25. Januar 2017

Die rote, heiße Kartoffel - Gabriel will nicht, Schulz muss

Glücklicherweise sind SPD-Spitzenpolitiker Menschen und keine von Meister Geppetto zum Leben erweckten Holzfiguren, denn sonst würden ihre Nasen in einem branchenüblichen deutschen Pressekonferenzsaal keinen Platz mehr finden. Sigmar Gabriel verzichtet also auf die Kanzlerkandidatur und lässt Martin Schulz den Vortritt. Der hatte zwar noch vor kurzer Zeit auch keinen richtigen Zug zum Tor und dürfte nach Meinung vieler Stimmberechtigter den Negativcharme des Eurokraten versprühen, aber es gibt offenbar Umfragen, die dem ehemaligen Bürgermeister von Würselen bessere Wahlchancen einräumen als dem Noch-Wirtschaftsminister. Der Brexit und Trump grüßen mit schadenfrohem Lächeln.
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Man muss Gabriel nicht mögen. Doch unterschätzen sollte man ihn nicht. Er ist immerhin nicht selbstverliebt oder naiv genug, um auch nur ansatzweise zu wähnen, dass er Bundeskanzler werden könnte. Und selbst wenn, dann würde er mit hoher Wahrscheinlichkeit einer rot-rot-grünen Koalition vorstehen, was - wie das Beispiel des Berliner Senats zeigt - ein Akt der Selbstschädigung zu werden droht. Gabriel wird lieber Außenminister. Diesen Posten wird er aller Voraussicht nach behalten, wenn die SPD wiederum den Juniorpartner in einer großen (vielleicht dann auch nur noch nach österreichischem Vorbild mittelgroßen) Koalition gibt.

Schulz dagegen wird, wenn er als Kanzlerkandidat erfolglos bleibt, vermutlich von der politischen Bildfläche verschwinden. Es ist schon schwer zu glauben, dass der Mann, der wesentlich dazu beitrug, dass das Europäische Parlament trotz seines dem Vertrag von Lissabon zu verdankenden Machtzuwachses regelmäßig den Erfüllungsgehilfen der Kommission oder des Rates spielte, hierzulande weniger unbeliebt als Gabriel sein soll. Der Verfasser hat eher den Eindruck, dass Schulz aufgrund der Lobhudeleien, die ihm in seiner Straßburger Zeit aus bestimmten Ecken der öffentlichen Meinung zuteil wurden, ein Sendungsbewusstsein entwickelt hat, das mit seinen tatsächlichen Möglichkeiten nicht ganz im Einklang steht. Nach einer Schlappe beim Ringen um die Bundeswaschmaschine wird es um den mit keiner Hausmacht gesegneten Rheinländer still werden.

In der SPD preist man nun Gabriels Aufopferung für die Parteiinteressen und Schulzens angeblichen Appeal beim Wahlvolk. Welch offensichtliche Postfaktizität: Gabriel hütet sich davor, das Schiff zu betreten, das Kurs auf den Eisberg nimmt. Und Schulz tut das, wozu ihn der Beifall der Schmeichler und sein Ego drängen.
Noricus

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