18. Juni 2023

Wenn der Ofen ausgeht: Anmerkungen zu Stahl aus Wasserstoff



Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Wer sich ein bischen in der (deutschen) Stahlindustrie auskennt, der weiß das Stahlerzeugung aus Wasserstoff derzeit der "heisse Scheiss" schlechthin ist. Die Presse will es, die Regierung will, selbst die Anlagenbauer wollen es und so müssen es am Ende auch die Betreiber "wollen". Aber das hat so seine Tücken und es zeigt exemplarisch (mal wieder) was die Energiewende in der Praxis bedeutet und was die Kugel Eis am Ende kostet.

Stahl kommt in der Natur nicht vor, was vorkommt ist Eisenerz, eine Mischung aus Eisen und (meistens) Sauerstoff, dass man in einem Schmelzaggregat (in der Regel der Hochofen) verarbeitet, so dass am Ende Roheisen (und Schlacke und Abgas) entsteht. Das Reduktionsmittel der Wahl ist Steinkohle, weil sie sowohl heizt als auch den Sauerstoff aufnimmt und als CO2 dann durch den Schornstein geht. Zur Erzeugung einer Tonne Roheisen braucht man in Deutschland roundabout eine Tonne Kohle (das ist international schon sehr gut, in China ist es mehr als doppelt so viel). Aber CO2 ist böse, daher entwickeln die Anlagenbauer ein neues Verfahren (bzw. passen ein altes, aber eher seltenes Verfahren an). Die Direktreduktion. Damit wird aus dem Erz Eisenschwamm erzeugt und das passiert im alten Verfahren mit Erdgas und im neuen eben direkt mit Wasserstoff. Wasserstoff ist dabei, ganz analog zur Kohle, sowohl Heizgas als auch Reduktionsmittel. 
Das dumme ist: Wasserstoff ist nicht besonders effizient und auch nicht sehr billig. Kohle hat pro kg einen Heizwert von etwas 8 Kilowattstunden und kostet derzeit etwa 114 Dollar pro Tonne, mithin liegt der Preis für die Kilowattstunde bei vielleicht 1,3 Cent. Bei grauem Wasserstoff liegen wir bei 4,5 und bei grünem Wasserstoff bei etwa 16 Cent. Also ungefähr bei dem zehnfachen. 
Das heißt der Energieaufwand liegt bei grünem Wasserstoff etwa bei dem zehnfachen. Dabei nützt es am Ende auch nicht so viel, wenn der Wasserstoff als Reduktionsmittel selbst nicht in zehnfacher Menge benötigt wird, die Energie wird dennoch benötigt, denn am Ende braucht man flüssigen Stahl und nicht festen Eisenschwamm.
Der derzeitige Stahlpreis liegt bei knapp unter 700 Euro pro Tonne. Das bedeutet, dass die Energiekosten, rein für die Erzeugung des Stahls, die derzeit etwa 15% ausmachen, bei "grünem Stahl" den Endpreis im dümmsten Fall um locker 50, im besten Fall um wenigstens 25% verteuern. Ein solcher Stahl ist international unverkäuflich.

Am Rande sei für den technisch Interessierten auch noch vermerkt, dass selbst das noch nicht alles ist. Denn der erzeugte Eisenschwamm enthält Wasserstoff. Und Wasserstoff ist im späteren Stahl ganz, ganz blöd, um es plakativ zu sagen (Wasserstoff macht Stahl spröde). D.h. der Wasserstoff muss noch durch eine Vakuumanlage (RH oder VD) entfernt werden. Das macht man für hochwertigen Stahl ohnehin, da wird der Aufwand nicht größer, aber bei billigem Feld-Wald-Wiesenstahl ist das ein zusätzlicher Prozessschritt der Geld kostet und den Preis treibt. 

Soviel zur Theroie. Nur war am Wochenende in der rheinischen Pest ein Artikel zu einer Demo bei TKS in Duisburg. Die Stahlarbeiter haben für Subventionen demonstriert, denn TKS hat für ihre neue, geplante Reduktionsanlage zwei Milliarden Euro Subventionen beantragt und Robert Habeck war bemüht ihnen das Geld zuzusagen. Das Dumme ist zum einen: Das kann er eigentlich gar nicht, weil das Geld im Wesentlichen von der EU kommt. Das Dumme zum zweiten: Er will von TKS verlangen, dass die nur grünen Wasserstoff verwenden. Die wollen aber jeglichen Wasserstoff verwenden dürfen. Weil sie selbst mit zwei Milliarden mit grünem Wasserstoff nicht wettbewerbsfähig sein werden. 

Und dieser Fall zeigt exemplarisch das Problem der Energiewende: Technisch ist das alles möglich. Der Anlagenbauer SMS beherrscht die Technologie und kann die Anlage bauen. TKS kann sie betreiben. Und selbst die Technologie zur Erzeugung der ausreichenden Menge an grünem Wasserstoff ist da. Alles möglich. Aber es ist so prohibitiv teuer, dass es sich selbst unter Milliarden-Subventionen nicht lohnt. Und damit man auch die Größenordnung sieht: TKS beschäftigt in Duisburg so knapp 27.500 Mitarbeiter. Bei zwei Milliarden Euro Subvention sind das fast 75.000€ pro Arbeitsplatz. Und das auch nicht dauerhaft, denn bei grünem Wasserstoff bleibt das Loch offen. Die brauchen mehrere hundert Millionen pro Jahr, um ihre Produkte zu marktgerechten Preisen anzubieten. Irrsinn.

Aber machbar. Und ich denke fast (Prognose sind bekanntlich ja immer schwer), die werden das einfach machen, einfach damit das grüne Narrativ weitergesponnnen werden kann. Die werden TKS unterm Strich erlauben das Ding mit grauem Wasserstoff zu fahren und nach außen so tun als wäre das alles grün. Für die CO2 Bilanz ändern sich am Ende gar nichts, aber das Narrativ kann man aufrecht erhalten. 

Und als Randeffekt wird man damit zwei Parteien einen großen Gefallen tun. Den Anlagenbauern wirds gefallen, weil sie ihre Technologie für einen anderen Markt ausprobieren können. Und für den anderen Markt wird es gut sein, weil der eine fertige Technologie angeboten bekommen wird. Ach ja: Und dieser andere Markt ist China. Und der Wasserstoff wird rot sein. Aber das ist eine Geschichte für einen anderen Tag.
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Llarian

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