Konflikte reizen zur Stellungnahme. Je heftiger, je ernsthafter, je emotionaler ein Konflikt ist, umso mehr scheinen wir dazu zu neigen, das ganze Gewicht unserer Sympathie in eine der Waagschalen zu legen.
Das ist so beim Sport. Die meisten, auch ich, haben sich auch bei denjenigen WM-Spielen, an denen die Deutschen nicht beteiligt waren, eine Seite ausgesucht, mit der sie "mitfieberten". Sonst wäre das Spiel ja nur halb so spannend gewesen. Im Endspiel war ich zB für Frankreich; entschieden und entschlossen.
Das ist ebenso im täglichen Leben. Wenn in einer Gruppe - sagen wir, einer Schulklasse, einem Verein oder auch einem Internetforum - Streit ausbricht, dann sammeln sich alsbald Sympathisanten um die Streitenden. Um ihnen zuzusehen, in der Rolle des Publikums, das auch. Aber vor allem, um ihnen beizustehen. Am liebsten in Form von Fraktionen, die anfeuern und ausbuhen, deren Mitglieder sich allerdings ungern selbst den Fährnissen aussetzen, die mit solchen Konflikten einhergehen.
Dieses Verhalten scheint tief verwurzelt zu sein. Vielleicht gehört es zu unserem archaischen Erbe aus der Zeit, als man nur überleben konnte, wenn man sich der einen oder der anderen Horde, dem einen oder anderen Clan anschloß. Man mußte "Farbe bekennen", also die Kriegsfarben der betreffenden Gruppe übernehmen, die einen als zugehörig kennzeichnete. Schutz bot nur die Gemeinschaft; selbst der Starke war nicht am mächtigsten allein.
"In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod" heißt es in einem Gedicht des Barockdichters Friedrich von Logau, den Alexander Kluge im Titel eines Films von 1976 variierte. Das paßte zum damaligen Zeitgeist. Die siebziger Jahre - das war eine Zeit des Parteinehmens. "Bürger, laßt das Gaffen sein, kommt heraus und reiht euch ein" skandierte man bei Demonstrationen.
Das tat man, solange man friedlich durch die Straßen zog. Zunehmend wurde freilich versucht, den Bürgern das Parteinehmen mit härteren, mit gewissermaßen steinharten Mitteln einzubleuen. Und die Strategie der RAF schließlich war im Kern ein Versuch, unsere, der Bürger, Parteinahme mit dem Mittel des Ermordens von Menschen zu erzwingen: Die "Charaktermasken" des Kapitalismus sollten mittels "individuellen Terrors" so in Bedrängnis gebracht, so in Furcht versetzt werden, daß sie mit immer mehr Repression reagieren würden. Schließlich, so dachte man es sich, mit offenem Faschismus.
Und dann stünde die RAF bereit, um ihnen in einem blutigen Bürgerkrieg Widerpart zu leisten, unter dem Beifall und mittels der Unterstützung der "unterdrückten Massen". Der Massen, die man sozusagen in die politische Entscheidung hineingebombt hatte, in die Parteinahme. Das war die Idee. Das war die Strategie, die diese Leute ausgeheckt hatten, die die Menschen verachteten und für sich das Recht in Anspruch nahmen, über deren Leben und Gesundheit verfügen zu können.
Intellektuelle neigen eigentlich nicht zur Parteinahme. Wissenschaftler sind darin geübt, auch die andere Seite einer Sache zu untersuchen, Theorien skeptisch zu prüfen, ihre Meinung im Licht neuer Ergebnisse zu ändern. Künstler produzieren, wenn sie gute Künstler sind, etwas, das aspektenreich, oft in sich widerspruchsvoll ist. Nur schlechte Künstler "setzen" einfach eine "Idee" um. Nur schlechte Lehrer fragen ihre Schüler: Was wollte uns der Autor damit sagen?
Weil das so ist, müssen "engagierte Kunst" und "parteiliche Wissenschaft" von denjenigen, die sie wollen, ausdrücklich propagiert, oft mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden. Zu gewissen Zeiten, in gewissen Systemen hat man das versucht. Mit wenig Erfolg. Die großen Kunstwerke sind fast nie die engagierten, die parteilichen. Diese sind in der Regel zu eindimensional, um bedeutend sein zu können. Jedenfalls über ihre Zeit hinaus.
Bei den Werken Brechts kann man das daran sehen, daß sie heutzutage kaum noch einen kreativen Regisseur reizen. Shakespeare, auch Schiller, selbst Aristophanes kann man auf immer neue Weise interpretieren. Brecht nicht. Denn er begann ja mit der Interpretation und baute sozusagen ein Stück darum herum. Glänzend "auf seine Art". Aber eine andere Art läßt es eben nicht zu. Es ist parteilich, nicht nur im politischen, sondern auch im ästhetischen Sinn.
Dieser Beitrag wurde motiviert durch die aktuelle Situation im Nahen Osten.
Im Bruderzwist zwischen Arabern und Juden ist ein neuer Krieg ausgebrochen (sofern sich eine Grenze zwischen Noch-nicht-Krieg und Schon-Krieg überhaupt noch sinnvoll ziehen läßt; siehe hier). Und es scheint so zu sein wie beim Fußball: Die meisten in Deutschland, obwohl doch mit ihren eigenen Interessen gar nicht tangiert, beziehen Stellung, ergreifen Partei.
Die versierten Kommentatoren in den Medien lassen in der Regel nur durchblicken, auf welcher Seite sie stehen (die meisten nicht auf der Seite Israels). In den Kneipen, den Familien, auch in den Foren des Internet wird Klartext geredet: Man ist ganz überwiegend gegen Israel. Eine Minderheit ist prononciert für Israel. Tertium non datur, so scheint es.
Ich bin nicht gegen Israel, überhaupt nicht. Mir erscheint dieses antiimperialistische Gequatsche, dieses antisemitische Ressentiment, das sich als Empörung über die "Überreaktion" Israels tarnt, erbärmlich. Da findet wieder mal der Schulterschluß zwischen den ganz rechten und den ganz linken Stammtischen statt. Man ist vereint im Antiamerikanismus. Also ist man auch vereint im "Antizionismus". Also ist man auch vereint in der Stellungnahme zur jetzigen Situation: Die bösen Israelis killen massenhaft unschuldige Zivilisten, obwohl ihnen doch nur ein paar Soldaten abhanden gekommen waren.
Dieses Schlichtdenken wird genährt durch (und es nährt selbst wiederum) eine extremistische Presse, die hemmungslos parteilich ist; in der die Parteilichkeit zur Nachrichtenfälschung wird.
Aber ich kann auch nicht für diejenigen Partei ergreifen, die sich Israel an die Seite stellen.
Ich bin zwar emotional auf der Seite der Juden. Ich bewundere dieses Volk, das in Jahrtausenden eine Intelligenz, auch eine Weisheit hervorgebracht hat, die ihresgleichen suchen. Kurz, meine spontane Sympathie liegt bei Israel.
Aber für eine Parteinahme reicht das nicht. Es ist ja nicht zu leugnen, daß Israel lange Zeit eine expansionistische Politik betrieben hat, die auf die Einverleibung von "Judäa und Samaria", also der Westbank, gerichtet gewesen war. Es ist nicht zu leugnen, daß am Beginn dieses Staats die Tätigkeit von terroristischen Vereinigungen wie der "Gruppe Stern" und der Irgun stand; daß Führer dieser Terroristen, wie Itzak Schamir und Menahem Begin, statt für ihre Taten vor Gericht gestellt zu werden, zu geachteten Staatsmännern wurden. Nicht anders als der Mau-Mau-Terrorist Kenyatta, nicht anders als der Terrorist Ho-Tschi Minh.
Mir scheint, daß die Situation in Palästina ganz und gar verfahren ist. Die Chance einer Kooperation, die die Ressourcen Israels mit denen seiner Nachbarstaaten verbunden hätte, ist vertan. Sie ist hauptsächlich - siehe hier - deshalb vertan worden, weil die Araber in ihrer großen Mehrheit unfähig waren und sind, ihre eigene Unterentwicklung einzusehen und die Chance, die ein Frieden und eine Kooperation mit Israel ihnen für ihre dringend notwendige Modernisierung bieten würden.
Nun wird es vermutlich so weitergehen, wie es in solchen verfahrenen Situationen immer weitergeht. Die "Erbfeindschaft" wird von Generation zu Generation weitergegeben. Frieden wird es, fürchte ich, erst geben, wenn soviel Blut geflossen ist, daß man es einfach nicht mehr ertragen kann.
So war es zwischen den "Erbfeinden" Deutschland und Frankreich nach dem Zeiten Weltkrieg, dem der Erste Weltkrieg, der Krieg von 1870/71, die Napoléonischen Kriege vorausgegangen waren.
Rund einhundertfünfzig Jahre hat es in diesem Fall gedauert, bis man sich der "Erbfeindschaft" entledigte. Warum sollte es zwischen den Israelis und den Arabern schneller gehen?
Das ist so beim Sport. Die meisten, auch ich, haben sich auch bei denjenigen WM-Spielen, an denen die Deutschen nicht beteiligt waren, eine Seite ausgesucht, mit der sie "mitfieberten". Sonst wäre das Spiel ja nur halb so spannend gewesen. Im Endspiel war ich zB für Frankreich; entschieden und entschlossen.
Das ist ebenso im täglichen Leben. Wenn in einer Gruppe - sagen wir, einer Schulklasse, einem Verein oder auch einem Internetforum - Streit ausbricht, dann sammeln sich alsbald Sympathisanten um die Streitenden. Um ihnen zuzusehen, in der Rolle des Publikums, das auch. Aber vor allem, um ihnen beizustehen. Am liebsten in Form von Fraktionen, die anfeuern und ausbuhen, deren Mitglieder sich allerdings ungern selbst den Fährnissen aussetzen, die mit solchen Konflikten einhergehen.
Dieses Verhalten scheint tief verwurzelt zu sein. Vielleicht gehört es zu unserem archaischen Erbe aus der Zeit, als man nur überleben konnte, wenn man sich der einen oder der anderen Horde, dem einen oder anderen Clan anschloß. Man mußte "Farbe bekennen", also die Kriegsfarben der betreffenden Gruppe übernehmen, die einen als zugehörig kennzeichnete. Schutz bot nur die Gemeinschaft; selbst der Starke war nicht am mächtigsten allein.
"In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod" heißt es in einem Gedicht des Barockdichters Friedrich von Logau, den Alexander Kluge im Titel eines Films von 1976 variierte. Das paßte zum damaligen Zeitgeist. Die siebziger Jahre - das war eine Zeit des Parteinehmens. "Bürger, laßt das Gaffen sein, kommt heraus und reiht euch ein" skandierte man bei Demonstrationen.
Das tat man, solange man friedlich durch die Straßen zog. Zunehmend wurde freilich versucht, den Bürgern das Parteinehmen mit härteren, mit gewissermaßen steinharten Mitteln einzubleuen. Und die Strategie der RAF schließlich war im Kern ein Versuch, unsere, der Bürger, Parteinahme mit dem Mittel des Ermordens von Menschen zu erzwingen: Die "Charaktermasken" des Kapitalismus sollten mittels "individuellen Terrors" so in Bedrängnis gebracht, so in Furcht versetzt werden, daß sie mit immer mehr Repression reagieren würden. Schließlich, so dachte man es sich, mit offenem Faschismus.
Und dann stünde die RAF bereit, um ihnen in einem blutigen Bürgerkrieg Widerpart zu leisten, unter dem Beifall und mittels der Unterstützung der "unterdrückten Massen". Der Massen, die man sozusagen in die politische Entscheidung hineingebombt hatte, in die Parteinahme. Das war die Idee. Das war die Strategie, die diese Leute ausgeheckt hatten, die die Menschen verachteten und für sich das Recht in Anspruch nahmen, über deren Leben und Gesundheit verfügen zu können.
Intellektuelle neigen eigentlich nicht zur Parteinahme. Wissenschaftler sind darin geübt, auch die andere Seite einer Sache zu untersuchen, Theorien skeptisch zu prüfen, ihre Meinung im Licht neuer Ergebnisse zu ändern. Künstler produzieren, wenn sie gute Künstler sind, etwas, das aspektenreich, oft in sich widerspruchsvoll ist. Nur schlechte Künstler "setzen" einfach eine "Idee" um. Nur schlechte Lehrer fragen ihre Schüler: Was wollte uns der Autor damit sagen?
Weil das so ist, müssen "engagierte Kunst" und "parteiliche Wissenschaft" von denjenigen, die sie wollen, ausdrücklich propagiert, oft mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden. Zu gewissen Zeiten, in gewissen Systemen hat man das versucht. Mit wenig Erfolg. Die großen Kunstwerke sind fast nie die engagierten, die parteilichen. Diese sind in der Regel zu eindimensional, um bedeutend sein zu können. Jedenfalls über ihre Zeit hinaus.
Bei den Werken Brechts kann man das daran sehen, daß sie heutzutage kaum noch einen kreativen Regisseur reizen. Shakespeare, auch Schiller, selbst Aristophanes kann man auf immer neue Weise interpretieren. Brecht nicht. Denn er begann ja mit der Interpretation und baute sozusagen ein Stück darum herum. Glänzend "auf seine Art". Aber eine andere Art läßt es eben nicht zu. Es ist parteilich, nicht nur im politischen, sondern auch im ästhetischen Sinn.
Im Bruderzwist zwischen Arabern und Juden ist ein neuer Krieg ausgebrochen (sofern sich eine Grenze zwischen Noch-nicht-Krieg und Schon-Krieg überhaupt noch sinnvoll ziehen läßt; siehe hier). Und es scheint so zu sein wie beim Fußball: Die meisten in Deutschland, obwohl doch mit ihren eigenen Interessen gar nicht tangiert, beziehen Stellung, ergreifen Partei.
Ich bin nicht gegen Israel, überhaupt nicht. Mir erscheint dieses antiimperialistische Gequatsche, dieses antisemitische Ressentiment, das sich als Empörung über die "Überreaktion" Israels tarnt, erbärmlich. Da findet wieder mal der Schulterschluß zwischen den ganz rechten und den ganz linken Stammtischen statt. Man ist vereint im Antiamerikanismus. Also ist man auch vereint im "Antizionismus". Also ist man auch vereint in der Stellungnahme zur jetzigen Situation: Die bösen Israelis killen massenhaft unschuldige Zivilisten, obwohl ihnen doch nur ein paar Soldaten abhanden gekommen waren.
Dieses Schlichtdenken wird genährt durch (und es nährt selbst wiederum) eine extremistische Presse, die hemmungslos parteilich ist; in der die Parteilichkeit zur Nachrichtenfälschung wird.
Aber ich kann auch nicht für diejenigen Partei ergreifen, die sich Israel an die Seite stellen.
Ich bin zwar emotional auf der Seite der Juden. Ich bewundere dieses Volk, das in Jahrtausenden eine Intelligenz, auch eine Weisheit hervorgebracht hat, die ihresgleichen suchen. Kurz, meine spontane Sympathie liegt bei Israel.
Aber für eine Parteinahme reicht das nicht. Es ist ja nicht zu leugnen, daß Israel lange Zeit eine expansionistische Politik betrieben hat, die auf die Einverleibung von "Judäa und Samaria", also der Westbank, gerichtet gewesen war. Es ist nicht zu leugnen, daß am Beginn dieses Staats die Tätigkeit von terroristischen Vereinigungen wie der "Gruppe Stern" und der Irgun stand; daß Führer dieser Terroristen, wie Itzak Schamir und Menahem Begin, statt für ihre Taten vor Gericht gestellt zu werden, zu geachteten Staatsmännern wurden. Nicht anders als der Mau-Mau-Terrorist Kenyatta, nicht anders als der Terrorist Ho-Tschi Minh.
Mir scheint, daß die Situation in Palästina ganz und gar verfahren ist. Die Chance einer Kooperation, die die Ressourcen Israels mit denen seiner Nachbarstaaten verbunden hätte, ist vertan. Sie ist hauptsächlich - siehe hier - deshalb vertan worden, weil die Araber in ihrer großen Mehrheit unfähig waren und sind, ihre eigene Unterentwicklung einzusehen und die Chance, die ein Frieden und eine Kooperation mit Israel ihnen für ihre dringend notwendige Modernisierung bieten würden.
Nun wird es vermutlich so weitergehen, wie es in solchen verfahrenen Situationen immer weitergeht. Die "Erbfeindschaft" wird von Generation zu Generation weitergegeben. Frieden wird es, fürchte ich, erst geben, wenn soviel Blut geflossen ist, daß man es einfach nicht mehr ertragen kann.
So war es zwischen den "Erbfeinden" Deutschland und Frankreich nach dem Zeiten Weltkrieg, dem der Erste Weltkrieg, der Krieg von 1870/71, die Napoléonischen Kriege vorausgegangen waren.
Rund einhundertfünfzig Jahre hat es in diesem Fall gedauert, bis man sich der "Erbfeindschaft" entledigte. Warum sollte es zwischen den Israelis und den Arabern schneller gehen?