Einer der größten propagandistischen Erfolge der Linken (gemeint ist
das Lager, nicht die SED) dürfte es sein, im kollektiven Bewusstsein die
Vorstellung von einem rechten Spektrum verankert zu haben, in dem
zwischen den konservativen Parteien und den Nazis respektive Faschisten
angeblich nur ein gradueller Unterschied besteht. Die von dieser Mär Betroffenen sind
an dieser Mystifikation freilich nicht ganz unschuldig. Denn so weist
zum Beispiel die Strauß-Doktrin, der zufolge es rechts von der CSU keine
Partei geben darf, in genau diese konzeptuelle Richtung.
Dabei drängen sich Zweifel an einer derartigen Theorie geradezu auf: Wer die Bezeichnung Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als Etikettenschwindel abtun möchte, gerät schnell in einen Beweisnotstand. Das 25-Punkte-Programm der Bewegung aus dem Jahr 1920 dürfte jedenfalls ab der Forderung Nummer 12 in linken Gehirnen einen gewissen Appeal entfalten. (Exkursweise sei vermerkt, dass in Punkt 23 zum "gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse" aufgerufen wird. Nur gut, dass heutzutage dergleichen nicht zur Debatte steht.)
In der Reichenberger Rede wendet sich Hitler explizit gegen den "Klassenhass", den er bei den von der Kaiserzeit und der Weimarer Republik Geprägten vermutet. Die Tariflöhne wurden im NS-Regime nicht zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt, sondern von sogenannten Treuhändern der Arbeit festgesetzt. Und die Gemeinschaft Kraft durch Freude organisierte die Freizeit und den Urlaub ihrer Mitglieder. All dies ist kein verschärfter Konservatismus, sondern im Gegenteil lupenreiner Sozialismus. Bezeichnenderweise erwies sich das katholische Milieu, gemessen an der Durchschnittsbevölkerung, gegenüber der nationalsozialistischen Idee als weitgehend immun. Die NSDAP als eine Art Hardcore-Version der Zentrumspartei darzustellen wäre ein absurdes Stück Geschichtsklitterung.
Durch ihren für das eigene ideologische Fundament wesenhaften Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus unterschied sich die Hitler-Bewegung jedoch auch vom Nichtbindestrichsozialismus und vom Kommunismus. Zutreffend wäre es wohl, den Nationalsozialismus als eine Ideologie sui generis zu betrachten, die sich einer Einordnung in das simplistische Bild vom Links-Rechts-Kontinuum entzieht.
Bevor nun ein Zeitsprung unternommen wird, sei zur Vermeidung von Missverständnissen Folgendes ausdrücklich betont: 2017 ist nicht 1933, Trump ist nicht Hitler, die AfD ist nicht die NSDAP. Doch das Konzept einer Ideologie sui generis scheint dem Verfasser dieser Zeilen sehr geeignet, um bei allen evidenten Unterschieden eine brauchbare Verortung nicht nur des Nationalsozialismus, sondern auch des sogenannten Rechtspopulismus an seinem jeweiligen Platz im politischen Universum vorzunehmen.
Trump, so die landläufige Meinung, sei ziemlich weit rechts angesiedelt. Er möchte eine Mauer zu Mexiko bauen, verfügt ein temporäres Einreiseverbot für Staatsangehörige bestimmter muslimischer Länder und macht über Frauen Äußerungen, die Feministinnen in ihre safe spaces treiben. Aber dieser Trump ist auch ein Freihandelsgegner, ein NATO-Kritiker und Anti-Interventionist, der bessere Beziehungen zu Putins Russland zu knüpfen beabsichtigt. In den letztgenannten Punkten steht der neue US-Präsident links von seiner Wahlkampfkonkurrentin Hillary Clinton. Dass die Republikanische Partei bislang mit Trump ziemlich stark fremdelte, ist kein Geheimnis.
Die AfD gilt ihrerseits als rechts, wird sie doch in der Öffentlichkeit in erster Linie als die Antimigrationspartei und die Antiislampartei wahrgenommen. Jeglicher Subjektivität unverdächtige Kreise beschimpfen sie gar als "neoliberal". Frauke Petry ist sichtlich bemüht, in die vom Merkel'schen Linksschwenk frei gewordene konservative Lücke zu stoßen und die AfD als eine Art CDU wie in alten Zeiten zu positionieren. Doch unumstritten ist dieser Kurs in den eigenen Reihen nicht. Björn Höcke möchte die Partei dem Sozialismus öffnen, dies insbesondere im Hinblick auf Ostdeutsche, die sich als Verlierer des westlichen Wirtschaftssystems betrachten. In seiner "Denkmal-der-Schande"-Rede bezeichnet Höcke die deutsche Wirtschaft als "neoliberal [sic!] ausgezehrt". Roman Herzog habe danach getrachtet, die Deutschen "der vollständigen Ökonomisierung auszuliefern", welche Höcke durch die Schlagworte "Entfesselung der Finanzmärkte", "Auflösung der Solidargemeinschaft" und "neoliberale[r] Pluralismus" näher umschreibt. Jedes dieser Zitate könnte mühelos aus einer Ansprache eines SED-Politikers stammen.
Mit dem Antagonismus Petry versus Höcke tut sich aber gleichsam eine Sollbruchstelle in der Konstruktion der AfD auf. Bei der Bundestagswahl 2017 mag es ihr noch gelingen, enttäuschte Konservative sowie Befürworter eines - man kann es anders kaum treffender formulieren - nationalen Sozialismus unter einen Hut zu bringen. Aber auf Dauer wird dieser Spagat nicht gelingen, da zwischen beiden Gruppen, wie der eingangs dieses Artikels unternommene Blick in die Geschichte zeigen sollte, fundamentale, geradezu unvereinbare Unterschiede bestehen. Wer sieht, wie Höcke die Massen mobilisiert, und wer der Deutschen Hang zum Neid und zur Gleichmacherei kennt, macht sich keine Illusionen, in welche Richtung die Reise der AfD gehen wird.
Dabei drängen sich Zweifel an einer derartigen Theorie geradezu auf: Wer die Bezeichnung Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei als Etikettenschwindel abtun möchte, gerät schnell in einen Beweisnotstand. Das 25-Punkte-Programm der Bewegung aus dem Jahr 1920 dürfte jedenfalls ab der Forderung Nummer 12 in linken Gehirnen einen gewissen Appeal entfalten. (Exkursweise sei vermerkt, dass in Punkt 23 zum "gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse" aufgerufen wird. Nur gut, dass heutzutage dergleichen nicht zur Debatte steht.)
In der Reichenberger Rede wendet sich Hitler explizit gegen den "Klassenhass", den er bei den von der Kaiserzeit und der Weimarer Republik Geprägten vermutet. Die Tariflöhne wurden im NS-Regime nicht zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt, sondern von sogenannten Treuhändern der Arbeit festgesetzt. Und die Gemeinschaft Kraft durch Freude organisierte die Freizeit und den Urlaub ihrer Mitglieder. All dies ist kein verschärfter Konservatismus, sondern im Gegenteil lupenreiner Sozialismus. Bezeichnenderweise erwies sich das katholische Milieu, gemessen an der Durchschnittsbevölkerung, gegenüber der nationalsozialistischen Idee als weitgehend immun. Die NSDAP als eine Art Hardcore-Version der Zentrumspartei darzustellen wäre ein absurdes Stück Geschichtsklitterung.
Durch ihren für das eigene ideologische Fundament wesenhaften Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus unterschied sich die Hitler-Bewegung jedoch auch vom Nichtbindestrichsozialismus und vom Kommunismus. Zutreffend wäre es wohl, den Nationalsozialismus als eine Ideologie sui generis zu betrachten, die sich einer Einordnung in das simplistische Bild vom Links-Rechts-Kontinuum entzieht.
*
Bevor nun ein Zeitsprung unternommen wird, sei zur Vermeidung von Missverständnissen Folgendes ausdrücklich betont: 2017 ist nicht 1933, Trump ist nicht Hitler, die AfD ist nicht die NSDAP. Doch das Konzept einer Ideologie sui generis scheint dem Verfasser dieser Zeilen sehr geeignet, um bei allen evidenten Unterschieden eine brauchbare Verortung nicht nur des Nationalsozialismus, sondern auch des sogenannten Rechtspopulismus an seinem jeweiligen Platz im politischen Universum vorzunehmen.
Trump, so die landläufige Meinung, sei ziemlich weit rechts angesiedelt. Er möchte eine Mauer zu Mexiko bauen, verfügt ein temporäres Einreiseverbot für Staatsangehörige bestimmter muslimischer Länder und macht über Frauen Äußerungen, die Feministinnen in ihre safe spaces treiben. Aber dieser Trump ist auch ein Freihandelsgegner, ein NATO-Kritiker und Anti-Interventionist, der bessere Beziehungen zu Putins Russland zu knüpfen beabsichtigt. In den letztgenannten Punkten steht der neue US-Präsident links von seiner Wahlkampfkonkurrentin Hillary Clinton. Dass die Republikanische Partei bislang mit Trump ziemlich stark fremdelte, ist kein Geheimnis.
Die AfD gilt ihrerseits als rechts, wird sie doch in der Öffentlichkeit in erster Linie als die Antimigrationspartei und die Antiislampartei wahrgenommen. Jeglicher Subjektivität unverdächtige Kreise beschimpfen sie gar als "neoliberal". Frauke Petry ist sichtlich bemüht, in die vom Merkel'schen Linksschwenk frei gewordene konservative Lücke zu stoßen und die AfD als eine Art CDU wie in alten Zeiten zu positionieren. Doch unumstritten ist dieser Kurs in den eigenen Reihen nicht. Björn Höcke möchte die Partei dem Sozialismus öffnen, dies insbesondere im Hinblick auf Ostdeutsche, die sich als Verlierer des westlichen Wirtschaftssystems betrachten. In seiner "Denkmal-der-Schande"-Rede bezeichnet Höcke die deutsche Wirtschaft als "neoliberal [sic!] ausgezehrt". Roman Herzog habe danach getrachtet, die Deutschen "der vollständigen Ökonomisierung auszuliefern", welche Höcke durch die Schlagworte "Entfesselung der Finanzmärkte", "Auflösung der Solidargemeinschaft" und "neoliberale[r] Pluralismus" näher umschreibt. Jedes dieser Zitate könnte mühelos aus einer Ansprache eines SED-Politikers stammen.
Mit dem Antagonismus Petry versus Höcke tut sich aber gleichsam eine Sollbruchstelle in der Konstruktion der AfD auf. Bei der Bundestagswahl 2017 mag es ihr noch gelingen, enttäuschte Konservative sowie Befürworter eines - man kann es anders kaum treffender formulieren - nationalen Sozialismus unter einen Hut zu bringen. Aber auf Dauer wird dieser Spagat nicht gelingen, da zwischen beiden Gruppen, wie der eingangs dieses Artikels unternommene Blick in die Geschichte zeigen sollte, fundamentale, geradezu unvereinbare Unterschiede bestehen. Wer sieht, wie Höcke die Massen mobilisiert, und wer der Deutschen Hang zum Neid und zur Gleichmacherei kennt, macht sich keine Illusionen, in welche Richtung die Reise der AfD gehen wird.
Noricus
© Noricus. Für Kommentare bitte hier klicken.