5. Juni 2011

Die Bitcoin-Blase

Nicht erst seit der Euro-Krise steht das staatlich organisierte Zentralbankensystem in der Kritik. Es ist für die Stabilität einer Währung hochproblematisch, wenn nach politischen Vorgaben große Mengen neues Geld erzeugt und z. B. für die Begleichung von Staatsschulden verwendet werden. Das Beispiel der Hyperinflation in der Weimarer Republik ist gerade in Deutschland immer noch präsent. Und auch bei der US-Immobilienkrise wird ein großer Teil der Verantwortung bei der lockeren Geldpolitik gesehen.

Dazu kommt ein Unbehagen an zu viel staatlicher Kontrolle, festgemacht an Beispielen wie der geplanten Internetzensur von der Leyens oder der Sperrung von Konten, um Wikileaks nach der Veröffentlichung von US-Regierungs-Interna finanziell auszutrocknen.

Vor diesem Hintergrund stießen die ersten Informationen über die neue "Internet-Währung" Bitcoin auf großes Interesse. Insbesondere da "Spiegel-Online" in gewohnt unseriöser Berichterstattung ordentlich übertrieben hatte:
Ein gefährliches Projekt, das Regierungen stürzen und die Weltwirtschaft destabilisieren könnte.
Mit einem Open-Source-Projekt Regierungen zu stürzen - das traf den Nerv vieler Internet-Fans.
Und noch schöner: Mit einer bemerkenswert hysterischen Reaktion ließ sich ein bis dato unbekannter Verband zitieren. Und warf der neuen Währung unter anderem vor, genau das zu verhindern, was den Zentralbank-Kritikern ohnehin zutiefst suspekt ist:
... weil durch die automatische Steuerung der Geldmenge durch Algorithmen keine Konjunkturpolitik funktioniert. Bei kriselnden Währungen können Staaten sonst die Notenpresse anwerfen und frisches Geld in den Kreislauf pumpen.
Bei Bitcoin kann dagegen keine Notenpresse angeworfen werden. Die Gesamtmenge aller jemals weltweit nutzbaren Währungseinheiten ist limitiert, und sorgfältig ausgeklügelte kryptographische Verfahren sichern ab, daß niemand zusätzliches Geld erzeugen kann.

So weit, so gut. Überhaupt ist das Projekt ein Traum für jeden Nerd. Ein geniales Grundkonzept, von einer engagierten Gruppe Freiwilliger umgesetzt, mit den modernsten technischen Mitteln. Und noch schöner: Die ursprüngliche Gelderzeugung geschieht durch heftigen Einsatz von Rechenleistung. Es sind also in erster Linie die Nerds, die durch Einsatz ihrer meist leistungsstarken Rechner Geld erzeugen können und das dann in einer Art Schneeballsystem an die normalen Bürger weiterreichen. Mit erheblichem Profit - falls die Normalbürger mitspielen.

Denn wie es sich für ein echtes Nerd-Projekt gehört, sind die Bitcoins für die Anforderungen des praktischen Alltags ziemlich ungeeignet.
Es mag sich ja zuerst ganz toll anhören, daß alle Zahlungen völlig anonym erfolgen und nicht nachvollzogen werden können. Damit ist staatliche Überwachung nicht mehr möglich. So kann also der brave Bürger seine CDs oder Bücher im Internet bestellen, oder einen Auftrag abrechnen - und weder Schäuble noch das Finanzamt können das kontrollieren. Daß natürlich auch Kriminelle diese Möglichkeiten gerne nutzen werden, scheint die Bitcoin-Macher nicht zu stören.

Das Problem ist nur: Nicht nur Schäuble ist damit ausgetrickst. Sondern auch die ehrlichen Benutzer, sobald sie an einen unehrlichen Partner geraten. Oder einfach nur einen Tippfehler machen. Denn keiner kann beweisen, daß er Geld geschickt hat. Kein Empfänger weiß, woher die Zahlungen auf sein Konto kommen. Und wenn der Buchhalter "versehentlich" die Millionenüberweisung seiner Firma zum falschen Empfänger-Schlüssel geschickt hat - dann weiß keiner, wo das Geld ist (vielleicht beim Privatkonto des Buchhalters?) und es gibt auch keine Möglichkeit, die Zahlung zu stornieren.
Es dürfte den Normalbürger auch nicht beruhigen, daß bei einem Festplattencrash alle Ersparnisse verloren sind. Jedenfalls wenn man den in Privathaushalten üblichen Zustand der Datensicherung berücksichtigt.

All dies läßt fraglich erscheinen, ob die Bitcoins jemals außerhalb einer Nische von Internet-Begeisterten eine Rolle spielen können.



Viel gravierender finde ich aber das Konzept der künstlich gedeckelten Geldmenge. Bisher ist schon ein Drittel der möglichen Zahlungseinheiten erzeugt. In dieser Zeit (acht Monate) ist der "Wert" der Bitcoins schon auf das hundertfache gestiegen. Wobei man bei einer künstlichen Währung natürlich nur begrenzt von Wert sprechen kann, aber es ist bisher ausreichend Nachfrage da, um solche Effekte zu erzeugen. Und sollte Bitcoin nicht ein völliger Flop werden, dann wird diese Entwicklung weitergehen, denn natürlich sollten viel mehr als nur die dreifache Anzahl der jetzigen Nutzer erreicht werden, damit man überhaupt von einer gewissen Relevanz sprechen kann.

Zum Konzept von Bitcoin gehört also eine ständige starke Deflation. Nicht im Sinne der Geldmenge, die bleibt ja irgendwann konstant, sondern im Sinne ständigen Preisverfalls. Für die Bitcoin-Anhänger ist das ein großer Vorteil des Konzepts, denn Deflation ist ihrer Meinung nach gut, weil es den Wert von Geldanlagen schont bzw. sogar vermehrt.
Wir erinnern uns: Diese Vermehrung kommt natürlich in erster Linie denen zugute, die die Geldeinheiten in ihrem Rechner zuerst erzeugen.

Nun ist aber Deflation für die Brauchbarkeit eines Zahlungsmittels genauso falsch und nachteilig wie Inflation. Nur die Begünstigten sind andere: Bei der Deflation profitieren die Geldbesitzer, bei der Inflation die Schuldner.
Sinn eines Zahlungsmittels ist aber nicht die Vermögensumverteilung. Das ideale Zahlungsmittel bliebe völlig stabil, d.h. die Geldmenge steigt und fällt exakt analog zur Nachfrage. Eine solche ideale Stabilität kann es natürlich nicht geben - alleine weil schon die realen mit dem Zahlungsmittel bewerteten Preise und Löhne ständig gegeneinander schwanken.

Aber wenn schon die völlige Stabilität nicht erreicht werden kann, so sollte die Inflation bzw. Deflation möglichst gering und vor allem kurz- und mittelfristig halbwegs planbar sein. Dann können nämlich alle Beteiligten damit umgehen, sich darauf einstellen. Die übliche Methode ist dabei der Kreditzins: Bei wenigen Prozent erwarteter Inflation wird er höher, bei etwas Deflation niedriger sein. Damit ist dann die Begünstigung von Kreditnehmer bzw. Gläubiger ausgeglichen.

Eine Hyperdeflation wie bei Bitcoin läßt sich dagegen nicht vernünftig ausgleichen, für die Finanzplanung einer Firma oder eines Privatmanns ist diese Währung so unbrauchbar wie eine Staatswährung mit Hyperinflation. Speziell Kreditaufnahme wird zum Harakiri.

Es wird also einen kurzen Hype geben um die Bitcoins, einige Liebhaber werden sich wohl noch in Jahren gegenseitig damit bezahlen, in kleinen, zuverlässigen Gemeinschaften. Für die breite Öffentlichkeit wird das Projekt aber auch ohne das eigentlich angebrachte staatliche Verbot keine Rolle spielen.
R.A.



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