kann, ist es die Fixierung auf die Rettung des Weltklimas, das Ziel, daß es den Deutschen obliegt, bis zum Ende des laufenden Jahrhunderts eine Erhöhung der durchschnittlichen Temperaturen, gemittelt über die gesamte Welt, um mehr als 2 Grad, zu verhindern, ob nun durch das Verbot aller Verbrennungsmotoren oder den Verzicht auf Schinkensandwiches während eines Wochentages. Man geht wohl nicht falsch, diese Obsession mit ihrem ersten öffentlichen Amt als "Kohls Mädchen", als weitgehend unsichtbare Bonner Umweltministerin zwischen 1993 und 1998 im Zusammenhang zu sehen (zumal sie zu dieser Zeit auch zwei Klimakonferenzen der Vereinten Nationen im Zug der Ausgestaltung des Kyoto-Protokolls von 1995 schirmherrschaftich betreut hat). Nominell wurde in den vergangenen fünfzehn Jahren immer wieder auf Frau Merkels naturwissenschaftliche Ausbildung, ihren Doktorgrad in einer MINT-Disziplin, nämlich der Physik verwiesen. Unser Phantom sollte also diesen Disziplinen fernstehen, idealiter sogar als ein ausgewiesener Gegner der Lehre des "menschengemachten Klimawandels"  in den Geschichtsbüchern verzeichnet sein. Frau Merkels politische Karriere verdankt sich darüber hinaus einem, man darf es wohl so grob sagen, Wegbeißen aller parteiinternen Konkurrenten, einer Förderung  von Ohrenbläsern, Sykophanten, Yes-Ministern, nicht zuletzt dem eiskalten Patrizid an ihrem politischen Ziehvater (dies, falls Frau Kahane oder Herr Stegner hier mitlesen sollten, ist eine Metapher, ein Sprechen im Uneigentlichen, keine putative Sachstandsbeschreibung). Zudem war Frau Angela Kassner in einer vorigen Existenz Funktionärin der Freien Deutschen Jugend - ein Schicksal, das sie mit anderen moralischen Vorbildern dieser Republik teilt.

Sie sei FDJ-Funktionärin gewesen und gleichzeitig Mitglied der Jungen Gemeinde, gab die grüne Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt selbstbewusst zu Protokoll und ließ noch die Neckigkeit folgen, zumindest den sperrigen Titel „Funktionärin für Agitation und Propaganda“ habe sie deshalb mit Angela Merkel gemeinsam. ("Die Welt", 28.05.2013)

Der gewünschte Kandidat sollte seine Position also nicht den Funktionieren in einer "politischen Maschine" verdanken, nicht dem Intrigieren. Am besten wäre ein Seiteneinsteiger, jemand, der es sich leisten kann, aus eigener Kraft die etablierten Kräfte der eigenen Partei wie des Systems, dem er entgegentritt, zu ignorieren, nicht, weil diese von seiner Gunst abhängig sind. Das Gegenteil, um es mit dem Buchtitel von Gertrud Höhler zu sagen, einer "Patin". Frau Merkel hat, das kann man sicher hehaupten, ohne zu weit im Postfaktischen zu landen, nie in ihrem erlernten akademischen Milieu gearbeitet noch außerhalb des Karpfenteichs (bzw. Haifischbeckens des parteipolitischen Binnenkosmos - ein Fatum, das sie mit dem Großteil unseres politischen Personals teilen dürfte.) Unser Mann sollte aus der freien Wirtschaft kommen, und dort in hohem Maß Geschäftstüchtigkeit und Erfolg bewiesen haben - und dies nicht nur putativ, sondern für jedermann sichtbar. Daß das Wirken in der freien Marktwirtschaft untrennbar mit der Gefahr des Scheiterns einhergeht, sollte jedem klar sein: wir wollen es nicht übertreiben und etwa eine Erfolgsrate von 99 Prozent verlangen (so könnten bei, rein hypothetisch, versteht sich, 500 erfolgreich begründeten oder betreuten Unternehmungen dann fünf oder sechs Bankrotte zu Buch schlagen. Ganz übertrieben wäre es, in diesen Fällen keine persönliche Verwicklung zu verlangen.) (Wobei, so wendet der Milton'sche Daimon an dieser Stelle ein, Frau Merkels Firma im Herbst 1989 recht spektakulär Insolvenz angemeldet habe.) 

- Stil: eins der Merkmale von Frau Merkel, das wie der stibitzte Brief Edgar Allan Poes jedermann gut sichtbar ist und doch wenig hervorgehoben, in seiner Sichtbarkeit geradezu unsichtbar ist, ist eine bewußte Unscheinbarkeit. Ihre immergleichen Hosenanzüge dienen wie ihre roboterhafte Gestik einer solchen camouflage in plain sight. Ohne es despektierlich zu meinen: nach allem menschlichen Ermessen sollte es für sie keinen gefälligen, nicht ablenkenden Modestil geben. Hier darf auch, wer ihr eher reserviert gegenübersteht, zugeben, daß sie (oder ihr Team) durchaus mehr als einen Punkt für sich verbuchen können. Somit müßte ihr Antipode hier durch Anzüge auffallen, die niemals, in keinem Schnitt, seine Gestalt einfassen, dazu vielleicht eine zu Spott herausfordernde Haartracht. Gestik, Mimik, Rhetorik erfordern freilich das Gegenteil. da Frau Merkel den Eindruck erweckt, ohne Hilfe eines Teleprompters keinen vollständigen oder grammatisch korrekten Satz in ihrer Muttersprache zuwege bringen zu können, mit der Formulierung nachvollziehbarer Inhalte sichtlich überfordert ist und sich ihre öffentlichen Auftritte auf die planlose Aneinanderreihung inhaltsfreier Platitüden beschränkt, wären die Fähigkeit, frei eine Pressekonferenz von ein oder zwei Stunden zu bestreiten, eine ausgreifende Gestik, eine salvenhafte und apodiktisch-bündige Nonstop-Vortragsweise als Einstellungsbedingungen aufzunehmen. Überhaupt die Medien: Frau Merkel hält bekanntlich Hof, die Vierte Gewalt ist unter ihrer Ägide zu einer Mischung aus Staatsverlautbarung und Hofberichtserstattung mutiert (in letzerem Belang für die Chargen im zweiten Glied, von Herrn Maas' Kebsverhältnissen bis zur Magen-Verkleinerung ihres "Vizetanks", um Michael Klonovskys Formulierung aufzugreifen.) Unserem Kandidaten stünde es mithin nicht schlecht an, nicht bei den Medien Beistand zu suchen, ihnen kumpelhaftes Dabeisein am Katzentisch einzuräumen (etwas, das in der Bonner Republik etwa seit Beginn Tradition hatte und sich bis zu Herrn Schröder steigerte), sondern zu ihnen das Verhältnis pflegen, das jeder informierte und selbstbewußte Bürger in Zeiten des #Netzes an den Tag legt: das der souveränen Verachtung. Ach ja, #Neuland: Während uns Frau Merkel gern zu verstehen gibt, daß sie von all diesem neumodischen Teufelszeug keinen Schimmer hat, sollte Unser Mann bewiesen, daß die Beherrschung sowie die Nutzung einer neuen Technologie kein Prärogativ pickliger Geeks und Nerds darstellt, sondern eine so erlern- wie beherrschbare Kulturtechnik wie alle anderen, die ihr vorausgingen. Twittern etwa könnte man als Fähigkeitsbeweis durchgehen lassen, gesetzt, er zeigte, daß auch hier ein Potenzial von Witz und Verve schlummert jenseits der tristen Denunziations- und Selbstentblößungskabalen unserer politischen Scaramuzze (wie etwa Hrn. Ralf) oder Pulcinellas (wie Frl. Renate). 

Wie man es auch dreht und wendet, en gros wie en détail: dieses absolute Gegenteil zu Angela Merkel ist keine Fata Morgana. Es gibt es, wie Lewis Carroll es im ersten Alice-im-Winderland-Roman, Through the Looking Glass, formuliert: "as large as life, and twice as natural".

Es ist Donald Trump.

  







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Ulrich Elkmann

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