27. Juni 2011

Zettels Meckerecke: Deutschland im Solarwahn. Nebst einem Foto der ISS

Die kollektive Besoffenheit, in der sich Deutschland derzeit befindet, beinhaltet nicht nur eine wahnhafte Angst vor einer atomaren Katastrophe. Die zweite Abteilung des Wahns ist ein Vertrauen in die Sonne, wie man es bisher nur in Kulturen kannte, in denen sie als Gottheit hohe Verehrung genoß; der altägyptischen zum Beispiel oder derjenigen der Azteken.

Gestern erschien in der "Welt am Sonntag" ein Artikel von Daniel Wetzel mit dem trefflichen Titel: "Der große Solarschwindel". Wetzel meint "Schwindel" im Sinn eines Vorgaukelns. Aber ein Solarschwindel hat uns Deutsche offenkundig auch im Sinn eines Taumels erfaßt.

Ziemlich am Anfang des Artikels zitiert Wetzel eine aktuelle Umfrage unter einer repräsentativen Stichprobe von erwachsenen Deutschen:
Sonnenstrom ist die Wunschenergie Nummer eins für die Deutschen, das ergab in der vergangenen Woche eine Umfrage, die der Wirtschaftsverband führender Public-Relations-Agenturen in Deutschland (GPRA) mit den Marktforschern von TNS Emnid veröffentlichte.

Danach messen 99 Prozent der Befragten "der Sonnenenergie eine besonders hohe Wichtigkeit für die zukünftige Energieversorgung in Deutschland" bei. Die Sonne sei "aus Sicht der Verbraucher die wichtigste Energiequelle der Zukunft - noch vor Wasserkraft und Windkraft", heißt es im Ergebnis der Umfrage. (...) Angesichts der derzeit diskutierten Kürzungspläne für Solarsubventionen müssten "Politik und Energieversorger aufpassen, dass sie nicht alles Restvertrauen verspielen."
99 Prozent! Neunundneunzig Prozent der Deutschen messen laut dieser aktuellen Umfrage der Sonnenenergie eine besonders hohe Wichtigkeit für unsere künftige Energieversorgung zu. Wissen sie denn auch, was sie sich wünschen, diese 99 Prozent?

Sie wünschen sich die teuerste Form der Stromerzeugung, die derzeit zu haben ist. Wetzel:
Zudem stellt die Fotovoltaik die bei Weitem teuerste Art des Klimaschutzes dar. Wissenschaftler der Internationalen Energieagentur (IEA) oder des RWI haben errechnet, wie viel es kostet, den Ausstoß von jeweils einer Tonne des Treibhausgases Kohlendioxid aus einem fossilen Kraftwerkspark durch den Einsatz verschiedener Ökostrom-Techniken zu verhindern. Ergebnis: Die CO2-Vermeidungskosten der Fotovoltaik lagen zuletzt bei rekordverdächtigen 648 Euro je Tonne. (...)

Die Tatsache, dass an der Europäischen Strombörse in Leipzig Emissionsgutscheine für nur 16 Euro pro Tonne gehandelt werden, weist darauf hin, dass die Fotovoltaik als reines Klimaschutzinstrument ... rund 40-mal teurer ist als die günstigste derzeit verfügbare CO2-Vermeidungstechnik.
Sie wünschen sich, diese 99 Prozent einer repräsentativen Stichprobe der erwachsenen Deutschen, ein Deutschland, zugepflastert mit Solarpaneelen, an denen freilich ganz überwiegend nicht die deutsche Industrie verdienen wird, sondern die chinesische und diejenige anderer Länder Asiens.

Gerade noch 9,7 Prozent der Paneele, die in Deutschland montiert werden, stammen aus heimischer Produktion; Tendenz sinkend. Von den 20 weltweit größten Herstellern von Solarzellen sitzt noch ein einziger in Deutschland; auch das dürfte sich bald ändern. Es sei denn, daß wir uns dem chinesischen Lohnniveau annähern.

Sie meinen, "zugepflastert" sei eine Übertreibung? Dann sehen Sie sich bitte einmal dieses Foto an:


Sie sehen die Internationale Raumstation ISS, aufgenommen am 23. Mai 2010 von Bord der Raumfähre Atlantis. (Für eine vergrößerte Version bitte auf das Foto klicken).

Die ISS wird durch Solarzellen mit Energie versorgt. Das ist in der Erdumlaufbahn besonders günstig, weil die Station während 55 der 90 Minuten jedes Erdumlaufs dem Sonnenlicht ausgesetzt ist; ohne eine Filterung durch die Erdatmosphäre. Weiterhin werden die Paneele teilweise automatisch so gedreht, daß sie möglichst viel Lichtenergie aufnehmen können.

Wenn Sie sich das Bild genau anschauen, dann sehen Sie, daß die Station überwiegend aus diesen Solarpaneelen besteht. Nicht weniger als 26 "Sonnensegel" ragen in alle Richtungen. Die 16 großen allein haben zusammen eine Fläche von 16.000 Quadratmetern.

Das gibt Ihnen eine Vorstellung davon, welche Flächen von Solarzellen auch unter günstigsten Bedingungen erforderlich sind, um auch nur eine relativ bescheidene Leistung zu erzeugen; bei der ISS sind es 120 Kilowatt. Damit ließe sich gerade einmal ein kurzer Straßenzug einer deutschen Stadt (ungefähr 55 Wohnungen oder Einfamilienhäuser) mit Strom versorgen.



Was sonst noch alles die Bezeichnung "Solarschwindel" rechtfertigt, das steht im Detail in dem Artikel in der "Welt am Sonntag", den zu lesen ich Ihnen dringend empfehle.

Sie sind dann informiert darüber, was nicht nur mit dem "Ausstieg aus der Atomenergie" auf unser Land zukommt, sondern auch mit der Entscheidung, sie zu einem wesentlichen Anteil ausgerechnet durch Solarenergie zu ersetzen.

99 Prozent unserer Landsleute wissen es augenscheinlich nicht. Sie wissen vermutlich nicht, daß bei herkömmlichen Solarzellen drei Viertel bis 95 Prozent der Lichtenergie gar nicht in Strom umgewandelt werden können; so gering ist der Wirkungsgrad. Sie haben keine Vorstellung von den Kosten, von dem geringen positiven Effekt für die deutsche Wirtschaft, der mit ihrer "Wunschenergie Nummer eins" verbunden sein wird.

Sie denken sich vermutlich ein Deutschland, in dem Mutter Sonne uns etwas von ihrer schier unerschöpflichen Energie schenkt. Sie sind nicht nur Angsthasen, diese Deutschen des Jahres 2011, die sich vor dem atomaren GAU graulen wie die Kinder vor dem Schwarzen Mann. Sie sind auch unwissende - und an Wissen augenscheinlich auch gar nicht interessierte - Tagträumer.
Zettel



© Zettel. Für Kommentare bitte hier klicken. Die Abbildung ist als Werk der NASA in der Public Domain. Mit Dank an Reiner aus dem Saarland.