Im Jahr 1755 geschah einem österreichischen Geheimagenten ein Mißgeschick. Mit gewohnter Sorgfalt hatte er den Brief des englischen Gesandten in Wien, Lord Keith, geöffnet, kopiert und dann mit voller Herstellung des Siegels wieder verschlossen. Aber leider hatte er aus Versehen seine Kopie mit in den Brief gelegt. Wahrscheinlich eine Folge von Überarbeitung - so kurz vor dem siebenjährigen Krieg lief die europäische Diplomatie auf Hochtouren und selbstverständlich ließ der Kaiserhof die komplette diplomatische Korrespondenz überwachen.
Keith beschwerte sich anschließend beim österreichischen Staatskanzler Kaunitz, schließlich waren England und Österreich Verbündete. Aber dieser antwortete nur: ""Was wollens, lieber Keith? Die Leit' sind halt noch ung'schickt. Es wird schon werden."
So ähnlich wird wohl auch Obama antworten, wenn Merkel wirklich so naiv sein sollte, sich bei ihm über die Abhörung ihrer Handy-Telephonate zu beschweren. Selbstverständlich überwacht der Geheimdienst einer Großmacht andere Regierungen. Auch befreundete - denn auch Freunde sind Konkurrenten mit teilweise sehr verschiedenen Interessen.
Aus US-Sicht wie damals aus österreichischer Sicht besteht das Problem nur darin, daß ihr Geheimdienst sich hat erwischen lassen. Wenn sogar ein Käseblatt wie der Spiegel über einzelne Aktionen berichtet, wird der für die Überwachung zuständige Mitarbeiter eine heftige Reaktion seines Vorgesetzten bekommen.
"Es wird halt schon werden" hoffte Kaunitz, und er behielt recht. Seine Nachfolger bauten den "Chiffredienst" deutlich aus, unter Metternich wurde er der beste und erfolgreichste Geheimdienst Europas. Diese Arbeit war auch ein Grund dafür, daß Österreich beim Wiener Kongreß so gute Verhandlungsergebnisse erzielen konnte. Alle anwesenden Monarchen und Botschafter - insbesondere die Verbündeten Österreichs - wurden genauestens observiert und ihre Korrespondenz überwacht.
In den Folgejahren sorgte Metternich dafür, daß vor allem die Postüberwachung perfektioniert wurde. Mit erheblichem diplomatischen Druck und finanziellem Aufwand sorgte er dafür, daß eine ganze Reihe von Staaten vor allem auf dem Balkan, in Deutschland und Italien und im Mittelmeerraum Postverträge mit Österreich abschlossen und ihre komplette Korrespondenz dem gut ausgebauten Postsystem der Habsburger anvertrauten.
Diese Post lief dann über zentrale Postämter, z. B. in geographisch gut gelegenen Orten wie Triest. Diese Postämter spielten eine ähnliche Rolle wie die großen Netzknoten bei der aktuellen Internet-Kommunikation. Und jedem dieser Postämter war ein "schwarzes Kabinett" des später "Evidenzbüro" genannten Geheimdienstes angegliedert, in der alle Briefe geöffnet, gegebenenfalls kopiert und wieder fachmännisch verschlossen wurden. Dies alles in größter Eile, denn die Attraktivität des Postdienstes mit seinen für damalige Zeiten guten Lieferzeiten sollte nicht beeinträchtigt werden.
Den europäischen Großmächten war natürlich bewußt, daß ihre Diplomaten bei der Benutzung dieses Dienstes vorsichtiger sein mußten als seinerzeit der naive Lord Keith. Ansonsten aber war der Umfang der österreichischen Postüberwachung ein gut gehütetes Geheimnis. Durch die günstige geographische Lage und die Vielsprachigkeit seiner Bewohner hatte Österreich in Geheimdienstdingen einen deutlichen Vorteil gegenüber den übrigen Großmächten und konnte damit teilweise seine militärische Unterlegenheit ausgleichen.
Die mit Österreich verbündeten Staaten, insbesondere die deutschen Kleinstaaten, waren auch sehr dankbar für Aktivitäten des Evidenzbüros. Denn dieses überwachte kritische Aktivitäten von Bürgern dieser Staaten deutlich effektiver als es den jeweiligen Regierungen möglich war. Bei der Unterdrückung demokratischer Bewegungen wurde von solcher Unterstützung unter Kollegen gerne Gebrauch gemacht.
Das dürfte dann auch der entscheidende Punkt bei der Beurteilung solcher Aktivitäten sein. Jeder Geheimdienst jeder Großmacht spioniert in fremden Ländern. Bevorzugt die dortigen Regierungsaktivitäten, aber auch die der Bürger, falls sie für die Interessen der jeweiligen Großmacht wichtig sind.
Eine Regierung muß das einkalkulieren und entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergreifen - es wäre absolut naiv darauf zu bauen, daß Spionage aus reiner Freundlichkeit nicht stattfinden würde.
Ob nun aber die Bürger eines Landes sich Sorgen über die fremde Spionage machen müssen, das hängt fast nur davon ab, wie ihre eigene Regierung mit den Ergebnissen dieser Spionage umgeht. Es wird nie der fremde Geheimdienst sein, der morgens vor der Tür steht und Verhaftungen vornimmt.
Keith beschwerte sich anschließend beim österreichischen Staatskanzler Kaunitz, schließlich waren England und Österreich Verbündete. Aber dieser antwortete nur: ""Was wollens, lieber Keith? Die Leit' sind halt noch ung'schickt. Es wird schon werden."
So ähnlich wird wohl auch Obama antworten, wenn Merkel wirklich so naiv sein sollte, sich bei ihm über die Abhörung ihrer Handy-Telephonate zu beschweren. Selbstverständlich überwacht der Geheimdienst einer Großmacht andere Regierungen. Auch befreundete - denn auch Freunde sind Konkurrenten mit teilweise sehr verschiedenen Interessen.
Aus US-Sicht wie damals aus österreichischer Sicht besteht das Problem nur darin, daß ihr Geheimdienst sich hat erwischen lassen. Wenn sogar ein Käseblatt wie der Spiegel über einzelne Aktionen berichtet, wird der für die Überwachung zuständige Mitarbeiter eine heftige Reaktion seines Vorgesetzten bekommen.
"Es wird halt schon werden" hoffte Kaunitz, und er behielt recht. Seine Nachfolger bauten den "Chiffredienst" deutlich aus, unter Metternich wurde er der beste und erfolgreichste Geheimdienst Europas. Diese Arbeit war auch ein Grund dafür, daß Österreich beim Wiener Kongreß so gute Verhandlungsergebnisse erzielen konnte. Alle anwesenden Monarchen und Botschafter - insbesondere die Verbündeten Österreichs - wurden genauestens observiert und ihre Korrespondenz überwacht.
In den Folgejahren sorgte Metternich dafür, daß vor allem die Postüberwachung perfektioniert wurde. Mit erheblichem diplomatischen Druck und finanziellem Aufwand sorgte er dafür, daß eine ganze Reihe von Staaten vor allem auf dem Balkan, in Deutschland und Italien und im Mittelmeerraum Postverträge mit Österreich abschlossen und ihre komplette Korrespondenz dem gut ausgebauten Postsystem der Habsburger anvertrauten.
Diese Post lief dann über zentrale Postämter, z. B. in geographisch gut gelegenen Orten wie Triest. Diese Postämter spielten eine ähnliche Rolle wie die großen Netzknoten bei der aktuellen Internet-Kommunikation. Und jedem dieser Postämter war ein "schwarzes Kabinett" des später "Evidenzbüro" genannten Geheimdienstes angegliedert, in der alle Briefe geöffnet, gegebenenfalls kopiert und wieder fachmännisch verschlossen wurden. Dies alles in größter Eile, denn die Attraktivität des Postdienstes mit seinen für damalige Zeiten guten Lieferzeiten sollte nicht beeinträchtigt werden.
Den europäischen Großmächten war natürlich bewußt, daß ihre Diplomaten bei der Benutzung dieses Dienstes vorsichtiger sein mußten als seinerzeit der naive Lord Keith. Ansonsten aber war der Umfang der österreichischen Postüberwachung ein gut gehütetes Geheimnis. Durch die günstige geographische Lage und die Vielsprachigkeit seiner Bewohner hatte Österreich in Geheimdienstdingen einen deutlichen Vorteil gegenüber den übrigen Großmächten und konnte damit teilweise seine militärische Unterlegenheit ausgleichen.
Die mit Österreich verbündeten Staaten, insbesondere die deutschen Kleinstaaten, waren auch sehr dankbar für Aktivitäten des Evidenzbüros. Denn dieses überwachte kritische Aktivitäten von Bürgern dieser Staaten deutlich effektiver als es den jeweiligen Regierungen möglich war. Bei der Unterdrückung demokratischer Bewegungen wurde von solcher Unterstützung unter Kollegen gerne Gebrauch gemacht.
Das dürfte dann auch der entscheidende Punkt bei der Beurteilung solcher Aktivitäten sein. Jeder Geheimdienst jeder Großmacht spioniert in fremden Ländern. Bevorzugt die dortigen Regierungsaktivitäten, aber auch die der Bürger, falls sie für die Interessen der jeweiligen Großmacht wichtig sind.
Eine Regierung muß das einkalkulieren und entsprechende Sicherungsmaßnahmen ergreifen - es wäre absolut naiv darauf zu bauen, daß Spionage aus reiner Freundlichkeit nicht stattfinden würde.
Ob nun aber die Bürger eines Landes sich Sorgen über die fremde Spionage machen müssen, das hängt fast nur davon ab, wie ihre eigene Regierung mit den Ergebnissen dieser Spionage umgeht. Es wird nie der fremde Geheimdienst sein, der morgens vor der Tür steht und Verhaftungen vornimmt.
R.A.
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