1. Juli 2020

Wenn die Polizei nicht mehr kommt. Ein schöner Gruß nach Berlin.

In der gemeinen deutschen Presse eher unter ferner liefen, aber in den USA vergleichsweise viel diskutiert ist die "Capitol Hill Autonomous Zone" (kurz "Chaz"), ein Gebiet von einigen Straßenblöcken im Herzen von Seattle, dass sich vor knapp drei Wochen für "unabhängig" erklärt hat. Na ja, was man heute so nennt: Genaugenommen hat eine Gruppe von BLM (Black Lives Matter) Aktivisten, unterstützt von der lokalen (oder zugereisten) Antifa derart randaliert, dass die Seattler Polizei ein Revier aufgeben musste (um zu "deeskalieren"), was dann prompt besetzt wurde. Inzwischen kontrollieren die "Aktivisten" (allmählich gehen mit die Anführungszeichen aus) das Gebiet mit Waffen, die Polizei fährt nicht hinein und es gibt Checkpoints, an denen sichergestellt wird, dass auch kein Polizist etwa das böse "rassitische" Recht durchsetzen kann.

Nun, die Besetzung dauerte wohl nur fünf Stunden (um die genauen Minuten sollen sich Geschichtsschreiber Gedanken machen) bis sich der erste Warlord erhob und das Kommando übernahm (und das bis heute ausübt). Mit Waffen. Natürlich. Recht, zumindest amerikanisches Recht, wird dort seit drei Wochen nicht mehr umgesetzt. Und letzte Woche gab es den ersten Toten. Der Mann wurde wohl niedergeschossen und ist anschließend verblutet. Über 30 Minuten. Weil kein Sanitäter bereit war die Zone ohne Polizeischutz zu betreten, was aber der Warlord wiederum nicht zulassen wollte. Irgendwann war der Mann dann tot. Schuld trägt, so der Warlord, die Polizei. Natürlich.

Ich neige eher zu der Behauptung dass die Polizei, im Unterschied zu ganz unterschiedlichen Gruppen, am allerwenigsten Verantwortung für das Geschehene trifft. Schuld sind meines Erachtens nach:
- In erster Linie natürlich der Schütze 
- Ebenso aber auch der Warlord, der von den Sanitätern verlangte(!) ihr Leben zu riskieren, weil er selber eine gefährliche Situation verantwortet, die diese Gefahr erst hervorbringt.
- Ebenso auch die diversen Aktivisten der "Chaz" die so stolz darauf sind, dass keine Polizei mehr da ist, um die Menschen zu schützen. 
- Die Bürgermeistern von Seattle, Jenny Durkan, ihres Zeichens Demokratin, wie auch ihr Parteikollege Jay Inslee, wiederum Gouverneur des Staates Washington, die beide die "Zone" nun schon fast drei Wochen haben gewähren lassen.
- Und -man höre und staune- an dieser Stelle auch Donald Trump, der ebenso, auch wenn er massiv dagegen wettert, die ganze Geschichte auch nicht Gewalt beendete, sondern das ganze nur auf die beiden Vorgenannten schiebt.

Jetzt würde vielleicht der eine oder andere sagen: Was willst Du denn machen? Das Militär schicken und einen Bürgerkrieg entfachen? Simpel gesagt: Ja. Die Idee der Staates basiert nicht zuletzt auf dem Landfrieden, der Bürger muss sich darauf verlassen können, dass der Staat ihn so gut es geht beschützt. Dazu gehört auch die Polizei rufen zu können und auch, dass die Polizei dann auch kommt. Wenn der Staat das nicht mehr tut, dann bricht er seinen Vertrag. Der Staat kann und darf nicht zulassen, dass ein rechtsfreier Raum entsteht. Es sei denn wir reden von echter Sezession, aber die wäre dann mit Sicherheit auch erst einmal zu regeln. Es kann aber nicht hingehen, dass eine Gruppe von mehr oder minder gewaltbereiten Aktivisten einen Teil des Staatsgebietes okkupiert und die Bewohner dieser Gebietes diesen dann ausgeliefert sind.

Warum schreibe ich das Ganze überhaupt? Es ist absehbar, dass die Chaz in sich zusammenkracht wie ein Kartenhaus im Herbstwind. Weil die Idee der Aktivisten dahinter durchaus auch in Deutschland populär ist und erstaunlich verbreitet ist. So ist es mehr und mehr ein linkes Mantra, dass man die Polizei irgendwie abschaffen müsste und dann wird sich ebenso irgendwie was ganz dolles von alleine entwickeln. Es sind also nicht die Verbrechen, die eine Polizei nötig machen, die Verbrechen entstehen sozusagen nur, weil eine Polizei da ist. Also simple Logik: Keine Polizei, keine Verbrechen. Ich habe diese Argumentation das erste mal vor einigen Jahren in einer Talkshow gesehen in der Nena Kerner zu Gast war (ja, die "Nena"). Sie trug eben genau das vor, dass man Gefängnisse unbedingt abschaffen müsse, weil das so eine "negative Energie" sei. Damals dachte ich nur: "Okay, die hat einfach einen an der Klatsche". Aber diese Klatsche ist verbreitet. In Berlin wird sie gerade Gesetz. So hat der Rot-Dunkelrot-Grüne Senat jüngst beschlossen, dass wenn ein Fall von Diskriminierung durch die Polizei behauptet wird, nicht der Diskriminierte beweisen muss, dass es so ist, sondern der Polizist beweisen muss, dass er nicht diskriminiert hat. Also seine Unschuld beweisen muss. Die Rechnung kam auf dem Fuße: Der Innenminister, Horst Seehofer, hat direkt verkündet, dass er keine Bundespolizei mehr nach Berlin schicken könne, wenn seine Beamten sich entsprechend unter Generalverdacht stellen müssen. Es ist absehrbar, dass andere Bundesländer mit ihren Einsatzhundertschaften, die schon einmal im Bedarfsfall hin und her geschoben werden, ähnlich vorgehen werden. Über kurz oder lang wird Berlin ziemlich alleine stehen.

Aber es passt. In das selbe Horn hat ja auch vor einigen Tagen die TAZ getutet, als die für ihre rassistischen Ausfälle bekannte Kolumnistx Hengameh Yaghoobifarah gerade erst verkündete die Polizei gehöre auf den Müll (mit der inzwischen üblichen linken nachgeschobenen Veralberung es wäre natürlich Satire, ja nee, ist klar). Man muss als Polizist schon ein ziemlich dickes Fell haben um das alles zu ignorieren.

Nun sind Polizisten in Deutschland, allen Unkenrufen zum Trotz, nicht unbedingt schlecht gestellt (im Unterschied zu ihren amerikanischen Kollegen). Sie sind Beamte auf Lebenszeit, genießen damit Vorteile eines sicheren Jobs, festen Einkommens, privater Versicherung und einer massiv höheren Berentung (sprich Pension) im Vergleich zur normalen Bevölkerung. Und gerade letzteres dürfte wohl auch der Grund sein, warum die Beamten ihren Job immer noch ausführen und eben nicht hinwerfen und sich was anderes suchen. Ein Wechsel aus einer Beamtenkarriere in die Privatwirtschaft ist schwierig (und damit am Ende furchtbar teuer). Aber Demotivation wirkt ja auch anders: Krankschreibungen, Dienst nach Vorschrift und vor allem Probleme noch geeigneten Nachwuchs zu finden. Und irgendwann kommt man in die Situation (böse Zungen würden sagen: Man ist schon lange da), dass nicht mehr genügend Polizisten vorhanden sind, um noch zum Einsatz zu fahren. Nun wäre es eine lustige Vorstellung wenn bei einex (das x ist kein Typo)  Hengameh Yaghoobifarah erst einmal kein Polizist käme, wenn der Notruf gewählt würde oder eine Renate Künast (ersatzweise Esken, Hofreiter oder Baerbock) verzweifelt am Telefon hinge, weil in ihrem Vorgarten gerade irgendwelche Dunkelmänner oder Dunkelfrauen ihr Unwesen treiben würden. Nur, bei aller Schadenfreude einer solchen Vorstellung, für die Republik wäre das wohl eine Katastrophe. Was ist, wenn wirklich keine Polizei mehr kommt? 

Man muss sich bewusst machen, dass die Legitimation staatlicher Gewalt nicht zuletzt aus dem Landfrieden resultiert, bzw. umgekehrt der Landfrieden erst das staatliche Gewaltmonopol legitimiert. Wenn der Staat den Landfrieden nicht aufrecht erhalten kann, hat er keine Legitimation mehr für ein Gewaltmonopol. Und das sowohl im theoretischen wie auch ganz praktischen. Die Folge ist Lynchjustiz, bzw. schlichtes Faustrecht. Das ist es am Ende was die Polizei-Abschaffer am Ende erreichen. Das pure Recht des Stärkeren. Genau das was im Kleinen in der Chaz derzeit vorgeführt wird. 

Vielleicht könnte ein absurder Vorschlag weiter helfen: Die lieben Aktivisten wollen ja, dass die Polizei kein Geld mehr erhält. Ich will das nicht, ich finde sogar, es sollte noch mehr Polizisten geben. Und wir leben im Zeitalter der Digitalisierung. Wäre es nicht einfach, wenn jeder so viel an die Polizei zahlen müsste, wie er für richtig hält und die Polizei, wenn sie denn gerufen wird, erst einmal die Leute bevorzugt, die vernünftig zahlen? Klar, das hätte was von Schutzgeld, aber genau das ist es ja auch: Wir bezahlen die Polizei, damit sie uns schützt. Wer keinen Schutz bezahlen will, der sollte sich dann auch nicht beschweren, wenn er nicht geschützt wird.

PS. Das hätte den lustigen wie unterhaltsamen Nebeneffekt dass der angebliche Polizistensohn Böhmermann an einem inneren Widerspruch erkranken dürfte: "Ich hab Polizei" geht mit Antifa nicht mehr so zusammen. Vielleicht versucht er es dann mit "Ich hab Antifa.". Oder so.

Llarian

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