19. Mai 2023

Das Erbe Lauterbachs mit einem Gruß von Hans Filbinger

Anlass für diesen Beitrag ist eine kleine Anekdote, die diesem Autor vor einigen Wochen widerfahren ist. 

Ich musste vor besagten Wochen mal wieder einen Arzt besuchen (auch schlechte Menschen werden krank) und da musste man ja bekannterweise immer noch so ein Gesichtstuch tragen, was ich dummerweise vergessen hatte. Kein Problem: Inzwischen werden ja die meisten Ärztehäuser von irgendeinem Apotheker belagert und so ging ich in eben jene Apotheke vor Ort und verlangte wohl etwas zu salopp einen "Lauterbach-Lappen" (okay, ich mag noch ein deutsche Wort mit Sch... davor gesetzt haben, weil ich ziemlich spät dran war und mich gelegentlich ärgere die wirklich unverhältnismäßig teuren wie sinnlosen Tücher bezahlen zu müssen). Ich war dabei keinesfalls unhöflich sondern haben eben nur ausgedrückt, was ich von dem Tuch halte, ich habe selbstverständlich um die Ware höflich gebeten. Der gute Mann stutzte, änderte seinen Tonfall und betonte wie wenig Verständnis er dafür habe. Ich habe sicher keine politische Diskussion gesucht (erst recht nicht, wenn ich es eilig habe) und nur noch gesagt: "FFP2 bitte". Aber etwas war geschehen: Mein Gegenüber sah mich nur mit einer Mischung aus Feindseligkeit und Empörung an und verwies mich seines Geschäftes. Ich war erst einmal etwas verdattert, habe noch einmal nachgefragt, worauf er das bestätigte, dass er mir nichts mehr verkaufen wolle. Auch die ebenso höfliche Frage, ob er mich an seinen Wettbewerb verweisen könne, wurde verneint, er war wirklich sichtlich empört. Und er wurde seinerseits unhöflich. Was erlaube Kunde? Soweit, so schlecht. 

Jetzt habe ich das Ganze nicht erzählt, um mir auf die Schulter zu klopfen, mich gut aussehen zu lassen oder mir Luft zu machen wie böse die Welt oder dieser Apotheker ist. Ich weiß, dass er es nicht ist. Ich habe einige Wochen vorher mit ihm ein sehr angeregte Gespräch geführt und ihn überhaupt nicht so erlebt. Warum erzähle ich es dann überhaupt? 

Weil der Mann, der eigentlich und vermutlich ein ganz besonnener oder angenehmer Zeitgenosse sein könnte (so tief kenne ich ihn ja auch nicht) nur durch ein Wort so stark getriggert wurde, dass er in weniger als 20 Sekunden die Haltung und in weniger als 40 seine Kinderstube verlor. Und wenn ich mir die Rezensionen seines Geschäftes ansehe, dann stelle ich fest: Das ist nicht das erste mal passiert. Andere Kunden erzählen stark ähnliche Geschichten, teilweise deutlich krasser (Stichwort Kontrahierungszwang bei lebenswichtigen Medikamenten, soll hier aber nicht ausdiskutiert werden). Jetzt ist der Verlust, den er an mir macht, nicht dramatisch. Er verliert zwei Euro Gewinn durch die Maske selbst und einen potentiellen Gewinn in der Zukunft, weil er sich ja an zwei Fingern ausrechnen kann, dass der Kunde nicht wiederkommt. Aber es waren eben auch andere Kunden in seinen Rezensionen, wo der Verlust deutlich höher ist (und ein gewisses Risiko rechtlich wirklich einen auf den Deckel zu bekommen). Was bringt den Mann dazu, sich selber zu schaden, um einen Punkt zu machen? Sicher nicht die Idee jemanden zu etwas zu bekehren, denn der dümmste Mensch würde noch erkennen, dass man sich auf die Art nur Kunden zuverlässig vertreibt und sogar potentielle vergrault (Menschen quatschen, nicht nur in Google-Rezensionen). Ein guter Geschäftsmann wird vielleicht einen klaren Standpunkt haben, aber sicher nicht seine Kunden vertreiben, weil sie nicht seiner Meinung sind.

Was bringt also im März 2023, wo wirklich scheinbar nur noch Karl Lauterbach selber die Flagge der Maßnahmen hochhält, jemanden dazu den Corona-Hardliner zu spielen, komme was da wolle? Und wenn man betrachtet, dass der Mann nicht nur wütend sondern vor allem empört war, dann lässt sich diese Form von Wut und Aggression ganz gut mit einem Satz beschreiben, der von Hans Filbinger stammt (allerdings, so muss man sagen, extrem aus dem Zusammenhang gerissen wurde und nicht dem entsprach was er wirklich ausführen wollte): "Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein!"

Ich glaube das dieser Satz extrem wichtig ist und die Geisteshaltung von vielen Leuten beschreibt, die heute nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" versuchen ihre Position der letzten zwei Jahre vor anderen aber vor allem(!) vor sich selber zu rechtfertigen. "Was ich getan habe, war richtig". "Was ich gefordert habe, war auch richtig". "Was damals richtig war, kann heute nicht falsch sein."

Und man sieht das eben nicht nur bei kleinen Apothekern. Sarah Bosetti, die während der Hochzeit der Maßnahmen mal eben einen Teil der Bevölkerung zu einem überflüssigen Wurmfortsatz erklärte (eigentlich eine Entgleisung, die dafür sorgen müsste so jemanden für Jahre aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen), ist wieder vorne dabei, um zu erklären, dass die Pandemie ja bereits vor zwei Jahren zu Ende gewesen wäre, wenn sich alle den (inzwischen als praktisch nutzlos erwiesenen) Impfstoff hätten spritzen lassen. Es darf kann nicht falsch sein, was damals richtig war. Ich kann nicht zum Unmenschen geworden sein für etwas, was nicht gestimmt hat. 

Gut, man kann solchen Leuten nicht vorwerfen die selbe moralische Flexibilität wie beispielsweise Christian Drosten inne zu haben, der heute von dem, was er alles gefordert und gesagt hat, nichts mehr wissen will. Sie sind in dem Sinne standhaft. Aber sie sind auch nicht in der Lage aus ihrer selbst gestellten Falle zu entkommen. Es ist schon schwer genug zuzugeben, dass man im Unrecht war, noch schwerer ist es, wenn man im Namen dieses Unrechtes noch viel größeres angerichtet oder auch nur gefordert hat. 

Und ich denke das dieses Erbe der Grund sein wird, warum die gesellschaftliche Spaltung, die die Corona-Fanatiker in den letzten drei Jahren angerichtet haben, eben nicht mal eben wieder heilen kann. Da wird vieles sein, was wir "einander verzeihen müssen" ist so eine dieser berüchtigten Sätze von Jens Spahn, aber er setzt zum einen voraus, dass diejenigen, denen Unrecht getan wurde, überhaupt verzeihen wollen, aber eben auch, dass die, die Unrecht begangen haben, überhaupt in der Lage sind um Verzeihung zu bitten. Wer aber selber nicht einmal begreifen will(!), was er angerichtet hat, der wird auch kaum in der Lage zu sein, das begangene Unrecht überhaupt als solches zu reflektieren.

Ich habe vor Jahren (ehrlicherweise Jahrzehnten) mal die zweifelhafte Ehre gehabt die "Wehrmachtsausstellung" zu besuchen, eine historische extrem fragliche Veranstaltung mit dem Ziel die Wehrmacht als verbrecherische Organisation zu zeigen (was sie wohl auch war, aber mit Sicherheit nicht durch eine derart einseitige und stellenweise sogar gefälschte Darstellung belegt werden kann). Doch ein Nebenaspekt dieser Ausstellung (den die meisten wohl kaum reflektiert haben), war eine Wand mit Literatur (Buch- und Zeitschriftentitel aus den 50er und 60er Jahren), die die Wehrmacht als tolle Truppe von Helden verklärte. Das war wirklich beeindruckend und ich glaube die meisten Menschen heutzutage wären tendenziell schockiert wie die Wehrmacht in dieser Zeit noch idealisiert wurde. Und man kommt nicht umhin daraus zu schließen, dass es eben kein "großes Umdenken" im deutschen Volk gegeben hat, dass die Aufarbeitung des dritten Reiches eine gesellschaftliche Leistung der Reflektion und des Umdenkens gewesen ist. Es ist wohl eher eine Leistung des Aussterbens. Der Grund warum wir das dritte Reich heute als Großverbrechen betrachten liegt nicht darin, dass es als solches breitflächig erkannt und akzeptiert wurde. Er liegt darin, dass diejenigen, die das nicht so gesehen haben zunehmend ausgestorben sind (schönen Gruß von Albert Einstein). 

Nun liegt das Corona-Unrecht nicht in der selben Größenordnung wie das dritte Reich. Auch nicht wie die DDR. Es wurden keine Menschen eingesperrt und ermordet. Zwar wurden diverse Corona-Kritiker mit fragwürdigen Anklagen verfolgt (Michael Ballweg saß mehr als ein halbes Jahr als Opfer der Coroniker im Gefängnis) und diverse Existenzen vernichtet, aber direkt ermordet hat das Corona-Regime niemanden (die toten Impfopfer, die man genötigt hat, mal außen vor). Was aber nicht an der Haltung der Corona-Fanatiker lag. Sieht man die Geschwindigkeit mit dem der Rechtsstaat zerstört wurde, die Mob-Haltung mit der Kritiker verfolgt wurden und die rasant anwachsende Brutalität des Staatsapparates, dann kann man sich leicht ausrechnen, wann man dagewesen wäre und es bleibt ein historischer Zufall, dass Corona am Ende nichts anderes als eine Grippe gewesen ist (ich für meinen Teil habe keinen Zweifel, dass wir, wenn Corona wirklich auch nur halb so gefährlich gewesen wäre, wie von den Panikern an die Wand gemalt, wir heute in einem vollen Totalitarismus leben würden, gegen den die DDR noch sehr harmlos anmutet). 

Aber auch wenn etwas nicht so stark ausgeprägt ist, sind die Strukturen und Prinzipien ähnlich. Diejenigen, die sich schuldig gemacht haben, werden kaum in der Lage sein, sich als solche zu erkennen. Sie werden leben nach dem Filbinger Motto. Es kann nicht Unrecht sein, was damals Recht war. 

Und deshalb glaube ich nicht, dass Corona in nächster Zeit wirklich aufgearbeitet werden kann. Selbst wenn noch so viele Geimpfte umfallen oder noch so viele Spätschäden festgestellt werden. Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Alles nur Märchen, alles nur Fake-News. Und selbst wenn sich die menschlichen Tragödien nicht länger ignorieren lassen, einfach weil es zu viele sind, wird man immer noch darauf verweisen, dass das die Schuld der Pharma gewesen sei, ein historischer Zufall und das das nichts, aber auch gar nichts, mit dem eigenen Verhalten zu tun haben kann und darf. Nach dem zweiten Weltkrieg waren auch zunächst nur die SS oder die SA die eigentlichen Verbrecher. Bis die Wehrmacht dran war, vergingen Jahrzehnte. Und bis man dahin kam, dass eigentlich das ganze Volk seinen Anteil an diesem Jahrhundertverbrechen hatte, war das eigentliche Volk schon im Wesentlichen verstorben. 
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Letzte Anmerkung: Gunter Frank von der Achse des Guten hat das bis jetzt wichtigste Werk zur Corona-Aufarbeitung geschrieben: Das Staatsverbrechen. Das Buch wird vom Mainstream mit aller Gewalt ignoriert, ist aber extrem lesenswert. Dennoch bin ich mit seinem Titel nur begrenzt einverstanden. Ja, es war ein Staatsverbrechen. Aber es war auch ein Gesellschaftsverbrechen. Und das ist der Grund, warum wir es am Ende nur sehr, sehr, sehr langsam werden aufarbeiten können. Bis das geschehen ist sind die meisten von uns vermutlich schon lange tot. 

Llarian

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