Wenn ich das Unwort des Jahres wählen dürfte, wäre
Demokratieabgabe einer der heißesten Anwärter auf diesen nicht gerade begehrten
Preis. Die Entstehungsgeschichte des von mir mit Grauen zitierten Lexems ist hinlänglich bekannt. Festzuhalten bleibt hier lediglich, dass es von Jörg Schönenborn, dem
WDR-Chefredakteur Fernsehen und ARD-Hochrechnungsharuspex, auf die insoweit
unschuldige Republik losgelassen worden ist.
Jetzt projektiert das mit einer Beitrag genannten Steuer* finanzierte Nullmedium seinen nächsten üblen Streich, in dessen Anbetracht auch die FAZ kein Blatt vor den Mund nimmt: ARD und ZDF planen einen Jugendkanal. Diese Nachricht wäre wohl ein aussichtsreicher Kandidat für den kürzesten Witz des Jahres.
Oder wie es Michael Hanfeld von dem in der Bankenhauptstadt
ansässigen Tagesperiodikum formuliert:
Schlimmer noch: Vor mein geistiges Auge treten beim freien Assoziieren über diese aberwitzige Idee sozialpädagogisch angehauchte Post-68er-Figuren, die natürlich ganz genau zu wissen glauben, was bei Heranwachsenden derzeit en vogue ist. Man darf sich auf krampfig-bemühte Coolness und die zum Fremdschämen drängende Überzeichnung aller gängigen Adoleszenten-Klischees gefasst machen.Wenn wir tippen sollten, welches Programm Jugendliche garantiert nicht einschalten, dann wäre es ein Programm, auf dem das Etikett „Jugendkanal“ prangt. Das klingt nach „betreutem Fernsehen“.
Bei politischen Themen wird das Zahnspangenalterprogramm zweifellos zur Dauerwerbesendung für die Grünen veröden. Wer in dieser Behauptung ein konservativ-liberales Vorurteil argwöhnt, möge sich anschauen, was der Bayerische Rundfunk schon heute seinem jüngsten Publikum zumutet. Die Textstrecke namens „Atomkraftwerke – wie schaltet man sie ab?“ endet mit einer ganz und gar nicht suggestiven Frage:
Es scheint fast, als sei der Abbau eines Kraftwerks die längste und schwerste Aufgabe überhaupt. Wenn sich dafür aber Atomkatastrophen verhindern lassen und das Leben sicherer wird, könnte das doch schon Grund genug dafür sein, oder?
Zum Klimawandel beziehungsweise dessen Verhütung wird
auch noch gleich eine beim BUND Naturschutz entlehnte Handlungsanleitung gereicht, der zufolge man
den Hausmeister überreden [soll], in den Ferien das Heizen nur auf den Frostschutz zu beschränken[.]
Ich hoffe doch wirklich, dass in deutschen Bildungsanstalten
das Geld des Steuerzahlers nicht dahingehend verschwendet wird, die
Klassenräume während der Weihnachtsvakanz auf Wohnzimmertemperatur zu halten.
Und beim Thema Waffenrecht kennt die Neutralität unserer weiß-blauen Welterklärer keine Grenzen, sondern überschreitet diese mühelos:
Wenn Obama erreichen möchte, dass es in den USA strengere Waffengesetze gibt, muss er sich gegen die vielen Waffen-Fans und die mächtige Waffen-Lobby in seinem Land durchsetzen.
Auch ohne Kristallkugel und prophetische Gabe kann man
vorhersagen, dass in unserem Kinderinfo-Outlet ein Satz wie der folgende
niemals fallen würde: „Wenn Merkel erreichen möchte, dass in Deutschland Energie
wieder billiger wird, muss sie sich gegen die mächtige Ökostrom-Lobby in
unserem Land durchsetzen.“
Der FAZ-Artikel weist noch auf einen anderen Umstand hin, mit dem sich der Kreis schließt: Der neue Jugendkanal wird das Deckmäntelchen darstellen, hinter dem eine ohnehin gewünschte Erhöhung des Rundfunkzwangsentgelts ihre rohe Nacktheit verbergen kann. Ihr Auftritt, Herr Schönenborn.
*Diesbezüglich ist etwa der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg anderer
Ansicht; siehe hier auf Seite 5.
Noricus
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