21. Mai 2014

Die spinnen, die Amis. Ein Gedankensplitter zu Spionage, Außenwahrnehmung und transatlantische Beziehungen.


Es knackt in diesen Tagen wieder recht deutlich in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen, Amerika hat in einer bisher eher seltenen Deutlichkeit die Chinesen öffentlich der Spionage bezichtigt und ist auch derart deutlich geworden, dass man ein paar Haftbefehle ausgestellt hat von denen eher fraglich ist, ob sie je zu irgendetwas führen können, aber doch eine deutlich politische Botschaft von sich geben. Umgekehrt hat die chinesische Führung auch für ihre Art relativ offen die amerikanischen Vorwürfe zurückgewiesen und den Botschafter einbestellt. Wie auch immer das ganze ausgeht, man kann davon ausgehen, dass es die Beziehungen der beiden Länder nicht verbessern wird, da wird derzeit viel Porzellan zerschlagen das man erst langsam wieder wird kitten müssen.

Der Grund für diesen Artikel ist aber weniger die chinesische Sicht auf Amerika sondern die europäische, speziell die deutsche. Und dort drängt sich mir zunehmend der Eindruck eines Elefanten auf, der im Porzellanladen einen Schuhplattler tanzt und nicht einmal mehr merkt, dass links und rechts von ihm das Glas nur so kracht.
Kaum ein Tag vergeht an dem nicht eine neue Snowden-Veröffentlichung durchs Netz tanzt und bis jetzt ist das Ende nicht abzusehen. Selbst die NSA scheint nicht so recht zu wissen wieviel Leichen da noch aus dem Keller kommen werden. Und ausgerechnet in dieser Atmosphäre versuchen die Amerikaner den Moralapostel über Spionage zu spielen. Das hat weniger Chuzpe als das es doch ein wenig lächerlich erscheint wenn ausgerechnet derjenige „Haltet den Dieb“ ruft, dessen Hand noch immer fest in der Keksdose steckt. Und es kostet Glaubwürdigkeit in ganz großem Stile. Dieser Autor hat schon vor Monaten nicht verstanden wie ein Präsident Obama so dumm oder falsch informiert sein konnte, dass er nicht verstanden hat, dass die Affäre mit Aussitzen nicht so einfach aus der Welt zu schaffen ist, zu extrem war das, was die NSA getrieben hat, zu schwach die Reaktion aus Washington. Statt sich zu entschuldigen und sich demütig in die Sünderecke zu stellen, wie es wohl angemessen wäre, hat es Obama vorgezogen sich zu rechtfertigen und noch gleichzeitig mit anzukündigen, dass man keinesfalls daran denke sein Verhalten in Zukunft zu ändern. Die großen amerikanischen IT Firmen, von Microschuft über Google, Apfel, Cisco bis zum Gesichtsbuch haben mit Schrecken ansehen müssen, wie ihr Geschäftsmodell massiv in Gefahr geriet, damit sich ein Präsident als starker Amerikaner geben konnte. Und in dieser Branche versucht man seitdem, mehr schlecht als recht, wenigstens einen Teil des Vertrauens zurückzugewinnen, das von Washington zertrampelt wurde.
Aber Obama wäre nicht Obama, wenn er Dummheit nicht noch mit Inkompetenz zu übertreffen suchen würde. Und da kommen wir zu den Haftbefehlen gegen chinesische Hacker. Das China mit seiner Geschichte des geistigen Eigentums nicht gerade großen Respekt vor der Privatsphäre oder dem geistigen Eigentum anderer Nationen hat, ist nicht unbedingt eine Überraschung. Insofern ist die Nachricht, dass es Industriespionage aus China gibt, nicht unbedingt viel mehr wert, als die Nachricht, dass nebenan der berühmte Sack Reis geplatzt ist. Was also treibt Obama an, gerade in dieser Situation die Eskalation zu suchen?
Die Antwort ist simpel: Innenpolitik. Denn außenpolitisch ist diese Eskalation, gerade zu diesem Zeitpunkt, einfach nur dumm. Gerade jetzt wo Russland aufgrund der Sanktionen verzweifelt nach China greifen muss, liefert Obama der chinesischen Staatsführung eine Motivation frei Haus. Ohne irgendetwas dabei zu gewinnen. Und ob die Vorwürfe in Europa überhaupt gehört werden, ist fraglich. So lange jeden Tag neue Snowden-Papiere kommen sind solche Vorwürfe wohl eher kontraproduktiv, denn sie riechen nicht nur ein bisschen streng nach doppelten Standards. Für sich selbst das Recht in Anspruch zu nehmen, selbst Verbündete auszuspionieren, während man gleichzeitig mokiert von einem Konkurrenten ausspioniert zu werden, versetzt einen nicht gerade in eine Opferrolle.
Die Frage ist, ob die Gewinne in der Innenpolitik, die Obama jetzt davon zieht, dass er sich als großer Amerikaner gibt, am Ende den hohen Preis wert sind, den man dafür bezahlt. 

Speziell auf Deutschland gemünzt denke ich, der größte Schaden an den deutsch-amerikanischen Beziehungen war ganz klar Goslar und dafür konnten die Amis nix. Aber direkt danach würde ich schon die NSA Affäre sehen. Und wenn die Amerikaner nicht langsam begreifen, was sie da fortwährend weiter tun, dann wird die ganze Geschichte Goslar irgendwann überrundet haben. 

Ich betrachte mich als überzeugten Transatlantiker, ich denke die positivsten Aspekte des 20. Jahrhunderts, und davon gibt es eine ganze Menge, sind sehr stark von den USA geprägt, im technologischen wie im politischen als auch im kulturellen. Ich denke die USA sind der natürlichste Verbündete für die Deutschen und es ist eine Schande, dass diese Beziehung, die vor 30 Jahren noch eine ganz andere war, so sehr gelitten hat. Es wäre an der Zeit diese Beziehung auf eine bessere Basis zu stellen. Mit umso mehr Sorge sehe ich die heutige Haltung der Amerikaner gegenüber ihren europäischen, nicht englischen, Alliierten. Und ich glaube nicht, dass die Welt eine bessere wird, wenn sich die USA von Europa abspalten. Ich habe Goslar sehr bedauert, aber ich meine auch Goslar konnte nur deshalb passieren, weil es die Amerikaner ihren Gegner zu einfach machen. Und wir werden ein zweites Goslar erleben und ein drittes, wenn die Amerikaner so weiter machen. Wir können uns die Spionage noch so sehr schönreden, relativieren und abstreiten, der Tropfen höhlt den Stein jeden Tag weiter. Wenn nicht irgendwann jemand das Wasser abstellt, wird der Stein irgendwann kaputt sein.

Llarian


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