16. August 2021

Streiflicht: Versteckt den Onkel!

Früher wurde das Motiv eher im Witz oder in der Klamotte gerne verwendet: Vor der großen Feier, der Hochzeit, dem Geburtstag oder auch nur der großen Party, wird der komische Onkel oder ersatzweise auch die halb demente Oma gerne versteckt. Muss ja nicht jeder wissen, dass der Onkel seine Finger nicht bei sich behalten kann oder die Oma nicht mehr ganz auf diesem Planeten lebt.

Mit der amerikanischen Präsidentenwahl 2020 wurde das Motiv dann endgültig auf die Politik ausgedehnt, nur mit der lustigen Pointe, dass man statt dem komischen Onkel lieber den eigentlichen Kandidaten verstecken musste, damit das gemeine Wahlvolk nicht merkt, dass dieser eigentlich nicht mehr auf diesem Planeten weilt und gerne mal bei Damen höchst unterschiedlichen Alters an den Haaren schnüffelt. Und wie es sich dann für die Realität gehört, wurde aus der Groteske dann endgültig die Farce, indem der komische Onkel dann auch tatsächlich zum Präsidenten gekürt wurde (heute hat man es als Satiriker nicht mehr allzu leicht es mit der Realität aufzunehmen. Well played, reality!). 

Und wenn es schon die amerikanischen Politik vorlebt, so will die deutsche auch dahinter nicht zurück stehen: Verstecken können wir auch. Und so nimmt die Komödie ihren Lauf:

- In vorderster Reihe klar die CDU, die allerdings nicht ihren Kandidaten versteckt (das wäre in den Augen der Strategen der CDU vielleicht zu auffällig, obschon man nicht sicher sein kann, dass es auch nur ein Wähler merken würde), sondern den Kandidaten der letzten 16 Jahre. Das sich Merkel "offiziell" nicht in die innere Nachfolge einmischen wollte (was wohl eher damit zu tun haben dürfte, dass sie alle drei Kandidaten schon alleine aufgrund ihres Geschlechts ablehnt) ist eine Sache. Aber es ist schon possierlich, dass die angeblich so dolle, beliebte und allseits geachtete Kanzlerin beim Wahlkampf der CDU völlig außen vor bleibt. Ihren letzten großen Wahlkampfauftritt hat sie dann passenderweise auch für die SPD absolviert. Man darf sich aber auch fragen, ob Flaschet nicht lieber auf Merkel verzichtet, denn auch wenn es ihm nie über die Lippen käme, dürfte dem Wahlkämpfer Flaschet durchaus klar sein, dass Merkel bei wirklich konservativen Wählern eher abstoßend als fördernd wirken dürfte. 

- Doch wo die Union vorlegt, darf die SPD ja nicht zurück stehen. Hier muss man allerdings gleich die ganze Partei verstecken und nur Olaf Scholz nach vorne schieben. Um die "Parteilinke" (gibts denn in der SPD noch was anderes?) zu "beruhigen" musste Scholz dann ja auch verkünden, dass er Saskia Esken unbedingt für ein Ministeramt qualifiziert sieht. Schön formuliert, denn qualifiziert bedeutet ja nicht, dass sie eins bekommt. Und damit der Michel sich keine Sorgen machen muss, sagt Scholz uns auch nicht welches(!) Ministeramt. Weil: Dann könnte womöglich über Esken diskutiert werden und das fürchtet der Wahlkämpfer Scholz wie der Teufel das Weihwasser. Überhaupt sind der SPD eigentlich alle Köpfe außer Scholz derzeit peinlich: Auch die anderen "Machthaber" in der SPD, von Borjans bis Kühnert will man nicht so recht präsentieren. Nachvollziehbar. Die SPD besteht in der Führung wohl nur noch aus komischen Onkels. 

- In der Haut der AfD möchte man aber auch nicht stecken: Hier muss man irgendwie vertuschen, dass der Ehrenvorsitzende entweder ein geschichtsvergessener Depp oder ersatzweise ein Altnazi sein möchte. Überhaupt befindet man sich in der recht unvorteilhaften Lage, dass die Hälfte der Partei zu den komischen Onkeln gehört, aber (hier ist die SPD etwas klüger), sich keinesfalls darüber bewusst ist, und es durchaus für sinnvoll hält, voll vom Zeug zu ledern. Das mag Ehrlichkeitspunkte geben, ist aber ziemliches Gift für Wählerstimmen. Man könnte auch sagen: Die SPD versucht die komischen Onkels aus der Öffentlichkeit zu halten, in der AfD gibt man ihnen ein Megaphon in die Hand. 

- Ebenso drollig ist die Lage bei den Grünen. Sie haben ein ähnliches Problem wie die "Demokraten" in den USA: Ihr Spitzenkandidax (kein Schreibfehler, bei den Grünen so notwendig) nimmt gleich das Amt des komischen Onkels in Personalunion ein. Das ganz doofe ist aber: Während Biden zwar dement aber auch altersmüde war (und insofern kein Problem damit hatte, wenn seine Partei ihm einfach ein Schweigegebot aufdrückte), vereint Baerbock zwei unglückliche Eigenschaften: Geistige Armut mit einem großen Mitteilungsbedürfnis. Die Grünen würden liebend gerne Habeck präsentieren, der zwar ungestüm aber eben nicht ausgesprochen blöde ist, aber bekommt Baerbock ein Mikro hingehalten, kommt sie nicht drumherum etwas reinzusprechen. Und das sie derzeit die einzige Politikern ist, deren Lebenslauf einen eigenen Lebenslauf hat, trägt nicht gerade zur Stimmung bei.

Man fühlt sich so ein bischen veräppelt: Statt Wahlprogramme und Kandidaten zu präsentieren, ist derzeit eine der wichtigsten Bemühungen der Parteien bestimmte Personen gerade nicht zu präsentieren. Und auch hier mache ich noch einen Ausflug in die USA: Selbst ohne Bewertung seiner Person oder seiner späteren Amtsführung war Donald Trump 2016 vermutlich das größte Problem seiner eigenen Partei. Und mit aller Sicherheit wäre er nicht gewählt worden. Wenn nicht....., ja, wenn da nicht seine Gegenkandidatin gewesen wäre. 2016 grassierte unter anderem die Erklärung für die Wahl von Donald Trump, dass die Wähler vor allem Hillary Clinton vermeiden wollten (was absolut nachvollziehbar war). Und vielleicht wäre Trump nie Präsident geworden, wenn man Hillary auch versteckt hätte (2020 hatte man offensichtlich aus diesem Desaster gelernt). 

Verrückte Zeiten sind das, wenn uns die Politik vor allem davon abzulenken sucht, wer alles an die Macht kommt, wenn man sie wählt. Bei Programmen weiß der gemeine Wähler ohnehin, dass er betuppt wird, aber bei Personen ist das zumindest in dem endemischen Maße einigermaßen neu. Wer grün wählt bekommt nicht viel Habeck sondern vor allem Baerbock. Wer rot wählt, bekommt nicht wirklich Olaf Scholz, sondern eben auch Esken, Borjans und Kühnert. Wer die AfD wählt bekommt eben nicht Meuthen sondern auch sehr viel Gauland & Höcke. Komische Onkel an die Macht!
­
Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.