27. Juni 2006

Zettels Meckerecke
Die coolen Gladiatoren

Eine Mannschaft, sagt eine alte Fußballweisheit, spielt immer nur so gut, wie der Gegner es zuläßt.

Mir scheint, diese WM zeigt: Viele Mannschaften spielen auch nur so gut, wie der Gegner es erfordert.



Die Art, wie die Qualifikationen zur WM nach Konföderationen, also in gewissem Maß nach Proporz, entschieden werden, bringt es zwangsläufig mit sich, daß Mannschaften aufeinandertreffen, die "auf dem Papier" eine so unterschiedliche Stärke haben wie, sagen wir, Real Madrid und der DSC Wanne-Eickel.

Solche Spiele sind logischerweise selten spannend. Das erwartet sich der Zuschauer von ihnen auch nicht. Was er sich wünscht, das ist schöner Fußball.

Vom Underdog möchte er sehen, daß dieser alles aus sich herausholt, daß ihm vielleicht dadurch doch das eine oder andere Tor gelingt. Und vom haushoch Überlegenen wünscht er sich, daß er seine Kunst zeigt. Daß er "unbeschwert aufspielen" kann, weil er ja nach Menschenermessen nicht verlieren wird.

Kurz gesagt, man will, wenn die Pflicht nicht auf dem Favoristen lastet, ihn seine Kür spielen sehen.



So erfreulich diese WM bisher gewesen ist - in dieser Hinsicht war sie eine einzige Enttäuschung.

Schweden gegen Trinidad und Tobago null zu null. Niederlande gegen Serbien und Montenegro eins zu null. Brasilien gegen Kroatien eins zu null. Spanien gegen Saudi-Arabien eins zu null.

Und jetzt eben ein müdes Gekicke der Brasilianer gegen Ghana, auch wenn sie, mit Glück, standesgemäß gewonnen haben.



Wie kommt's, daß viele dieser Vorführungen der Stars mehr an eine Provinzbühne erinnern als ans Burgtheater?

Vielleicht liegt es an der Motivation der Protagonisten. Leute, die schon deshalb kaum "für ihr Land" spielen können, weil sie dieses kaum noch kennen. "Legionäre" werden sie seltsamerweise genannt; "Gladiatoren" wäre der richtigere Ausdruck. Leute, die zu ihrer Herkunftsnation ungefähr eine so enge emotionale Beziehung haben dürften wie ein Thraker, der zur römischen Kaiserzeit im Circus Maximus gegen einen Nubier kämpfte.

Das hat sein Gutes: Die Unterschiede schleifen sich ab. "Fußballzwerge" können, dank der Gladiatoren, auf internationaler Ebene mithalten.

Aber es hat halt auch seine Nachteile: Der individuelle Stil, die nationale Besonderheit, gehen allmählich verloren. Wir sehen heute nur noch wenig von den "ballverliebten", den "zaubernden" Brasilianern, den schnell nach vorn spielenden Holländern. Sondern wir sehen den coolen Zweckfußball, so wie er überall auf der Welt gespielt wird. Globalisiert.

Und eben auch "abgeklärt", was die erforderliche Torausbeute angeht. Der Gladiator rennt nicht voll begeisterter Kampfeslust gegen den Mitkämpfer an, wie vermutlich die Teutonen gegen die Römer in der Varusschlacht. Sondern er sucht seinen Vorteil, und begnügt sich auch mit ihm. So haben sie bisher gespielt, die Favoriten.



Bis auf die deutsche Nationalmannschaft. Die hat sich sogar gegen Costa Rica angestrengt, als stünde sie schon im Endspiel. Die spielt einen individuellen Stil.

Warum? Natürlich zum einen, weil sie einen Trainer mit einem ungewöhnlich klaren Konzept hat und der Charakterstärke, es durchzusetzen.

Zum anderen aber auch, weil so wenige internationale Gladiatoren in dieser Mannschaft stehen. Sie ist sozusagen provinziell, diese deutsche Elf. Und genau das könnte am Ende ihre Stärke sein.