Auch ich habe zu einem kleinen Teil meiner Arbeit im Projektbereich gearbeitet. Ich habe die letzten drei Jahre in Mali jungen Menschen Lesen und Schreiben beigebracht, in Bambara, der Sprache, die nahezu alle Malier verstehen. Dazu muss man wissen, dass das malische Schulsystem eine Katastrophe ist und die meisten Schüler die Schule verlassen, ohne wirklich lesen und schreiben zu können. Die Alphabetisierungsrate liegt bei etwa 22%.
Die Unterrichtssprache ist Französisch, und oft genug kamen zu meiner Frau und mir nach Hause Schüler, die Hausaufgaben in Französisch von der Tafel abgeschrieben hatten, ohne zu verstehen, was sie überhaupt geschrieben hatten, denn sie konnten noch nicht ausreichend gut Französisch. Sie hatten die Schrift abgemalt wie eine Zeichnung.
Die politische Elite, die die Macht hätte, solche Zustände zu ändern, ist nicht wirklich an einer Verbesserung interessiert, denn das könnte auf Dauer für sie gefährlich werden.
Auch das System der vielen Koranschulen verhindert meines Erachtens echte Bildung. Viele Eltern geben einen ihrer Jungen bei einem lokalen Koranlehrer ab. Das ist sozusagen ein Teil der Familienplanung. In diesen Koranschulen lernen die Schüler bestenfalls den Koran auswendig. Oft genug lernen diese Kinder aber nur das Betteln, denn von dem, was sie am Tag erbetteln, müssen alle leben, auch der Koranlehrer, der sonst kein eigenes Einkommen hat.
Wenn man als Weißer durch die Straßen der malischen Dörfer und Städte geht, wird man sehr schnell von Jungs mit einem kleinen Eimer angesprochen: "Weißer, gib mir ein Geschenk". Das sind in aller Regel Koranschüler. Ich war mehrfach im Senegal und auch in Burkina Faso unterwegs, aber nur in Mali wurde ich so massiv von Kindern angebettelt. Ein Land, das zulässt, dass große Teile seiner männlichen Bevölkerung nichts lernt außer zu betteln, beraubt sich selbst.
Ein Beispiel: In meinen ersten Alphabetisierungskurs, den ich 2010 in Ségou angeboten habe, kam ein 14-jähriger Junge aus Timbuktu. Er war Koranschüler in einer der Koranschulen, die es auch dort zahlreich gibt. Der Junge hatte ein Hüftleiden und ging am Stock, was für ihn ein gewisser Vorteil war, denn mit seinem Hüftleiden erzeugte er Mitleid.
Dieser 14-jährige Junge war hochbegabt. Er konnte bereits sehr gut Arabisch lesen und lernte innerhalb weniger Wochen Lesen und Schreiben in Bambara. Er war auf einem guten Weg, und mit seinem Onkel, meinem Nachbarn, war ich im Gespräch darüber, wie wir eine Hüftoperation finanzieren könnten, die nach Aussage von Ärzten möglich gewesen wäre.
Doch dazu kam es nicht. Sein Koranlehrer rief ihn zurück nach Timbuktu. Er wollte ihn so lange auf die Straße schicken, wie der "Mitleidsbonus" noch funktionierte. Auch das Lernen bei einem Weißen war ihm suspekt.
Ich bin davon überzeugt, dass der Junge eine echte Chance auf vollständige Heilung und eine gute Bildung, vielleicht sogar ein Studium an einer Universität gehabt hätte. Nun hat er nur noch das Betteln. Sein Onkel, bei dem der Junge für einige Wochen zu Besuch war und der ein kluger und gebildeter Mann ist, hat diese Entwicklung auch bedauert, aber gesagt, dass die Familie nun einmal so entschieden habe. Er als Einzelner war zu schwach, um sich gegen die Gesamtfamilie durchzusetzen.
Ein Binnenstaat wie Mali, der wenig eigene Bodenschätze hat und am Tropf der Entwicklungshilfe hängt, kann es sich nicht erlauben, diesen Schlüsselbereich "Bildung" zu vernachlässigen. Tut er es doch, hat er langfristig keine Chance.
Allerdings sei auch gesagt, dass Bildung allein keine Gewähr für wirtschaftliche Entwicklung ist. Das konnte man gut am Beispiel von Tunesien erkennen. Hier sind viele junge Menschen bestens ausgebildet, finden aber keine Arbeit. Dieses Dilemma hat den "Arabischen Frühling" ausgelöst.
Die Unterrichtssprache ist Französisch, und oft genug kamen zu meiner Frau und mir nach Hause Schüler, die Hausaufgaben in Französisch von der Tafel abgeschrieben hatten, ohne zu verstehen, was sie überhaupt geschrieben hatten, denn sie konnten noch nicht ausreichend gut Französisch. Sie hatten die Schrift abgemalt wie eine Zeichnung.
Die politische Elite, die die Macht hätte, solche Zustände zu ändern, ist nicht wirklich an einer Verbesserung interessiert, denn das könnte auf Dauer für sie gefährlich werden.
Auch das System der vielen Koranschulen verhindert meines Erachtens echte Bildung. Viele Eltern geben einen ihrer Jungen bei einem lokalen Koranlehrer ab. Das ist sozusagen ein Teil der Familienplanung. In diesen Koranschulen lernen die Schüler bestenfalls den Koran auswendig. Oft genug lernen diese Kinder aber nur das Betteln, denn von dem, was sie am Tag erbetteln, müssen alle leben, auch der Koranlehrer, der sonst kein eigenes Einkommen hat.
Wenn man als Weißer durch die Straßen der malischen Dörfer und Städte geht, wird man sehr schnell von Jungs mit einem kleinen Eimer angesprochen: "Weißer, gib mir ein Geschenk". Das sind in aller Regel Koranschüler. Ich war mehrfach im Senegal und auch in Burkina Faso unterwegs, aber nur in Mali wurde ich so massiv von Kindern angebettelt. Ein Land, das zulässt, dass große Teile seiner männlichen Bevölkerung nichts lernt außer zu betteln, beraubt sich selbst.
Ein Beispiel: In meinen ersten Alphabetisierungskurs, den ich 2010 in Ségou angeboten habe, kam ein 14-jähriger Junge aus Timbuktu. Er war Koranschüler in einer der Koranschulen, die es auch dort zahlreich gibt. Der Junge hatte ein Hüftleiden und ging am Stock, was für ihn ein gewisser Vorteil war, denn mit seinem Hüftleiden erzeugte er Mitleid.
Dieser 14-jährige Junge war hochbegabt. Er konnte bereits sehr gut Arabisch lesen und lernte innerhalb weniger Wochen Lesen und Schreiben in Bambara. Er war auf einem guten Weg, und mit seinem Onkel, meinem Nachbarn, war ich im Gespräch darüber, wie wir eine Hüftoperation finanzieren könnten, die nach Aussage von Ärzten möglich gewesen wäre.
Doch dazu kam es nicht. Sein Koranlehrer rief ihn zurück nach Timbuktu. Er wollte ihn so lange auf die Straße schicken, wie der "Mitleidsbonus" noch funktionierte. Auch das Lernen bei einem Weißen war ihm suspekt.
Ich bin davon überzeugt, dass der Junge eine echte Chance auf vollständige Heilung und eine gute Bildung, vielleicht sogar ein Studium an einer Universität gehabt hätte. Nun hat er nur noch das Betteln. Sein Onkel, bei dem der Junge für einige Wochen zu Besuch war und der ein kluger und gebildeter Mann ist, hat diese Entwicklung auch bedauert, aber gesagt, dass die Familie nun einmal so entschieden habe. Er als Einzelner war zu schwach, um sich gegen die Gesamtfamilie durchzusetzen.
Ein Binnenstaat wie Mali, der wenig eigene Bodenschätze hat und am Tropf der Entwicklungshilfe hängt, kann es sich nicht erlauben, diesen Schlüsselbereich "Bildung" zu vernachlässigen. Tut er es doch, hat er langfristig keine Chance.
Allerdings sei auch gesagt, dass Bildung allein keine Gewähr für wirtschaftliche Entwicklung ist. Das konnte man gut am Beispiel von Tunesien erkennen. Hier sind viele junge Menschen bestens ausgebildet, finden aber keine Arbeit. Dieses Dilemma hat den "Arabischen Frühling" ausgelöst.
Diarra
© Diarra. Der Verfasser hat von 2004 bis 2008 und wieder von 2009 bis 2012 in Mali gelebt und gearbeitet. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Ein Baobab (Affenbrotbaum) in Mali. Diese Bäume sehen äußerlich groß, stark und gesund aus, sind innerlich aber oft hohl und werden deshalb von starken Winden leicht umgeknickt - ein Sinnbild für Mali. Eigene Aufnahme des Verfassers. (Für eine vergrößerte Ansicht bitte zweimal auf das Bild klicken).