29. Juni 2023

Es muss rückgängig gemacht werden

Am Sonntag war es noch ein Witz: Nach der Wahl des ersten Landrates der AfD in dem beschaulichen Kreis Sonneberg in Thüringen, veralberten die Satiriker noch die die letzte große Wahl in Thüringen, die dann per Kanzleretten-Dekret rückgängig gemacht wurde. Ein bis dato wohl ziemlich einmaliger Vorgang, der vermutlich, auch wenn es dem politischen Mainstream nicht so ganz passt, wenigstens ein Sprach-Meme in der deutschen Sprache hinterlassen hat, welches das Unwohlsein vieler davon ausdrückt, dass das Merkel per Federstrich ganze Regierungen beenden konnte und das keinerlei negativen Folgen für sie hatte. 

Doch seit Deutschland sich dazu entschlossen hat politisches Kabarett zur Realität zu erklären (also so gut seit 20 Jahren) sollte man sich mit Witzen wohl doch eher zurück halten, denn wieder wurde ein zuvor recht müder Witz zur bitteren Realität. Die SPD bläst zum Halali auf den Kandidaten der AfD, den sie ernsthaft einem "Demokratie-Check" unterziehen möchte und tatsächlich einen Gummiparagraphen dafür im Kommunalwahlgesetz Thüringens gefunden hat, der ihr das scheinbar erlaubt. Dort wird verlangt, dass ein Landrat nicht gewählt werden kann, wenn er nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die FDGO im Sinne des Grundgesetzes und der Landesverfassung einzutreten. Eine interessante Hürde, an der vermutlich dreiviertel der Bundesregierung wiederholt scheitern würde und die uns allen zumindest die letzten acht Jahre mit der Heimsuchung aus der Uckermark erspart hätte.

18. Juni 2023

Wenn der Ofen ausgeht: Anmerkungen zu Stahl aus Wasserstoff



Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Wer sich ein bischen in der (deutschen) Stahlindustrie auskennt, der weiß das Stahlerzeugung aus Wasserstoff derzeit der "heisse Scheiss" schlechthin ist. Die Presse will es, die Regierung will, selbst die Anlagenbauer wollen es und so müssen es am Ende auch die Betreiber "wollen". Aber das hat so seine Tücken und es zeigt exemplarisch (mal wieder) was die Energiewende in der Praxis bedeutet und was die Kugel Eis am Ende kostet.

16. Juni 2023

Kein UFO





(Bruce Pennington, Titelbild für Kingsley Amis, "New Maps of Hell," New English Library, 1969)

Oh, it came out of the sky, landed just a little south of Moline.
Jody fell out of his tractor, couldn't believe what he’d seen.
Laid on the ground and shook, fearing for his life,
Then he ran all the way to town, screaming: "It came out of the sky!"

Well, a crowd gathered around and a scientist said it was marsh gas.
Spiro came and made a speech about raising the Mars tax.
The Vatican said, "Woe, the Lord has come!"
Hollywood rushed out an epic film.
Ronnie the Populist said it was a communist plot.

The newspaper came and made Jody a national hero.
Walter and Eric said they'd put him on a network TV show.
The White House said, "Put the thing in the Blue Room!"
The Vatican said, "No, it belongs to Rome!"
And Jody said, "It's mine, but you can have it for seventeen million."

(„It Came Out of the Sky“ - Creedence Clearwater Revival, 1969)



I.

Im zweiten Teil meiner kleinen Serie zum „aktuellen Sommerlochaufreger“ – nämlich der Behauptung, die der vorgebliche ehemaligen amerikanische Geheimdienstmitarbeiter David Grusch in der vorigen Woche auf der Internetseite „The Debrief“ und in zwei anschließenden Interviews mit dem amerikanischen Kabelfernsehkanal NewsNation und der französischen Tageszeitung Le Parisien aufgestellt hat – nämlich daß „die USA im Besitz von zwölf bis 15 großen Objekten einer nicht von Menschen stammenden Technologie“ sein sollen – will ich einmal von den Spezifika dieser sagen wir Münchhausiade absehen. Zum einen, weil Grusch seine ursprüngliche Erzählung mittlerweile etwa variiert hat. In der 40-minütigen Fassung seines Gespräch mit dem australischen Journalisten Ross Coulthart, das NewsNation am Sonntag, dem 11. Juni, ausgestrahlt hat, erklärte Grusch zum einen, daß er sich „nicht sicher sei, ob die ‚außerirdische Erklärung‘ zutreffend sei.“ Möglicherweise würde es sich auch im „Wesen aus höheren Dimensionen“ (im O-Ton „multidimensional beings“) handeln. Daraufhin hat die englische Boulevardpostille „The Week“ hat uns gestern stilgerecht darüber aufgeklärt, daß der Vulkan Popocatepetl in Mexiko von solchen Flugobjekten als „Wurmloch“ zur Abkürzung galaktischer Distanzen genutzt wird.

11. Juni 2023

C. M. Kornbluth, "Die Sauregurkenzeit" (1950)





Es war ein heißer Sommernachmittag in unserer Abteilung der World Wireless-Nachrichtenagentur in Omaha, und die Zentrale in New York drängte auf neue Meldungen. Es gab aber nichts zu vermelden, weil des ein heißer Sommernachmittag war. Ein Bericht über die abgelaufenen Baseballsaison war vor einer Stunde rausgegangen, und damit hatte es sich. Außer Baseball fällt im Sommer nichts an. In den Hundstagen fahren die Politiker in die Wälder in Maine, um zu angeln und sich volllaufen zu lassen, Einbrecher sind zu erschöpft, um einzubrechen und Ehefrauen überlegen es sich noch einmal und schlagen ihren Männern erst später im Jahr den Schädel ein.

Ich blätterte einige Pressemitteilungen durch. Ein schludrig auf Matrize getipptes Blatt verkündete: „Wußten Sie, daß der sommergemäße Weg zu Erfrischung und Gesundheit durch Zitronen-Limonade von führenden Physiotherapeuten von Maine bis Kalifornien empfohlen wird? Der Bundesverband der Zitrusfruchtanbauer teilte heute mit, daß einer Umfrage unter 2500 Physiotherapeuten in 57 Städten mit mehr als 25.000 Einwohnern ergeben hat, daß 87 Prozent von ihnen zwischen Juni und September mindestens ein Glas Zitronenlimonade an Tag trinkt, und daß 72 Prozent von ihnen nicht das kühlende und köstliche Getränk nicht nur selbst genießen, sondern es auch verschreiben…“

7. Juni 2023

Aldous Huxley, "Proust und die Bestseller" (1920)





(Aldous Huxley. Portrait von Roger Fry, 1931)

„Marginalien“ (1920)

„Die Verdienste der Literatur“ – der Ausdruck hat etwas Gesetztes, nachgerade Feierliches an sich. Mit einem solchen Ehrentitel versehen, nehmen die dürftigen Groschen, die sie einbringt, einen Anschein von Bedeutung an. Aber leider nur zum Schein – denn wenn es darangeht, sie in Essen und Kleidung umzusetzen, erhält man für diese Groschen keinen Deut mehr als vor dieser Aufwertung. So wie es ist – arm, aber ehrenhaft (oder besser: klug und deshalb arm) – verschlimmert es die Sache noch, wenn man die kargen Früchte unseres Schweißes als „Lohn“ bezeichnet. Aber die großen „Verdienste der Literatur,“ die tausende und zehntausende von Pfund, von denen uns erzählt wird: bleiben die uns für immer verwehrt?

Schließlich, so sagen wir uns, sind wir alles andere als dumm; wir verfügen über Humor. Warum sollte es uns nicht möglich sein, die Verfasser von Bestsellern bei ihrem eigenen Spiel zu schlagen? Es sollte doch nicht so schwer sein, ein paar „ergreifende Liebesgeschichten“ zu verfassen oder einen Band von Preziosen à la Wilcox.

5. Juni 2023

Der Hammer und die Selbstjustiz




Der deutsche Blätterwald ist sich (bis auf den Kinderstürmer aus Kreuzberg) vergleichsweise einig: Selbstjustiz muss strafbar sein und so gehe es schon irgendwie in Ordnung, wenn auch mal Linksextremisten wie "Lina E." angeklagt und verurteilt werden. Die linke Szene ist nicht ganz so begeistert, schließlich handelt es sich bei den Opfern von Lina E. ja um "Rechtsradikale", "Nazis" oder einfach nur "Rechte", deren Menschenrechte ja mit ihrer politischen Positionierung nicht mehr gelten. Die selbe Linke übrigens, die ansonsten permanent von Menschenrechten palavert, so lange diese nur ins eigene Forderungssystem hinein passen.

Selbstjustiz? Wogegen eigentlich? Wenn Rechtsradikalismus eine Straftat wäre, dann stünde sie vermutlich im Strafgesetzbuch. Doch da ist sie nicht zu finden. Nicht einmal "Nazi sein" steht dort unter Strafe. Und am allerwenigsten steht darin, dass es verboten sein soll, bestimmte Kleidung zu tragen, die von Linksextremisten als "irgendwie Nazi" assoziiert wird. Die Unterstellung von Selbstjustiz ist nicht nur sachlich abwegig, sie ist zudem ehrabschneidend und verhöhnt die Opfer von schweren Straftaten. Denn sie unterstellt, dass diese etwas verbotenes getan haben, was aber nicht Gewalttäter wie Lina E. entscheiden sondern immer noch Gerichte. Der ganze Mumpitz um "Selbstjustiz" dient selbst der "normalen" Presse vor allem dazu die Taten von Lina E. zu verharmlosen.