15. Juni 2011

Zettels Meckerecke: Der "Ausstieg" bedroht unsere Freiheit. Auch die Freiheit der Lehre

In jedem freiheitlichen Staat gibt es Gruppen und Grüppchen, die von ihrer eigenen Wahrheit so überzeugt sind, daß ihnen die Bereitschaft zur Toleranz abhanden gekommen ist. Extremisten also, Zeloten, Fanatiker.

Bis vor drei Monaten waren die radikalen, die aus einer tiefempfundenen Überzeugung heraus handelnden Gegner der friedlichen Nutzung der Atomenergie eine solche intolerante Minderheit. Manche blockierten beispielsweise Castor-Transporte. Die Gesetze interessierten sie nicht; es ging ihnen ja um das Überleben der Menschheit oder dergleichen.

Seit dem 11. März sind sie aber keine kleine extremistische Minderheit mehr, diese Zeloten. Das deutsche Volk hat sich in seiner Mehrheit, wenn auch in einem Zustand kollektiver Besoffenheit, auf ihre Seite geschlagen.



Wenn eine Gruppe erstens intolerant ist und ihr zweitens eine Macht zuwächst, wie man sie als Repräsentant der Mehrheit hat, dann ist die Zeit der Verfolgungen angebrochen. Dann gilt es, Andersdenkenden ihre Freiheit zu nehmen.

An der TU Darmstadt hat Dr.-Ing. Hartmut Lauer einen Lehrauftrag für das Fach Kernenergie. Er ist seit 2001 Leiter des Kernkraftwerks Biblis; also ein Fachmann für dieses Gebiet.

Die Ankündigung seiner Vorlesung im jetzt laufenden SS 2011 können Sie sich hier ansehen. Der Vorlesungsplan sieht vor:
  • Allgemeiner Überblick und Brennstoffversorgung

  • Kernphysikalische Grundlagen

  • Kettenreaktion, kontrollierte Kernspaltung, Reaktorkernauslegung

  • Kernreaktorentwicklung (ausgewählte Beispiele)

  • Aufbau, Funktion und Sicherheitskonzept am Beispiel eines Druckwasserreaktors (DWR)

  • Bestimmungsgemäßer Betrieb und Auslegungsstörfälle am Beispiel eines DWR

  • Unfälle in Kernkraftwerken (Windscale, Three Mile Island und Tschernobyl)

  • Auslegungsüberschreitende Störfälle, Notfallmaßnahmen, Sicherheitsüberprüfungen

  • Ausblick zur Weiterentwicklung von Reaktorgenerationen

  • Entsorgung von Kernkraftwerken, Endlagerkonzepte

  • Stilllegung eines Kernkraftwerks, Grundbegriffe des Strahlenschutzes, Meldeverordnung für Vorkommnisse
  • Das also, was Studenten des Maschinenbaus im Fachbereich 16 der TU Darmstadt als "Basiswissen" (so heißt es in der Ankündigung) über Kernenergie wissen sollten.

    Lesen Sie nun, was in der Epoche deutscher Besoffenheit der Allgemeine Studierendenausschuß (AStA) der TU Darmstadt in einem Aufruf vom 9. 5. 2011 mitteilte:
    An der TU Darmstadt findet im Sommersemester Freitags um 9.50 Uhr eine Vorlesung "pro Kernkraft" des Betriebsleiters des Atomkraftwerks Biblis statt. Diese Veranstaltung ist fester Bestandteil der Lehre und wird vor allem von Maschinenbaustudent*innen besucht. "Die vergangenen Vorlesungen und insbesondere die erste Veranstaltung des Sommersemester 2011 lassen keinen Zweifel daran, dass diese Veranstaltung an keiner ernsthaften kritischen Auseinandersetzung mit Kernkraft interessiert ist" Giulietta Bender (Referentin für Gleichstellung und Feminismus, AStA TU Darmstadt).

    Der AStA TU Darmstadt verurteilt diese Lobbyveranstaltung als Teil der Lehre an der TU Darmstadt und fordert den Dozierenden Lauer und den Vizepräsident Motzko auf, die Veranstaltung mit sofortiger Wirkung abzusetzen.
    Das ist keine Erklärung eines extremistischen Grüppchens, sondern des AStA der TU Darmstadt, welcher von deren Studenten gewählt wurde und der von ihnen aus ihren Semesterbeiträgen bezahlt wird.

    Der Stil, die Unverfrorenheit, die Anmaßung sind identisch mit dem, was Nazi-Studenten nach 1933 forderten: Wer nicht ihrer politischen Meinung ist, der darf nicht mehr lehren. Inhalte, die ihnen nicht gefallen, dürfen nicht mehr Gegenstand der akademischen Lehre sein.



    Die Nazis hatten 1933 maximal die Hälfte der Deutschen hinter sich. Diejenigen, die heute für den "Ausstieg" agitieren, stehen nach den Umfragen (siehe beispielsweise "Was dann?" - Aussteigernation Deutschland. Gebt Raum, ihr Völker, unsrem Schritt; TR vom 28. 5. 2011) auf der Seite einer überwältigenden Mehrheit der Deutschen.

    Allerdings nicht der Studierenden des Fachbereichs Maschinenbau an der TU Darmstadt. Zu deren Ehrenrettung ist mitzuteilen, daß die Fachschaft Maschinenbau den AStA auf das Grundgesetz aufmerksam gemacht hat:
    Nach Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes herrscht in Deutschland die Freiheit der Lehre, so lange sie sich auf dem Boden der Verfassung bewegt. (...) Weiterhin ist die Fachschaft Maschinenbau nach Durchsicht der Vorlesungsunterlagen der Meinung, dass die Vorlesung keineswegs ideologisch behaftet ist, sondern sich auf die technischen Aspekte der Kernenergie beschränkt und auch die Probleme und Gefahren im Zusammenhang mit dem Betrieb von Kernkraftwerken und der Endlagerung des Atommülls thematisiert.
    Wohl gesprochen. Aber leider Thema verfehlt. Denn die Eiferer, die im Namen der großen Mehrheit der Deutschen eifern, interessiert ja nicht die Freiheit der Lehre oder die Frage, ob jemand eine technische oder eine ideologische Vorlesung hält.

    Es geht ihnen darum, daß die Nukleartechnologie getilgt wird; gründlich und flächendeckend. Auch in der Form der Übermittlung von Wissen. Der nächste konsequente Schritt ist die Entzündung von Feuern. "Ich übergebe den Flammen die Werke ... ".
    Zettel



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