19. Januar 2016

Über Demokratie und Absolutismus - Gastbeitrag von nachdenken_schmerzt_nicht

SPD wie auch Grüne hatten den SWR darauf hingewiesen, dass sie zu einer Fernsehdiskussion im Hinblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen keine Teilnehmer entsenden würden, weder die amtierenden Ministerpräsidenten, noch einen Vertreter, wenn die AfD an einer solchen Diskussion teilnehmen würde. Wie man heute der Onlineausgabe der FAZ entnehmen kann, hat der SWR dem Druck der beiden Ministerpräsidenten Malu Dreyer (SPD, Rheinland-Pfalz) und Winfried Kretschmann (Grüne, Baden-Württemberg) nachgegeben und sich entschlossen, die AfD nicht einzuladen. 

Man kann diesen Sachverhalt nun unter den unterschiedlichsten Gesichtspunkten beleuchten: Wie ist die Entscheidung des SWR zu beurteilen? Wie verhält es sich faktisch mit der oft zitierten Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? Ist es wahltaktisch klug, sich einer Debatte mit der AFD zu verweigern? 

Wie es im Artikel bereits anklingt werden das Fragen sein, welche die Kommentarspalten der Tageszeitungen in den nächsten Tagen beschäftigen könnten. Eine Frage klingt aber überhaupt nicht an, dabei scheint es mir doch die wesentliche zu sein: Welches Demokratieverständnis, welches Verständnis vom eigenen Volk spricht aus Parteien, aus Ministerpräsidenten, welche die öffentliche, politische Auseinandersetzung mit abweichenden Meinungen ablehnen? 

Die AfD ist eine in Deutschland zum demokratischen Wettbewerb zugelassene Partei, die berechtigt ist an, Wahlen teilzunehmen und, wenn man den aktuellen Umfragen glaubt, über 10% der Wählerstimmen auf sich vereinigt. Wenn nun die Positionen der AfD zu politischen Fragestellungen inhaltlich nicht tragfähig sind, wenn sie rechtlich möglicherweise bedenklich sind, sollte dann der politische Gegner nicht geradezu darauf brennen, die AfD öffentlich vorzuführen? 

Aus dieser Sicht läßt die Entscheidung von SPD und Grünen, sich nicht in Diskussion mit der AFD zu begeben, nur zwei logische Schlüsse zu: 


  1. Man hat Angst davor mit Fehlern in der eigenen Politik konfrontiert zu werden, die man nicht einfach wegdiskutieren kann.
     
  2. Man traut dem Wahlvolk nicht zu, dem inhaltlichen Argument zu folgen, sondern hält es für leicht verführbar, um nicht zu sagen: dumm. 


Ich persönlich glaube, es ist eine gefährliche Mischung aus beidem. Ideologische Verbohrtheit hat bei vielen Parteien in unseren Parlamenten zu dem geführt, was man heute des Öfteren unter dem Schlagwort der „alternativlosen Politik“ serviert bekommt. Ganz gleich, ob es dabei um Eurorettung, Energiewende, Atomkraft oder Einwanderungspolitik geht: „There is no alternative“ – um im Kanzlerinnenjargon zu formulieren. Der von mir sehr geschätzte Norbert Bolz formulierte einmal sinngemäß in einer Rede: Eine Politik, welche keine Alternativen benennt, ist keine Demokratie, sondern eine Tyrannis.

In diesem Sinne liegt es für mich auf der Hand, dass die regierenden politischen Parteien Fehler gemacht haben, die man ihnen auch zu Recht vorwerfen kann. Und sei es nur der Fehler, die Alternativen nicht objektiv beleuchtet zu haben. Doch das alleine wäre noch kein Beinbruch, wenn man bereit ist die Fehler zu korrigieren und dem mündigen Wähler verständlich zu erläutern, wie man das zu tun gedenkt und warum. Weshalb also verweigert man sich genau diesem Meinungsstreit? 

Weil man dem Volk nicht zutraut dem vernünftigen Argument und der inhaltlichen Notwendigkeit zu folgen. Weil man vom Volk glaubt, es können aus den richtigen Argumenten die falschen Schlüsse ziehen. Man sieht das Volk, den Souverän unseres Staates, auf eine Stufe mit unmündigen, leicht verführbaren Kindern. Das ist Paternalismus in Reinform: Eine herrschende Klasse glaubt, das unmündige Volk an die Hand nehmen zu müssen, ihm das reale Leben nicht zumuten zu können. 

Die Begriffe „Aufklärung“, „Französische Revolution“ und „Hambacher Fest“ scheinen solchen Politikern nicht mehr geläufig zu sein. Als Repräsentanten in einem republikanisch, demokratisch verfassten Staat halte ich sie für gänzlich ungeeignet. Am Hofe Ludwig XIV hätte man solches Verhalten im Stile der Ministerpräsidenten sicherlich goutiert. – Wir schreiben allerdings 2016.


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nachdenken_schmerzt_nicht


© Gastbeitrag von nachdenken_schmerzt_nicht. Titelvignette: "Le roi gouverne par lui-même (Der König regiert für sich selbst)". Deckengemälde im Spiegelsaal von Schloss Versailles. Vom User RMN gemeinfrei gestellt. Für Kommentare bitte hier klicken.