25. Juni 2006

Randbemerkung: Es gibt noch Richter in Berlin!

Die Deutsche Presse-Agentur hat im Augenblick eine Meldung, die man zB in der Mitteldeutschen Zeitung lesen kann.

Danach hat die Berliner Justiz einen gefährlichen Sexualverbrecher auf freien Fuß gesetzt. Der Täter hatte im März dieses Jahres eine siebenjährige Haftstrafe ordnungsgemäß abgesessen; insgesamt war er 22 seiner 56 Lebensjahre hinter Gittern gewesen. Zu seiner letzten Strafe war er wegen des sexuellen Mißbrauchs von 13 Jungen verurteilt worden. Es war aber keine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet worden.

Inzwischen - seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2004 - kann eine Sicherungsverwahrung auch noch nachträglich, also später als die Verurteilung selbst, verhängt werden. Aber nur, wenn sich während der Haftzeit neue Erkenntnisse über den Täter ergeben, die dem verurteilenden Gericht noch nicht bekannt gewesen waren, und die eine Sicherungsverwahrung begründen.

Im jetzigen Fall hat die Staatsanwaltschaft das bejaht, weil inzwischen aus dem Verhalten des Täters hervorgehe, daß er gar keine Therapie gewollt habe. Wegen seiner damals "vorgegaukelten" Therapiewilligkeit sei damals keine Sicherungsverwahrung angeordnet worden.



Das Berliner Landgericht hat jetzt also angeordnet, den Täter auf freien Fuß zu setzen.

Zwar sei, so führte die Vorsitzende Richterin Gabriele Eschenhagen aus, der Täter ein "nach wie vor sehr gefährlichen Mann", ein klassischer Fall für die Sicherungsverwahrung. Aber das hätte auch schon das damals verurteilende Gericht erkennen müssen. Schon seit 1978 habe der Täter mit seiner Therapiewilligkeit gespielt.

Wenn das aber schon damals bekanntgewesen sei, dann gäbe es eben keine neuen Erkenntnisse, die die Anordnung einer Sicherungsverwahrung rechtfertigen würden.

Also wurde der Täter auf freien Fuß gesetzt.



Kommentar: Das dürfte ein gefundenes Fressen für das "gesunde Volksempfinden" sein. Ich würde mich nicht wundern, wenn die Entscheidung des Gerichts in der Boulevardpresse mit "Empörung" und "Unverständnis" kommentiert werden würde.

Dabei hat, soweit das zu erkennen ist, das Berliner Landgericht streng nach Recht und Gesetz entschieden.

Es gibt noch Richter in Berlin!