Zettels Meckerecke
Angeführt
Der "Spiegel" dieser Woche hat auf Seite 131 eine Geschichte über den Reaktor-Störfall in Schweden. Die beiden Autoren sind Philip Bethge von der Wissenschaftsredaktion und Sebastian Knauer, ein altgedienter Reporter, der bekannt wurde, als er, damals beim "Stern", den toten Uwe Barschel aufgefunden und fotografiert hatte.
Ich will diesen Störfall und die Reaktion darauf hier nicht kommentieren; mein Kommentar dazu ist in Zettels kleinem Zimmer zu lesen. Hier möchte ich auf einen sprachlichen Aspekt der "Spiegel"-Story aufmerksam machen, nämlich die Art, wie Äußerungen zu diesem Vorfall angeführt werden.
In dem Artikel werden, fair genug, ebenso Äußerungen zitiert, die den Störfall als bedrohlich betrachten, wie auch andere, die ihn als nicht schwerwiegend einstufen. Hier ist eine vollständige Liste dieser wörtlichen Zitat in dem Artikel; erst diejenigen von Warnern, dann Stimmen, die den Vorfall für nicht schwerwiegend halten:
Acht wörtlichen Äußerungen von Warnern stehen drei gegenüber, die den Vorfall als nicht sicherheitsbedrohlich einstufen. Nun gut, es mag sein, daß die Warner sich in der Tat häufiger und eindringlicher geäußert haben, und daß die Spiegel-Story das widerspiegelt.
Aber von einem "Widerspiegeln" kann eben keine Rede sein, was die, sagen wir, sprachliche Einkleidung der wörtlichen Zitate angeht.
Die Art, wie die Äußerungen von Warnern und Kritikern angeführt werden, ist durchweg neutral oder zustimmend: "sprach", "stufte ein", "sagte", "heißt es", "kommt zu dem Fazit". Die Stellungnahmen von denjenigen, die den Vorfall als nicht bedrohlich einstufen, werden dagegen so angeführt: "wiegelte ab"; "Lobby-Verein (...) gab Entwarnung"; "beteuerte".
So erzeugt man, indem man scheinbar berichtet, beim Leser Einstellungen und Meinungen oder verstärkt schon vorhandene. Man kann das in der deutschen Presse sehr oft finden; es ist keineswegs eine Besonderheit des "Spiegel".
Ganz anders als, beispielsweise, in der seriösen US-Presse. Diese verwendet, wenn wörtlich zitiert wird, nachgerade monoton das "said" oder "wrote"; ähnlich wie die französische das "a déclaré".
Hier findet man den aktuellen Bericht der "New York Times" über den Störfall. Auch da habe ich die Stellen herausgesucht, die wörtliche oder indirekte Zitate enthalten und dieses monotone "said" hervorgehoben:
Also, mal wieder ein Anlaß für mein Ceterum Censeo: Amerika, du hast es besser!
Angeführt
Der "Spiegel" dieser Woche hat auf Seite 131 eine Geschichte über den Reaktor-Störfall in Schweden. Die beiden Autoren sind Philip Bethge von der Wissenschaftsredaktion und Sebastian Knauer, ein altgedienter Reporter, der bekannt wurde, als er, damals beim "Stern", den toten Uwe Barschel aufgefunden und fotografiert hatte.
Ich will diesen Störfall und die Reaktion darauf hier nicht kommentieren; mein Kommentar dazu ist in Zettels kleinem Zimmer zu lesen. Hier möchte ich auf einen sprachlichen Aspekt der "Spiegel"-Story aufmerksam machen, nämlich die Art, wie Äußerungen zu diesem Vorfall angeführt werden.
In dem Artikel werden, fair genug, ebenso Äußerungen zitiert, die den Störfall als bedrohlich betrachten, wie auch andere, die ihn als nicht schwerwiegend einstufen. Hier ist eine vollständige Liste dieser wörtlichen Zitat in dem Artikel; erst diejenigen von Warnern, dann Stimmen, die den Vorfall für nicht schwerwiegend halten:
Von "Geisterbetrieb" sprach Greenpeace Das Bundesumweltministerium stufte den Vorfall als "sicherheitstechnisch ernstes Ereignis" ein Der schwedische Nuklearexperte ... drückte es drastischer aus: "Es war reiner Zufall, daß es zu keiner Kernschmelze kam" "Wenn die anderen beiden Einheiten auch versagt hätten, wäre es zu einem totalen Stromausfall gekommen", heißt es in einem Bericht der schwedischen Nuklearbehörde "Die Steuerung von Atomkraftwerken kann jederzeit ... zum Super-GAU führen" warnte Henrik Paulitz "Die Schwachstelle von Kernkraftwerken ist ihre Komplexität", sagt Michael Sailer, Nuklear-Experte vom Öko-Insitut Darmstadt "Wenn irgendwann wieder ein wirklich schwerer Unfall passiert, liegt es wahrscheinlich an Störungen wie diesen", sagte Sailer Schon ein Bericht, den die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit 1992, kommt ... zu dem Fazit: "Eine Wiederholung des Vorkommnisses läßt sich nicht ausschließen". Vattenfell-Sprecher Ivo Banek ... wiegelte ab: "Wir haben keinen Anlaß, an der Sicherheit unserer Anlagen zu zweifeln." Das deutsche Atomforum, ein Lobbyverein der Atomwirtschaft, gab Entwarnung: "Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine Übertragbarkeit des Vorfalls" "Die Gefahr eines Unfalls bestand zu keinem Zeitpunkt", beteuerte Anders Markgren von der Betreibergesellschaft
Acht wörtlichen Äußerungen von Warnern stehen drei gegenüber, die den Vorfall als nicht sicherheitsbedrohlich einstufen. Nun gut, es mag sein, daß die Warner sich in der Tat häufiger und eindringlicher geäußert haben, und daß die Spiegel-Story das widerspiegelt.
Aber von einem "Widerspiegeln" kann eben keine Rede sein, was die, sagen wir, sprachliche Einkleidung der wörtlichen Zitate angeht.
Die Art, wie die Äußerungen von Warnern und Kritikern angeführt werden, ist durchweg neutral oder zustimmend: "sprach", "stufte ein", "sagte", "heißt es", "kommt zu dem Fazit". Die Stellungnahmen von denjenigen, die den Vorfall als nicht bedrohlich einstufen, werden dagegen so angeführt: "wiegelte ab"; "Lobby-Verein (...) gab Entwarnung"; "beteuerte".
So erzeugt man, indem man scheinbar berichtet, beim Leser Einstellungen und Meinungen oder verstärkt schon vorhandene. Man kann das in der deutschen Presse sehr oft finden; es ist keineswegs eine Besonderheit des "Spiegel".
Ganz anders als, beispielsweise, in der seriösen US-Presse. Diese verwendet, wenn wörtlich zitiert wird, nachgerade monoton das "said" oder "wrote"; ähnlich wie die französische das "a déclaré".
Hier findet man den aktuellen Bericht der "New York Times" über den Störfall. Auch da habe ich die Stellen herausgesucht, die wörtliche oder indirekte Zitate enthalten und dieses monotone "said" hervorgehoben:
August 5, 2006
Shutdown of 4 Reactors in Sweden Stirs Debate on Atomic Power
By IVAR EKMAN, International Herald Tribune"It's a bit like a lottery," said Lars-Olov Hoglund, an engineer who was involved with the construction of the Forsmark plant in the 1980's, and now works as a consultant in the nuclear industry. Although two generators kicked in, he said, it could have been one, or zero. Mr. Hoglund said he rated the episode as nearly as serious as the 1986 nuclear explosion and fire at the Chernobyl plant in Ukraine and the 1979 partial meltdown at the Three Mile Island plant in the United States. Claes-Inge Andersson, head of communications at Forsmarks Kraftgrupp, which runs the plant, said the risk for a meltdown had been "nonexistent". Still, both he and a spokesman at the Swedish Nuclear Power Inspectorate said they rated the event as "serious."
Also, mal wieder ein Anlaß für mein Ceterum Censeo: Amerika, du hast es besser!