Was war dies doch für ein
begeisterndes Sportwochenende. Nicht nur die Fußball-Bundesliga geht langsam in
die Phase, in der liegengelassene Punkte beim Kampf um die Meisterschale
richtig wehtun. Nein, es standen auch die letzten Bewerbe bei der
Biathlon-Weltmeisterschaft an und heute in der Früh (mitteleuropäischer Zeit)
wurde zwischen Deontay Wilder und Tyson Fury um den Schwergewichtsthron nach
der Version der WBC geboxt.
Während das norwegische Wunderkind des BVB, Erling Haaland (beziehungsweise: Håland), die Schlagzeilen erobert, wie dies einst seine – Klischee muss sein – Wikingervorfahren mit europäischen Küstenstädten taten; während die Exegese einer von Emil Forsbergs Frau zum Besten gegebenen Instagram-Äußerung die Fachjournalisten beschäftigt; während bezüglich des FC Bayern die Alternativlosigkeit des Abo-Torschützenkönigs Lewandowski, ein unter Trainer Hansi Flick wieder eingesetzter und stark verbesserter Müller oder das unter dem Strich eher enttäuschende Wirken des mit viel Tamtam empfangenen Leihkickers Philippe Coutinho die in der interessierten Öffentlichkeit dominierenden Themen sind, wird das Loblied auf einen Mann, der unter den jüngeren deutschen Lederkugeltretern zu den Besten gehört, viel zu selten gesungen: Serge Gnabry.
Es wäre wohl fast eine
Beleidigung, den gebürtigen Stuttgarter als Talent zu bezeichnen, steht dieses
Wort doch so häufig synonym für eine (noch) unerfüllte Hoffnung, was bei Gnabry
jedoch gerade nicht der Fall ist. Der nicht ganz 25-Jährige hat bereits
geliefert und er spielt auch heuer eine wirklich feine Saison, was sich am
Freitagabend beim Zittersieg des Rekordtitelträgers gegen den SC Paderborn
wieder einmal zeigte, als Gnabry an allen drei Bayern-Toren beteiligt war und
er vielleicht noch ein weiteres selbst geschossen hätte, wenn sich Lewandowski
in der betreffenden Szene weniger eigennützig verhalten hätte. (Schon klar:
Gnabrys Ballverlust führte letztlich zum zweiten Treffer der Ostwestfalen, doch
war dieser Lapsus im Vergleich zu Manuel Neuers Blackout-Geschenk an den
1:1-Erzieler Dennis Srbeny eine wahrlich lässliche Sünde.) Wahrscheinlich ist
der Offensivspieler – neben anderen – einer der Träger des Generationenwechsels
sowohl in der Nationalmannschaft als auch beim FC aus der Isarmetropole – wenn
es ihn dort hält.
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Reden wir auch über Frau Røiseland,
Biathlon-Fans wohl besser bekannt als Marte Olsbu. Bei der Weltmeisterschaft
der Skijäger im südtirolischen Antholz gewann die Norwegerin bei jedem Rennen,
zu dem sie antrat (das waren alle Damen-Bewerbe), eine Medaille. Mit fünfmal
Gold und zweimal Bronze reist die 29-Jährige nach Hause. Das ist ein Novum in
der Historie der Langlauf-Schieß-Kombination – worüber mich die
Sportstatistik-Nerds des Zwangsgebührenfernsehens gerade belehrt haben. (Anmerkung:
Die vom Verfasser als – vom Können her – beste Biathletin aller Zeiten
betrachtete Laura Dahlmeier, die sowohl in der Loipe als auch vor den Scheiben
zur absoluten Weltspitze gehörte, nahm anno 2017 sechs Edelmetallscheiben aus
Hochfilzen mit.)
Wenn es in der
professionellen Körperertüchtigung so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit
gibt, dann hat sie sich im einzigartigen Erfolg der Skandinavierin
eindrucksvoll manifestiert. Denn Olsbu Røiseland ist seit Jahren eine der
Besten in ihrer Disziplin, aber die Ernte ihrer hervorragenden Leistungen hat
sie bisher noch nicht eingefahren: Zwar gehört sie in der Spur zu den Stärksten
– ihr können diesbezüglich wohl nur die Ex-Speziallangläuferin Denise Hermann
und Team-Kollegin Tiril Eckhoff, von der sie zu Beginn dieser Saison
überstrahlt wurde, das Wasser reichen – und ist ihre Trefferquote mit dem
Gewehr durchaus beachtlich, aber so richtig groß aufgetrumpft hat die Frau aus
dem Süden ihres Landes noch nicht. Herzlichen Glückwunsch.
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Es war der Fight, auf den
die Boxwelt gewartet hatte: das Rematch zwischen WBC-Schwergewichtschampion
Deontay Wilder und dem linearen Weltmeister Tyson Fury. Wir erinnern uns: Die
erste Ausgabe der Begegnung endete am 1. Dezember 2018 mit einem – vielkritisierten
– Unentschieden. Zahlreiche Experten sahen damals schon den Briten im Vorteil,
jedoch musste der „Gipsy King“ seinerzeit zwei Niederschläge kassieren.
Vor dem Rückkampf war das
Rätselraten groß, insbesondere stellten sich bezüglich Furys so einige
Fragezeichen, war er doch in der Vorbereitung nur gegen subalterne Opponenten
angetreten. Verblüffend war auch, dass der einstige Champion nach
Version der WBA, IBF, WBO und IBO beim weigh
in sein T-Shirt anbehielt und bemerkenswerte 273 Pfund (circa 124 Kilogramm)
auf die Waage brachte. Befürchtungen, dass der 31-Jährige untrainiert in die
Wiederauflage seines Kräftemessens mit dem knock-out
artist aus Tuscaloosa, Alabama, ginge, wurden laut.
Doch nichts von alledem:
Fury wird zwar nie auf dem Cover einer Bodybuilding-Zeitschrift abgebildet
werden, aber Schwabbel-Alarm musste nicht geschlagen werden, als der
Herausforderer im Ring seinen Oberkörper entblößte. Und die für einen Mann seiner
Größe (2,06 m) und seines Gewichts erstaunliche Beweglichkeit und
Geschwindigkeit hatte er, was schon in der ersten Runde offensichtlich wurde,
nicht eingebüßt. Und was vielleicht noch bemerkenswerter war: Fury übte von der
ersten Sekunde an Druck auf den "Bronze Bomber" aus. In den üblichen Sitz- (beziehungsweise:
Stand-)Krieg, wie man ihn in den Eröffnungsrunden von
Schwergewichtsmeisterschaften so häufig sehen muss, wollte sich der Brite
augenscheinlich nicht einlassen.
Als der Amerikaner im
dritten Durchgang zum ersten Mal auf dem Boden landete, war die Sache
vorentschieden. Nach dem Niederschlag in der fünften Runde wünschte man sich
eigentlich nur noch einen Abbruch, was dann in der siebten Drei-Minuten-Partie
infolge Handtuchwurfs seitens Wilders Lagers auch tatsächlich geschah.
Fury ist, was den
menschlichen Faktor betrifft, eine kontroverse Figur: Einerseits kann er mit
einer hollywoodesken Geschichte aufwarten – Absturz nach seinem ersten
Weltmeistertitel mit nachfolgendem Rücktritt und Rücktritt von demselben sowie
dem nunmehrigen triumphalen Comeback –, andererseits hat er sich zumindest in
der Vergangenheit mit – formulieren wir es so – verstörenden Äußerungen
hervorgetan, und bestimmte Verhaltensbesonderheiten wie die Zungenspiele beim
Clinch mit Wilder wirken auf erhebliche Teile des Publikums zweifellos
abstoßend. Wenn man von diesem Rundherum absieht und nur den athletischen Aspekt
bewertet, so muss man sagen, dass Fury in der Königsklasse des Boxsports heute
(beziehungsweise nach Ortszeit: gestern) eine der überzeugendsten Leistungen
der letzten Jahre zum Vortrag gebracht hat.
Noricus
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