23. Juni 2011

Kleines Klima-Kaleidoskop (21): Globale Erwärmung - ja. Aber nicht menschen- sondern sonnengemacht. Neue Belege für die Theorie von Svensmark

Daß die Theorie von der durch den Menschen verursachten globalen Erwärmung sich so massiv durchsetzen konnte, wie das in den vergangenen Jahren geschehen ist, geht auf verschiedene Faktoren zurück. Ich habe sie im April 2010 in einem dreiteiligen Artikel untersucht (Fünf Gründe für die Klima-Hysterie (Teil 1); ZR vom 6. 4. 2010; Teil 2; ZR vom 10. 4. 2010; Teil 3; ZR vom 14. 4. 2010).

Dazu gehören gesellschafts- und weltpolitische sowie ideologische Faktoren, die ich in diesen Artikeln beschrieben habe und auf die ich jetzt nicht eingehe; es gehören dazu aber auch zwei innerwissenschaftliche Aspekte:

Es hat erstens in der Tat eine globale Erwärmung gegeben, und zwar in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Seit der Jahrtausendwende hat sie sich nicht mehr fortgesetzt. Das kann eine Pause in der Erwärmung sein, ein dauerhaftes Plateau oder ein Wendepunkt zu einer Phase der Abkühlung; niemand kann das gegenwärtig sagen (siehe Es ist vorerst vorbei mit der globalen Erwärmung; ZR vom 17. 11. 2009, "Die Heldin von Cancún"; ZR vom 13. 12. 2010, sowie Ist die globale Temperatur im letzten Jahrzehnt gestiegen? ; ZR vom 8. 6. 2011).

Drei Jahrzehnte lang aber war eine globale Erwärmung gemessen worden; und dieser Anstieg verlangte nach einer Erklärung. Er war eine Herausforderung an die Theoretiker. Und da kam nun der zweite Aspekt hinzu: Just damals wurde eine Theorie verfügbar, die als einzige einen solchen Anstieg plausibel erklären konnte: Die Theorie von der menschengemachten globalen Erwärmung (anthropogenic climate change = ACC). Diese Theorie paßte zu der Erwärmung, die sich in den Daten zeigte, wie der Schlüssel ins Schloß. Sie wurde bald zu der gewissermaßen offiziellen Theorie des Weltklimarats (IPCC).

Es war nicht erstaunlich, daß diese Theorie auch unter seriösen Wissenschaftlern viele Anhänger gewann. Solange es keine alternative Erklärung gibt, tendiert jede Wissenschaft dazu, sich an diejenige Theorie zu halten, welche als einzige die Fakten erklären kann. Und das konnte und kann ACC, wenn auch nur mit vielen Annahmen beispielsweise über Verstärkungseffekte durch Regelkreise. (Über diese Annahmen, von denen keine hinreichend empirisch belegt ist, siehe zum Beispiel den Kommentar von Richard S. Lindzen, Professor für Atmosphärenwissenschaften am MIT).

Aus wissenschaftsgeschichtlicher Sicht ist also die Dominanz von ACC etwas Normales. Verwunderlich allerdings und gar nicht im Stil guter Wissenschaft ist die Art, wie Vertreter dieser herrschenden Theorie Kritiker abzubügeln pflegen (siehe zum Beispiel Umwelt-Bundesamt: Propaganda statt Wissenschaft; ZR vom 24. 3. 2007, Diskussionen über das Klima und das Klima von Diskussionen; ZR vom 4. 9. 2007, sowie Ist die globale Temperatur im letzten Jahrzehnt gestiegen?; ZR vom 8. 6. 2011).

Da wirken offensichtlich außerwissenschaftliche - ideologische, politische - Faktoren in die Wissenschaft hinein. Denn wie die Wissenschaftsgeschichte zeigt, muß eine herrschende Theorie keineswegs richtig sein. Gute Wissenschaftler rechnen immer mit dieser Möglichkeit und sind deshalb offen für Kritik und alternative Ansätze: ja geradezu begierig, sie zu untersuchen. Ein Musterbeispiel ist die Entstehung der modernen Physik in den beiden Jahrzehnten zwischen 1890 und 1910, in denen große Teile der damals herrschenden Annahmen - über die Natur des Lichts, über den Äther, über Atome, über Raum und Zeit, ja über die Kausalität - in Frage gestellt wurden.



Vertreter der unbewiesene Theorie vom ACC aber benahmen und benehmen sich so, als sei diese in Stein gemeißeltes Wissen; nicht eine Theorie, sondern unzweifelhafte Offenbarung. Dabei gab und gibt es genug angesehene Fachleute, die diese Theorie kritisieren.

Sie verweisen zur Erklärung der globalen Erwärmung auf Faktoren wie zum Beispiel die Sonnenaktivität (so der emeritierte Direktor des Instituts für Meteorologie der FU Berlin, Horst Malberg, in einem sehr lesenswerten Aufsatz). Aber sie legen, anders als die Vertreter von ACC, keine ausgearbeitete, empirisch gestützte Theorie vor. Ihre Kritik ist plausibel, aber das allein genügt nicht. In jeder empirischen Wissenschaft gelten exakte, möglichst mathematisch formulierte und durch Experimente gestütze Modelle mehr als allgemein gehaltene Aussagen. Das war bisher die Stärke der Klimamodelle, die auf der ACC-Theorie basieren.

Auch renommierte Kritiker wie Malberg, Lindzen, Judith Curry und Fred Singer konnten den Modellen des IPCC auf dieser Ebene wenig entgegensetzen. Eine im Grad der Ausarbeitung gleichrangige alternative Erklärung für die globale Erwärmung zwischen ungefähr 1970 und 2000 gab es lange nicht; nur begründete Kritik an ihr.

Inzwischen aber hat sich das geändert, und zwar nachgerade dramatisch geändert. Es gibt jetzt eine exakte, empirisch gestützte und quantitativ formulierte Theorie, die ganz ohne Rückgriff auf "den Menschen" erklärt, warum es in den letzten drei Jahrzehnten des Zwanzigsten Jahrhunderts global wärmer geworden war. Dieser Ansatz - "Kosmoklimatologie" - geht wesentlich auf den Kopenhagener Physiker Henrik Svensmark zurück. Diskutiert wird er bereits seit 1997; inzwischen aber liegen auch starke Belege vor, die ihn stützen. Gerade erst vor wenigen Wochen ist eine weitere wichtige einschlägige Arbeit erschienen.



Wie alle Klimawissenschaftler vor dem Aufkommen von ACC sucht Svensmark die Ursachen für Klimaschwankungen nicht beim Menschen, sondern bei natürlichen Faktoren. Traditionell werden diese teils auf der Erde lokalisiert (Vulkanismus, Variabilität von Meeresströmungen u.a.) und teils im All (galaktische Strahlen, Sonnenaktivität, Schwankungen der Erdbahn u.a.). Svensmark richtet sein Augenmerk besonders auf das Zusammenwirken von galaktischer Strahlung, Sonnenaktivität und Wolkenbildung.

Vor eineinhalb Jahren hat Michael Miersch in der "Welt" auf diese Theorie aufmerksam gemacht. Eine wissenschaftliche, aber auch für (naturwissenschaftlich interessierte) Laien verständliche Zusammenfassung hat Svensmark 2007 in der Zeitschrift Astronomy & Geophysics (A&G) vorgelegt; zusammen mit dem Wissenschaftsjournalisten Nigel Calder hat er sie außerdem in einem Buch beschrieben. Über die erwähnten neuen Belege informierte die Universität Aarhus in einer Pressemitteilung vom 6. 4. 2011. Der Artikel selbst ist im Mai in den Geophysical Research Letters erschienen. Ich stütze mich im Folgenden auf den Artikel von Svensmark in A&G.

Svensmark beginnt mit der Beobachtung, daß es einen Zusammenhang zwischen galaktischer kosmischer Strahlung und Wolkenbildung gibt.

Die sogenannte kosmische Strahlung (sie wird aus historischen Gründen so genannt, obwohl es sich nicht um elektromagnetische Wellen handelt) besteht aus Protonen, Elektronen und Atomkernen. Ein Teil rührt von der Sonne her; überwiegend kommen diese Partikel aber aus der Tiefe der Galaxis, und zwar als Reste von Sternen, die explodiert sind.

Diese galaktische kosmische Strahlung ist nicht konstant, sondern hängt vom Magnetfeld der Sonne ab, das seinerseits zyklischen Schwankungen unterliegt (sogenannter Sonnenwind). Durch den Sonnenwind wird die galaktische kosmische Strahlung verringert und in einem bestimmten Bereich ganz ausgefiltert.

Satellitendaten haben nun in den neunziger Jahren einen zunächst überraschenden empirischen Zusammenhang zutage gefördert: Diese durch die Sonnenaktivität bedingten Schwankungen in der galaktischen kosmischen Strahlung korrelieren mit der Wolkenbildung. Je stärker die Strahlung, umso mehr Wolken wurden registriert.

Für die Theorie der globalen Erwärmung ist das deswegen ein aufregender Befund, weil die Wolkenbildung kritisch für die Temperatur der Atmosphäre ist. Auch die Modelle des IPCC funktionieren nur, wenn man indirekte Auswirkungen von CO2 auf die Wolkenbildung annimmt.

Svensmarks Hypothese ist nun, daß kosmische Strahlung die Wolkenbildung dadurch beeinflußt, daß sie die Bildung von Aerosolen begünstigt. Aerosole sind kleine, in der Atmosphäre schwebende Partikel, die als Kondensationskerne für Luftfeuchtigkeit dienen und so an der Bildung von Wolken beteiligt sind.

In einer Reihe von Experimenten konnten Svensmark und seine Mitarbeiter nachweisen, daß es diesen Zusammenhang in der Tat gibt, und sie konnten inzwischen auch seinen Mechanismus aufklären: Die kosmische Strahlung setzt Elektronen frei, die als Katalysatoren bei der Bildung von Molekülen wirken, welche ihrerseits Bausteine für die Kristallisationskerne sind.

Die Experimente seiner Arbeitsgruppe waren aus methodischen Gründen kritisiert worden. Die bereits erwähnte aktuelle Arbeit aus der Universität Aahus konnte den - inzwischen so genannten - Svensmark-Effekt nun aber auch unter Bedingungen nachweisen, die dieser Kritik Rechnung trugen. Eine ausführliche Besprechung dieser Untersuchung finden Sie hier.

Wir haben also - so machen es die Daten aus der Arbeitsgruppe von Svensmark wahrscheinlich - die folgende Kausalkette: Kosmische galaktische Strahlen treffen die Erde. Je nach Stärke des Sonnenwinds, der zyklisch variiert, sind sie mehr oder weniger stark. Je stärker sie sind, umso mehr begünstigen sie die Bildung von Aerosolen, die ihrerseits die Wolkenbildung fördern. Das wiederum beeinflußt das Weltklima.



Bleibt die natürlich entscheidende Frage, ob damit die globale Erwärmung der letzten Jahrzehnte des Zwanzigsten Jahrhunderts erklärt werden kann. Svensmark beantwortet sie auf drei Ebenen.

Erstens zeigt er, daß es in der Tat einen engen Zusammenhang zwischen der Stärke der kosmischen galaktischen Strahlung und der Größe der Wolkendecke der Erde gibt. Man kann beide Kennwerte anhand bestimmter Daten historisch bis zum Jahr 1700 zurück rekonstruieren; und der Zusammenhang ist verblüffend eng. Falls Sie sich für Einzelheiten interessieren, sehen Sie bitte Abbildung 5 in dem genannten Artikel von 2007 an.

Zweitens belegt Svensmark, daß es eine ähnliche Korrelation auch zwischen der Stärke der kosmischen galaktischen Strahlung und der globalen Temperatur gibt; und zwar über einen großen Zeitraum von vielen Jahrmillionen hinweg. Die folgende Abbildung entspricht Abb. 8 in Svensmarks Artikel. Die rote Kurve zeigt die Temperatur der Atmosphäre, die schwarze die Stärke der kosmischen Strahlung (beides aufgrund von Daten und Annahmen rekonstruiert, die im Einzelnen zu erläutern zu weit führen würde; siehe den Artikel von Svensmark 2007):


Das ist natürlich eine ganz andere Zeitskala als diejenige, auf der sich die globale Erwärmung der letzten drei Jahrzehnt des Zwanzigsten Jahrzunderts abspielte. Aber auch hier sieht Svensmark - drittens - seine Theorie im Einklang mit den Daten: Über die vergangenen knapp dreißig Jahre gab es eine hohe Korrelation zwischen der Stärke der galaktischen Strahlung und der Größe der Wolkendecke (Abb. 3 in Svensmark 2007) sowie zwischen der galaktischen Strahlung und der globalen Temperatur (siehe die Abbildungen in Svensmark & Friis-Christensen, 2007).

Als besonders starken Beleg für seine Theorie sieht Svensmark es an, daß eine Erwärmung vor allem an den Polen gemessen wurde. Dort reflektiert nämlich die Eiskappe einen Teil der Sonnenwärme. Mehr Wolken vermindern diesen Effekt, führen also zur Erwärmung. Über dunkler Landmasse hingegen reflektieren tiefliegende Wolken die Sonnenstrahlung mehr als der Boden unter ihnen und können somit sogar abkühlend wirken.



Natürlich wird Svensmarks Theorie kontrovers diskutiert (siehe zum Beispiel hier). Es wäre verfehlt, anzunehmen, daß die Theorie der ACC nun "widerlegt" sei. Vielmehr herrscht jetzt die normale wissenschaftliche Situation, daß es zur Erklärung desselben Phänomens unterschiedliche, miteinander konkurrierende Theorien gibt.

Welche sich am Ende als die zutreffende erweist - oder ob, was immer eine wahrscheinliche Möglichkeit ist, beide bis zu einem gewissen Grade in gewissen Bereichen zutreffen -, kann allein die weitere Forschung zeigen.

Die beiden Theorien machen jedenfalls für die weitere Entwicklung des Klimas unterschiedliche Vorhersagen. Die ACC-Theorien sagt einen monotonen Anstieg der globalen Temperatur voraus, solange die CO2-Konzentration in der Atmosphäre weiter steigt (was sie bis heute unverdrossen tut). Svensmark sagt einen zyklischen Verlauf vorher, der mit der Aktivität der Sonne korreliert. Er hat deshalb im Augenblick die bessere Position; denn seit einem Jahrzehnt steigt ja die globale Temperatur nicht mehr an.

Wie auch immer sich die weitere Forschung entwickelt - ihre Monopolstellung hat die Theorie der ACC verloren. Jedenfalls, was die wissenschaftliche Seite angeht. Eine andere Frage ist, ob die politischen und ideologischen Einflüsse auf das IPCC eine unvoreingenommene wissenschaftliche Auseinander-setzung zulassen werden.

Schließlich könnte sich am Ende herausstellen, daß wir ruhig wieder Glühbirnen benutzen dürfen und daß die Welt nicht untergeht, auch wenn wir weiter mit dem Auto fahren statt mit dem Fahrrad, in den Urlaub fliegen, statt vor der Haustür zu wandern und unsere Häuser im Winter mollig beheizen, auch wenn sie nicht in Styropor verpackt sind.




Nachtrag: Am 28. August 2011 erschien zu diesem Thema ein Artikel von Rudolf Kipp im ScienceSkepticalBlog, in dem die Theorie von Svensmark und die sie stützenden Daten detailliert und sachkundig erläutert werden.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Links zu allen Folgen dieser Serie finden Sie hier. Titelvignette: Drei Bilder, die sich durch das Schütteln eines Kaleidoskops ergeben. Fotografiert und in die Public Domain gestellt von rnbc. Abbildung: Daten von Shaviv und Veizer (2003); Grafik vom Autor SpinningSpark unter Creative Commons ShareAlike 1.0-Lizenz freigegeben. Mit Dank an Thomas Pauli.