20. Juni 2006

Allgemeine Gleichbehandlung

Gegen Ende der rotgrünen Regierung gab es das Vorhaben eines "Antidiskriminierungsgesetzes". Es sollte eine EU-Direktive nicht nur "umsetzen", sondern noch eins draufsetzen. Nein, nicht eins - es sollte draufsetzen, was sich nur draufsetzen ließ.

Diese "Direktive" (in diesem Fall bin ich für den Anglizismus; "Richtlinie" trifft nicht den verbindlichen Charakter dieser Anordnungen) ist in Brüssel, wie seinerzeit der "Spiegel" berichtete, von einigen grünen und linken AktivistInnen erarbeitet und durch die Gremien geschleust worden. Kaum irgendwo auf der Welt haben hartnäckige Minderheiten eine so große Chance, ihre Vorstellungen durchzusetzen, wie in Brüssel mit seinem Kompetenzwirrwarr und seinen ganz und gar unzureichenden Kontrollmechanismen.

Auf diesen bereits hinkenden und humpelnden Gaul "EU-Direktive" also wollten die Rotgrünen noch kräftig draufsatteln. Damals unter heftiger Kritik aus der CDU. Einen "Jobkiller" und ein "bürokratisches Monstrum"nannte Angela Merkel seinerzeit das Gesetzesvorhaben, dessen Realisierung nur am Untergang von Rotgrün scheiterte.



Nun also hat man den alten Wein in neue Schläuche umgefüllt. Aus dem "Antidiskriminierungsgesetz" wurde das "Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz" - weg mit den häßlichen Wörtern "anti" und "Diskriminierung".

Wer kann denn in einer Demokratie was gegen Allgemeine Gleichbehandlung haben?

Nun, wir alle sollten etwas dagegen haben. Einen Aufstand der Anständigen sollte es auslösen, dieses jobkillende bürokratische Monstrum.



Vestigia terrent. Nehmen wir das Beispiel der Universitäten.

Früher war es dort so: Wenn eine Professur zu besetzen war, trat eine Berufungskommission zusammen, die in strenger Vertraulichkeit und voller Freiheit ihre Arbeit tat, die Ergebnisse der einzelnen Sitzungen knapp protokollierte und dann der Fakultät einen Listenvorschlag vorlegte.

Das waren die Zeiten, in denen es noch keine "Allgemeine Gleichbehandlung" gab.

Wenn heute ein Professor zu berufen ist, dann ist zunächst einmal natürlich nicht ein Professor zu berufen, sondern ein(e) ProfessorIn. Unter strenger Beachtung der ... tja, der Allgemeinen Gleichbehandlung. Das bedeutet, je nach den in dem betreffenden Bundesland geltenden Gesetzen, Durchführungsbestimmungen, Verordnungen, Rundschreiben, Satzungen usw., die Einhaltung genauester Regularien - wieviele Frauen aus dem Kreis der BewerberInnen zu einem Vorstellungsauftritt ("Vorsingen") einzuladen sind, wann wie die Gleichstellungsbeauftragte einzuschalten ist usw. usw. Alles das ist genauestens zu protokollieren. Und jede Verstoß kann zum Scheitern des Berufungsverfahrens führen.

An einer deutschen Universität trug es sich vor ein paar Jahren zu, daß ein solches Verfahren vor dem Scheitern stand, weil genau eine Bewerberin zu wenig zum Vorsingen eingeladen worden war. Man hat dann eine schon aus dem engeren Kreis aussortierte Bewerberin wieder in diesen aufgenommen und ihr mitgeteilt, sie dürfe nun doch vorsingen, weil sonst die Frauenquote nicht erreicht werde. Diese Frau hatte Charakter genug, eine solche Zumutung entrüstet von sich zu weisen.



Jeder, der Universitäten von innen kennt, hat solche oder ähnliche Erfahrungen gemacht. In dem sehr schönen Buch "Der Campus" hat Dietrich Schwanitz dergleichen Erlebnisse verarbeitet.

Und nun also soll diese "Allgemeine Gleichbehandlung" in doppelter Hinsicht ausgedehnt werden - nicht nur Frauen sollen die Begünstigten sein, sondern auch nach ethnischer Herkunft, Rasse, Alter, Behinderung, sexueller Identität, Weltanschauung und Religion soll gleichbehandelt werden. Und zweitens soll das nicht nur im Öffentlichen Dienst, den Universitäten usw. gelten, sondern allüberall. Der alte Gesetzentwurf sah sogar vor, daß Mieter bei der Vergabe von Wohnungen zur Gleichbehandlung verpflichtet sein sollten; ob das im jetzigen Entwurf noch so ist, weiß ich nicht.



Unsere Gesellschaft soll also mit einem Netz von Einschränkungen überzogen werden, die es uns unmöglich machen werden, personelle Entscheidungen noch nach eigenem Ermessen zu treffen. Selbst Zeitungsredaktionen soll es - so steht es im "Spiegel" dieser Woche - verwehrt werden, ihre Redakteure (pardon, RedakteurInnen) nach eigenem Gusto einzustellen. Ein Bewerber, der Mitglied der PDS ist, dürfte also nicht allein deshalb von der "Welt" abgelehnt werden, weil er politisch nicht ins Blatt paßt. Die "Junge Welt" wäre verpflichtet, einen CSU-Mann als Ressortleiter einzustellen, falls dieser einem Gericht "glaubhaft" machen kann, daß er fachlich qualifizierter ist als die anderen Bewerber.



Was werden die absehbaren Folgen sein? Nun, auch da kann man sich an dem orientieren, was es - sozusagen in a nutshell - im Universitätsbereich eingetreten ist, seit dort Gleichstellung herrscht und deren Einhaltung von Gleichstellungsbeauftragten überwacht werden: Man fügt sich.

Wie Verwaltungsbeamte schon immer, fragen sich erfahrerene Kommissionsmitglieder heute nicht mehr, wie sie mit ihrer Arbeit das beste Resultat erreichen können, sondern wie sie sich am besten "absichern" können. Nur ja keine Verordnung übersehen, nur ja keine Quote nicht einhalten, nur ja vermeiden, daß ein Vorschlag von einem übergeordneten Gremium "zurückgegeben" wird, weil Vorschriften nicht eingehalten wurden. Wenn bürokratische Regelungen gelten, dann benehmen sich halt die Betroffenen wie Bürokraten.

Dieses Gesetz wird, dessen bin ich sicher, mehr zur Lähmung der deutschen Gesellschaft und der deutschen Wirtschaft, mehr zur Entwicklung in Richtung Sozialismus beitragen als alles, was die PDS bisher bewirkt hat. An die Stelle eines Wettbewerbs, der nach Qualifikation entschieden wird, wird in erheblichem Maß die Verteilung von Jobs und Wohnungen, von Kontrakten und Aufträgen nach dem Prinzip des Proporzes treten.



Wo bleibt der Aufschrei in der deutschen Öffentlichkeit?

Ist es die allgemeine Befassung mit dem Fußball, die es ermöglichen wird, daß dieses monströse Gesetz ohne größeren Widerstand Realität wird?

Ach nein, das glaube ich nicht. Gegen mehr Bürokratie hat man sich in Deutschland noch nie gewehrt. Der freie, selbstverantwortliche Bürger ist der Mehrheit der Deutschen immer verdächtig gewesen. Daß alle gleich sind, und daß der Staat dafür Sorge trägt, das auch durchzusetzen - das ist ein alter deutscher Traum, weit über den Kommunismus hinaus.

Grattez l'Allemand, et vous trouverez le bureaucrate.