Vor einigen Tagen wurden auf "Welt-Online" Auszüge einer Rede des Bundesverteidigungsministers Thomas de Maizière veröffentlicht, die er an der Universität der Bundeswehr in München gehalten hat. Dort fordert der Minister eine größere Unterstützung der Soldatinnen und Soldaten durch die Gesamtgesellschaft.
Einleitend beschreibt der Minister:
Die Bundeswehr hat den verfassungsmäßigen Auftrag, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, also unseren demokratischen Rechtsstaat, zu schützen. Die deutschen Streitkräfte sollen gleichsam die "Ewigkeitsklausel" des Grundgesetzes sichern helfen, die verhindern soll, daß auf deutschem Boden jemals wieder eine menschenverachtende Diktatur Fuß fassen kann. Die Bundeswehr ist eine reine Parlamentsarmee; keine gewählte Bundesregierung kann sie nach eigenem Gusto im In- oder Ausland einsetzen.
Wie können demokratisch gesinnte Menschen damit ein Problem haben?
Ich frage mich, was aus den, damals sicher oft sehr jungen, Wandbeschmierern der 70er und 80er Jahre, von denen der Verteidigungsminister zu Beginn seiner Rede gesprochen hat, geworden sein mag. Sie werden sicherlich keine Hauswände mehr mit der Aufschrift "Soldaten sind Mörder!" verunstalten. Aber haben sie auch ihre Meinung geändert?
Horst Köhler trat am 31 Mai 2010 von seinem Amt als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland zurück. Als einen Grund hierfür nannte das Staatsoberhaupt damals die Reaktionen weiter Teile der medialen deutschen Öffentlichkeit auf folgende Äußerung in einem Radiointerview:
Für unsere Bündnispartner, vermutlich für den größten Teil der Welt, wäre es ein völlig normaler Vorgang, wenn die Bundesrepublik Deutschland ihre strategisch-wirtschaftlichen Interessen, z. B. mit Blick auf freie Handelswege, auch im Ausland verteidigte, ja sie rufen uns nachgerade dazu auf.
Ja, unsere Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Und durch die Operation Atalanta. Ohne die Sicherung wirtschaftlicher Interessen kein Wachstum. Ohne Wachstum kein Wohlstand, ohne Wohlstand langfristig kein stabiles demokratisches Staatswesen.
Große Teile der medialen Öffentlichkeit und kleinere Teile der politischen Klasse scheinen mit einem radikalen Pazifismus zu sympathisieren, der geschichtlich immer wieder die Gefahr von Kriegen gefördert hat.
Radikaler Pazifismus stärkt die Tyrannen und Verbrecher, die sich um pazifistische Ideen keinen Deut scheren und danach trachten, andere zu unterdrücken.
Natürlich: man kann und soll über den politischen Sinn jedes einzelnen Auslandseinsatzes der Bundeswehr kontrovers diskutieren. Wenn dann aber das Parlament seine Zustimmung erteilt hat, würde ich mir wünschen, daß wir unsere Soldaten, die dort ihren lebensgefährlichen Dienst verrichten, auf jede uns mögliche Weise unterstützten.
Das fängt schon bei der Sprache an. Reden wir eigentlich von "unseren" Soldaten, wie es im angelsächsischen Sprachraum selbstverständlich üblich ist? Oder lieber doch distanzierter von "der" Bundeswehr, "den" Soldaten, so als hätten wir mit ihnen eigentlich nichts zu tun? Schließlich reden wir auch gerne von "unserer" Fußballnationalmannschaft.
Aufkleber an Autos mit der Aufschrift "Unterstützt unsere Truppe", wie in den USA das Support our Troops? fast undenkbar in Deutschland; Blechschäden am Fahrzeug wären die fast sichere Folge.
Sicher, sicher. Ich bin in diesem Beitrag nicht auf die militärische Vergangenheit Deutschlands vor 1945 eingegangen, nicht auf die Verbrechen der Nazidiktatur; nicht auf unselige Wehrmachtstraditionen. Das schwierige Verhältnis der Deutschen zur Bundeswehr hat Gründe, verständliche Gründe. Allein, vernünftig erscheinen mir diese Gründe im Jahr 2013 nicht mehr. Es geht heute um unsere Zukunft in einer multipolaren, globalisierten Welt.
Bislang sind bei Auslandseinsätzen 101 deutsche Soldaten ums Leben gekommen, manche kehrten verwundet oder verstümmelt, viele kehren traumatisiert zurück. Ich habe einige von ihnen, Jahre später, kennen gelernt. Einer von ihnen hält sich in Räumen noch heute grundsätzlich nicht in der Nähe von Fenstern auf; ein anderer fährt mit dem Auto stets mit Tendenz zur Straßenmitte, da Sprengfallen an seinem Einsatzort typischerweise am Straßenrand platziert worden waren. Diese ehemaligen Soldaten lesen Zeitung, sie hören und lesen die Kommentare.
Für mein Empfinden etwas im Widerspruch zu seinen optimistischen Schilderungen am Anfang seiner Rede, schließt der Bundesminister der Verteidigung seine Rede mit den Worten:
Einleitend beschreibt der Minister:
Als ich in den 1970er-Jahren in Freiburg und Münster studiert habe, hat sich niemand darüber aufgeregt, wenn an einer Wand stand: "Soldaten sind Mörder".Ich kenne diese Umfragen nicht, aber mein Eindruck ist ein anderer. Mein Eindruck deckt sich eher mit dem des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, der, mit Blick auf die öffentliche Wahrnehmung der Bundeswehr, von freundlichem Desinteresse gesprochen hat; ich möchte hinzufügen: bestenfalls. So, wie auch der Wehrbeauftragte des deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus von einem Wandel hin zu einem "höchst unfreundlichem Interesse" spricht und zunehmende Anfeindungen und Beschimpfungen gegenüber Soldaten und sogar gegenüber deren Angehörige beklagt.
Anfang der 80er-Jahre demonstrierten Hunderttausende gegen die Nachrüstung. Heute gibt es nichts Vergleichbares mehr. Es gibt keine Massendemonstrationen gegen die Bundeswehr. Im Gegenteil, sie ist sehr angesehen, wie sämtliche Umfragen belegen. Wenn es um Respekt für Institutionen geht, landet die Bundeswehr immer unter den ersten fünf, sechs, sieben Plätzen, mit der Justiz, mit der Polizei und mit den Ärzten. Weit vor den Politikern – worüber man durchaus diskutieren kann. Und weit vor den Journalisten.
Die Bundeswehr hat den verfassungsmäßigen Auftrag, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, also unseren demokratischen Rechtsstaat, zu schützen. Die deutschen Streitkräfte sollen gleichsam die "Ewigkeitsklausel" des Grundgesetzes sichern helfen, die verhindern soll, daß auf deutschem Boden jemals wieder eine menschenverachtende Diktatur Fuß fassen kann. Die Bundeswehr ist eine reine Parlamentsarmee; keine gewählte Bundesregierung kann sie nach eigenem Gusto im In- oder Ausland einsetzen.
Wie können demokratisch gesinnte Menschen damit ein Problem haben?
Ich frage mich, was aus den, damals sicher oft sehr jungen, Wandbeschmierern der 70er und 80er Jahre, von denen der Verteidigungsminister zu Beginn seiner Rede gesprochen hat, geworden sein mag. Sie werden sicherlich keine Hauswände mehr mit der Aufschrift "Soldaten sind Mörder!" verunstalten. Aber haben sie auch ihre Meinung geändert?
Horst Köhler trat am 31 Mai 2010 von seinem Amt als Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland zurück. Als einen Grund hierfür nannte das Staatsoberhaupt damals die Reaktionen weiter Teile der medialen deutschen Öffentlichkeit auf folgende Äußerung in einem Radiointerview:
Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.Die anschließende Skandalisierung dieser Äußerung in Deutschland sowie der Rücktritt des Bundespräsidenten wurden von den internationalen Bündnispartnern, etwa in den USA, erstaunt aufgenommen, was wohl eine diplomatische Umschreibung für "verständnislos" sein dürfte.
Für unsere Bündnispartner, vermutlich für den größten Teil der Welt, wäre es ein völlig normaler Vorgang, wenn die Bundesrepublik Deutschland ihre strategisch-wirtschaftlichen Interessen, z. B. mit Blick auf freie Handelswege, auch im Ausland verteidigte, ja sie rufen uns nachgerade dazu auf.
Ja, unsere Freiheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Und durch die Operation Atalanta. Ohne die Sicherung wirtschaftlicher Interessen kein Wachstum. Ohne Wachstum kein Wohlstand, ohne Wohlstand langfristig kein stabiles demokratisches Staatswesen.
Große Teile der medialen Öffentlichkeit und kleinere Teile der politischen Klasse scheinen mit einem radikalen Pazifismus zu sympathisieren, der geschichtlich immer wieder die Gefahr von Kriegen gefördert hat.
Radikaler Pazifismus stärkt die Tyrannen und Verbrecher, die sich um pazifistische Ideen keinen Deut scheren und danach trachten, andere zu unterdrücken.
Natürlich: man kann und soll über den politischen Sinn jedes einzelnen Auslandseinsatzes der Bundeswehr kontrovers diskutieren. Wenn dann aber das Parlament seine Zustimmung erteilt hat, würde ich mir wünschen, daß wir unsere Soldaten, die dort ihren lebensgefährlichen Dienst verrichten, auf jede uns mögliche Weise unterstützten.
Das fängt schon bei der Sprache an. Reden wir eigentlich von "unseren" Soldaten, wie es im angelsächsischen Sprachraum selbstverständlich üblich ist? Oder lieber doch distanzierter von "der" Bundeswehr, "den" Soldaten, so als hätten wir mit ihnen eigentlich nichts zu tun? Schließlich reden wir auch gerne von "unserer" Fußballnationalmannschaft.
Aufkleber an Autos mit der Aufschrift "Unterstützt unsere Truppe", wie in den USA das Support our Troops? fast undenkbar in Deutschland; Blechschäden am Fahrzeug wären die fast sichere Folge.
Sicher, sicher. Ich bin in diesem Beitrag nicht auf die militärische Vergangenheit Deutschlands vor 1945 eingegangen, nicht auf die Verbrechen der Nazidiktatur; nicht auf unselige Wehrmachtstraditionen. Das schwierige Verhältnis der Deutschen zur Bundeswehr hat Gründe, verständliche Gründe. Allein, vernünftig erscheinen mir diese Gründe im Jahr 2013 nicht mehr. Es geht heute um unsere Zukunft in einer multipolaren, globalisierten Welt.
Bislang sind bei Auslandseinsätzen 101 deutsche Soldaten ums Leben gekommen, manche kehrten verwundet oder verstümmelt, viele kehren traumatisiert zurück. Ich habe einige von ihnen, Jahre später, kennen gelernt. Einer von ihnen hält sich in Räumen noch heute grundsätzlich nicht in der Nähe von Fenstern auf; ein anderer fährt mit dem Auto stets mit Tendenz zur Straßenmitte, da Sprengfallen an seinem Einsatzort typischerweise am Straßenrand platziert worden waren. Diese ehemaligen Soldaten lesen Zeitung, sie hören und lesen die Kommentare.
Für mein Empfinden etwas im Widerspruch zu seinen optimistischen Schilderungen am Anfang seiner Rede, schließt der Bundesminister der Verteidigung seine Rede mit den Worten:
Als Bundeswehr wollen und sollen wir nicht unsere eigene Wertschätzung durch die Gesellschaft organisieren. Gesellschaftliche Anerkennung muss von der Gesellschaft selbst kommen. Oft höre ich, die Bundeswehr müsse integriert werden in die Gesellschaft. Ich verwende diesen Sprachgebrauch nicht mehr. Integration bedeutet doch, etwas bisher Fremdes einzugliedern.Die Worte hör ich wohl…
Aber heute gilt: Die Bundeswehr muss ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft behalten und nicht suchen. Auch und gerade nach Aussetzung der Wehrpflicht ist dies nicht Aufgabe der Bundeswehr allein, höchstens zur Hälfte. Die andere Hälfte ist Aufgabe der Gesamtgesellschaft. Und da sollte die Bundeswehr auch nicht ständig Nachhilfe geben. Das muss funktionieren.
Andreas Döding
© Andreas Döding. Der Autor ist Diplom-Psychologe und arbeitet als niedergelassener Psychotherapeut in eigener Praxis. Zu seinen Patienten gehören Soldaten der Bundeswehr. Für Kommentare bitte hier klicken. Titelbild: Deutsche Soldaten in Afghanistan. Von isafmedia unter Creative Commons Attribution 2.0 Generic-Lizenz freigegeben.