Ach ja, die "Spiegel"-Kolumnen. Soll man sie nun ignorieren? oder doch eher diskutieren? Lohnt sich der Widerspruch überhaupt, zumal der Leser von Zettels Raum, zumindest in meiner Vorstellung, die meist verquast-krausen Gedanken eines Jakob Augstein oder neuerdings auch einer Margarete Stokowski, ohnehin einzuordnen weiß, in vielen Fällen vermutlich präziser als ich? Andererseits: Schweigen ist in der Vergangenheit viel zu oft als Zustimmung fehlinterpretiert worden; gewissermaßen fußt die Politik Angela Merkels auf als Zustimmung interpretiertes Schweigen, und dessen sollte man sich dann wohl doch nicht schuldig machen...nun denn, sei´s drum. Ein kurzer Blick in die aktuelle Kolumne des "Kritikers", Georg Diez.
Sein Punkt diese Woche ist, daß die gegenwärtigen Erfolge sowohl von Donald Trump bei den US-Vorwahlen als auch der AfD in Deutschland nicht Ausdruck einer kurzfristig-aktuellen Veränderung von Wählerverhalten im Kontext der politischen Situation in diesen beiden Ländern ist, sondern Ausdruck eines Wähleranteils, der sich durch eine "autoritäre Persönlichkeitsstruktur" auszeichne.
Dabei bezieht er sich auf die Studie eines amerikanischen Promovenden der Politikwissenschaften namens Mathew MacWilliams. Der hat Menschen einen selbst konstruierten Fragebogen zur Erfassung von "Autoritarismus" gegeben und und anschließend die Korrelation mit der Zustimmung zu Trumps politischen Aussagen erfaßt. Was er festgestellt hat, war ebenso naheliegend wie trivial: Wenn man die Zustimmung zu Aussagen erfaßt, die so auch von Donald Trump kommen könnten, dann findet man bei manchen Menschen hohe Zustimmung zu ebendiesen Aussagen (und zu Donald Trump).
Sein Punkt diese Woche ist, daß die gegenwärtigen Erfolge sowohl von Donald Trump bei den US-Vorwahlen als auch der AfD in Deutschland nicht Ausdruck einer kurzfristig-aktuellen Veränderung von Wählerverhalten im Kontext der politischen Situation in diesen beiden Ländern ist, sondern Ausdruck eines Wähleranteils, der sich durch eine "autoritäre Persönlichkeitsstruktur" auszeichne.
Dabei bezieht er sich auf die Studie eines amerikanischen Promovenden der Politikwissenschaften namens Mathew MacWilliams. Der hat Menschen einen selbst konstruierten Fragebogen zur Erfassung von "Autoritarismus" gegeben und und anschließend die Korrelation mit der Zustimmung zu Trumps politischen Aussagen erfaßt. Was er festgestellt hat, war ebenso naheliegend wie trivial: Wenn man die Zustimmung zu Aussagen erfaßt, die so auch von Donald Trump kommen könnten, dann findet man bei manchen Menschen hohe Zustimmung zu ebendiesen Aussagen (und zu Donald Trump).
Ausgesprochen zweifelhaft wird es nun bei der Interpretation der Fragebogenstudie, die Diez 1:1 übernimmt. Postuliert wird ein "autoritärer Charaktertypus", im Sinne einer überdauernden Eigenschaft, die einen Anteil der Wählerschaft kennzeichne. Diese autoritären Charaktertypen warteten gleichsam nur auf trigger, also Auslösereize, die dazu führten, daß sich diese latente Eigenschaft zu manifestieren beginne. Solche trigger seien etwa Verunsicherungen durch unübersichtliche politische Situationen.
Wie man überdauernde Verhaltenseigenschaften (in der Persönlichkeitsforschung spricht man von traits) mit nur einem einzigen Meßzeitpunkt erfassen will, bleibt das Geheimnis des Autors. So schwierig die Erfassung langfristiger, wenig volatiler Eigenschaften und Einstellungen ohnehin ist: sie kann, gleichsam per definitionem nur im zeitlichen Längsschnitt gemessen werden, d. h. wenn die Probanden nach einem längeren (in der Regel mehrjährigen) Zeitraum weitgehend die gleichen Antworten geben wie zum ersten Befragungszeitpunkt. Eine andere, ebenfalls zeitraubende Möglichkeit besteht darin, über mehrere Meßzeitpunkte solche Fragen zu extrahieren, die sich als besonders änderungsresistent erwiesen haben und daraus einen neuen Fragebogen zu konstruieren und anhand neuer, möglichst repräsentativer Stichproben zu "eichen". Aber auch deren Validität dürfte in Zeiten erheblicher politischer Veränderungen leiden und an Aussagekraft verlieren.
Endgültig küchenpsychologisch wird es dann bei der völlig unbelegten Spekulation, daß es sich hierbei um eine frühe kindliche Prägung durch ebenfalls autoritäres Erziehungsverhalten seitens der Eltern handele. Wie man dies einer einmaligen Erhebung mittels Fragebogen entnehmen will, behalten die Autoren wiederum für sich. Eine echte Zauberstudie, für die der "Kritiker" sich hier begeistert.
Daß die Attraktivität, die gegenwärtig die AfD oder auch ein Donald Trump in ihren jeweiligen Ländern für viele offensichtlich haben, z. B. etwas mit den offenkundigen Ähnlichkeiten im Regierungsstil von Merkel und Obama haben und daß die Wähler tatsächlich auf deren Politik reagieren könnten, scheint für Diez eine völlig absurde Vorstellung zu sein, der er psychoanalytisch anmutende Deutungen der Wählerkindheit vorzieht.
Merkel wie Obama, über weite Strecken eher durch zaudernde und zögerliche Politik gekennzeichnet, die zuweilen jedoch in unübersehbar autoritärem (sic!) Duktus in der Bevölkerung hoch umstrittene innenpolitische Projekte durchdrücken, gepaart mit z. T. krachenden außenpolitischen Mißerfolgen und einem eklatantem Mangel an umsichtiger Regierungsarbeit und Staatskunst sowie einem ausgesprochen naiven außenpolitischen Menschenbild, sind ungleiche Geschwister im politischen Geiste. Daß diese beiden einer politischen Polarisierung (einschließlich erhöhter Zustimmungsraten zu "autoritären" Positionen) in ihren Ländern Vorschub geleistet haben könnten, die nun von AfD und Trump lediglich abgeerntet werden (und somit selbstverständlich reversibel sind), das kommt Herrn Diez offensichtlich nicht in den Sinn. Zu vordergründig, zu oberflächlich sind ihm vermutlich solche Deutungen, dem tiefgründigen Kritiker mit psychoanalytischer Ambition.
Aber natürlich paßt eine Interpretation von Fragebogendaten, wie Diez sie in seinem Text vornimmt, perfekt zum linken spin, daß Nazis, zumindest deren Nachwuchspotential, gleichsam als Schläfer massenhaft unter uns weilen und daß sie, na was wohl, bekämpft werden müssen, wofür er sich am Schluß seiner Kolumne selbstverständlich ausspricht. Bloß keine inhaltliche Auseinandersetzung, bloß nicht die Vorstellung eines mündig entscheidenden politischen Bürgers; bloß keine Differenzierung wo es politisch nicht opportun erscheint.
Taucht hier etwa eine autoritäre Ader des Herrn Diez auf? Jedenfalls wirkt das ganze schließlich so, als wolle er Eltern zu einem antiautoritären Erziehungsstil verpflichten -unter Androhung von Prügelstrafe.
Wie man überdauernde Verhaltenseigenschaften (in der Persönlichkeitsforschung spricht man von traits) mit nur einem einzigen Meßzeitpunkt erfassen will, bleibt das Geheimnis des Autors. So schwierig die Erfassung langfristiger, wenig volatiler Eigenschaften und Einstellungen ohnehin ist: sie kann, gleichsam per definitionem nur im zeitlichen Längsschnitt gemessen werden, d. h. wenn die Probanden nach einem längeren (in der Regel mehrjährigen) Zeitraum weitgehend die gleichen Antworten geben wie zum ersten Befragungszeitpunkt. Eine andere, ebenfalls zeitraubende Möglichkeit besteht darin, über mehrere Meßzeitpunkte solche Fragen zu extrahieren, die sich als besonders änderungsresistent erwiesen haben und daraus einen neuen Fragebogen zu konstruieren und anhand neuer, möglichst repräsentativer Stichproben zu "eichen". Aber auch deren Validität dürfte in Zeiten erheblicher politischer Veränderungen leiden und an Aussagekraft verlieren.
Endgültig küchenpsychologisch wird es dann bei der völlig unbelegten Spekulation, daß es sich hierbei um eine frühe kindliche Prägung durch ebenfalls autoritäres Erziehungsverhalten seitens der Eltern handele. Wie man dies einer einmaligen Erhebung mittels Fragebogen entnehmen will, behalten die Autoren wiederum für sich. Eine echte Zauberstudie, für die der "Kritiker" sich hier begeistert.
Daß die Attraktivität, die gegenwärtig die AfD oder auch ein Donald Trump in ihren jeweiligen Ländern für viele offensichtlich haben, z. B. etwas mit den offenkundigen Ähnlichkeiten im Regierungsstil von Merkel und Obama haben und daß die Wähler tatsächlich auf deren Politik reagieren könnten, scheint für Diez eine völlig absurde Vorstellung zu sein, der er psychoanalytisch anmutende Deutungen der Wählerkindheit vorzieht.
Merkel wie Obama, über weite Strecken eher durch zaudernde und zögerliche Politik gekennzeichnet, die zuweilen jedoch in unübersehbar autoritärem (sic!) Duktus in der Bevölkerung hoch umstrittene innenpolitische Projekte durchdrücken, gepaart mit z. T. krachenden außenpolitischen Mißerfolgen und einem eklatantem Mangel an umsichtiger Regierungsarbeit und Staatskunst sowie einem ausgesprochen naiven außenpolitischen Menschenbild, sind ungleiche Geschwister im politischen Geiste. Daß diese beiden einer politischen Polarisierung (einschließlich erhöhter Zustimmungsraten zu "autoritären" Positionen) in ihren Ländern Vorschub geleistet haben könnten, die nun von AfD und Trump lediglich abgeerntet werden (und somit selbstverständlich reversibel sind), das kommt Herrn Diez offensichtlich nicht in den Sinn. Zu vordergründig, zu oberflächlich sind ihm vermutlich solche Deutungen, dem tiefgründigen Kritiker mit psychoanalytischer Ambition.
Aber natürlich paßt eine Interpretation von Fragebogendaten, wie Diez sie in seinem Text vornimmt, perfekt zum linken spin, daß Nazis, zumindest deren Nachwuchspotential, gleichsam als Schläfer massenhaft unter uns weilen und daß sie, na was wohl, bekämpft werden müssen, wofür er sich am Schluß seiner Kolumne selbstverständlich ausspricht. Bloß keine inhaltliche Auseinandersetzung, bloß nicht die Vorstellung eines mündig entscheidenden politischen Bürgers; bloß keine Differenzierung wo es politisch nicht opportun erscheint.
Taucht hier etwa eine autoritäre Ader des Herrn Diez auf? Jedenfalls wirkt das ganze schließlich so, als wolle er Eltern zu einem antiautoritären Erziehungsstil verpflichten -unter Androhung von Prügelstrafe.
Andreas Döding
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