10. Februar 2023

Eine Wahl unter Vorbehalt. Habt Ihr se noch alle?

Dieser Autor ist wirklich in einer begnadeten Zeit groß geworden: Poltiker hatten noch Angst um ihren Ruf, wenn es einer zu derb trieb, dann musste er tatsächlich zurück treten, die Presse begriff sich als Korrektiv und nicht als Handlanger der Politik und die Gerichte versuchten den Eindruck von Rechtsstaatlichkeit zu wahren. 

Letzteres wird von einigen Richtern immer noch versucht, aber es ist sicher schwer, wenn man unter dem Zerrbild leben muss, das das derzeitige Bundesverfassungsgericht darstellt. Der neueste Gag (und zur Abwechslung mal nicht aus der Feder des alternativlosesten Verfassungsrichters der aller Zeiten, Harbarth) ist die Idee eine Wahl unter Vorbehalt zu stellen. Und so wird die Wiederholung der Berliner Wahl am kommenden Samstag stattfinden. Unter Vorbhehalt. 

Die Richter werden zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob diese Wahl nun eine Wahl oder doch nur ein Spaziergang durch die Innenstadt gewesen ist. Und dieser Autor gibt zu, dass ihm erst einmal nur ein Satz in den Sinn dazu gekommen ist: Habt ihr se noch alle am Helm? 

Alleine die Idee, dass eine Wahl, die vollkommen korrekt ablaufen könnte (wir drücken Berlin die Daumen, auch ein blinder Trinker findet mal einen Korn) im Nachhinein von Richtern als ungültig erklärt werden kann, ist eigentlich eher im Bereich der bösen Satire zu verorten. Es bedarf wirklich keines Genies, um auf die Idee zu kommen, dass das Ergebnis dieser Wahl ja nun irgendwie die Entscheidung beeinflussen könnte.

Im normalen deutschen Recht genügt es für einen erfolgreichen Befangenheitsantrag, wenn eine Partei einen vernünftigen Anlass hat, zu vermuten, dass ein Richter parteiisch agiert. Dafür muss der Richter nicht parteiisch sein, es genügt, dass bei der vernünftigen Würdigung aller Umstände, eine Partei Anlass hat an der Unparteilichkeit zu zweifeln. Das ist hier sowas von gegeben, dass es kracht. Richter sind keine unpolitischen Menschen (und wer würde das bestreiten, wenn schon der Chef von dem Laden vorher Berufspolitiker gewesen ist). Das sie hier ihre Meinung außen vorlassen ist mit Sicherheit(!) vernünftig zu bezweifeln. 

Aber das ficht Karlsruhe inzwischen gar nicht mehr an. Die machen einfach. Essen bei der Kanzlerin, die zufällig gerade Interesse an einer Entscheidung hat? Kein Problem. Macht nix. Wahlen unter Vorbehalt? Kein Thema. Man kann sie dann halt "rückgängig machen".

Und wie wenig abwegig das ist, kann sich jeder an einem simplen Gedankenbeispiel klar machen: Nehmen wir an, so abstrus das erschiene, die AfD käme bei der Berlin Wahl auf 40% der Stimmen. Einfach weil den Leuten der Kragen platzt und sie sich am Senat rächen wollen. Nur angenommen. Kann sich irgendjemand vorstellen, dass dann die Wahl nicht annuliert würde? Dieser Autor kann es nämlich nicht. Und man darf sich in einer solchen Welt auch fragen, wie viele Wähler ganz ähnliche Überlegungen anstellen und deshalb nicht zu dieser Farce hingehen. Ist das dann eine freie Wahl?

Man möchte sagen, das ist halt Berlin. Die restliche Republik hat sich ohnehin damit abgefunden, dass das Hauptstadtslum immer tiefer im eigenen Saft untergeht und dafür von außen alimentiert werden möchte. Aber hier geht es gar nicht um Berlin, denn den Berliner Richtern ist hier kein Vorwurf zu machen (mal ab davon, dass sie anderthalb Jahre gebraucht haben, damit eine so offensichtlich verschluderte Wahl wiederholt wird). Nein, das Problem ist Karlsruhe und ein Verfassungsgericht das nicht einmal mehr den Versuch macht(!), seine nicht vorhandene Neutralität zu heucheln. 

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Llarian

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