27. Mai 2021

Streiflicht: Die Nummer mit dem Doktor

Franziska Giffey hat es am Ende doch nicht geschafft: So wie es derzeit aussieht, wird man ihr den Doktor wohl aberkennen, der politische Schmuh mit der Rüge war dann doch wohl zu schräg. Was die SPD nicht daran hindert den Rücktritt (bevor man sie dazu nötigt) so laut zu beklatschen, wie es nur geht. Aber Integrität wird heutzutage ja weit überschätzt.
Annalena Baerbock, die große Kanzlerhoffnung der Linken kämpft derzeit mit ähnlichen Problemen, wenn auch auf kleinerem Niveau. Der von ihr reklamierte Bachelor war ein reines Phantasieprodukt, ihre tatsächliche Ausbildung beschränkt sich auf ein gescheitertes Politikstudium in Deutschland und ein einjähriges Masterstudium in England, an dessen Endergebnis man durchaus Zweifel haben kann. 


Beide sind nicht die ersten Kandidaten, die mit ihren Meriten durcheinander kamen: Bekanntester Fall der jüngeren Zeit dürfte immer noch Karl Theodor zu Guttenberg gewesen sein, der nicht nur seine Ämter und den Titel verlor, sondern sogar noch eine Strafzahlung von 20.000 Euro leisten musste. Aber auch Annette Schavan, Silvana Koch-Mehrin und diverse andere "Spitzenpolitiker" verloren ihre Titel, teilweise mit extrem deutlichen Begründungen. Wenn man sich die lange Liste so ansieht, dann muss man meinen, Politiker hätten einen extremen Drang akademische Meriten vorzulegen, und zwar so sehr, dass sie gar nicht mal so selten betuppen, um eben diesen Titel vorzutäuschen.

Die Titelgläubigkeit der Deutschen scheint noch weit ausgeprägt zu sein. Dieser Autor kann das nicht nachvollziehen, was wohl damit zusammen hängen dürfte, dass er selber die zwei Buchstaben vor seinem Namen führt. Zumindest auf seiner Visitenkarte. Und nicht so richtig sieht, warum ihn das besser qualifizieren sollte ein Land, ein Ministerium oder auch nur einen Sportverein zu führen. 

Der Doktortitel ist ein Nachweis dessen, dass man ein wissenschaftliches Thema selbstständig bearbeitet hat und eine wissenschaftliche Arbeit dazu verfasst hat. Nicht mehr und nicht weniger. Es sagt in dem Sinne etwas über die Qualifikation aus, wichtiger noch aber über die Persistenz eines Menschen (böse Menschen nennen das Sitzfleisch). Die wichtigste Fähigkeit des Doktoranden (wenn wir mal die Mediziner mit ihrem speziellen "Dr." außen vor lassen) ist die Fähigkeit sich mehrere Jahre mit einem Kontext selbstständig beschäftigen zu können. Das ist auch der Grund, warum Doktoren in manchen Bereichen gerne eingestellt werden, sie haben die Fähigkeit unter Beweis gestellt, "dabei" bleiben zu können. Aber das führt zu keiner Führungserfahrung, Es beweist nur Beharrlichkeit.

Für einen Politiker oder Manager ist ein Doktortitel bei genauer Betrachtung völlig überflüssig (Manager sind die zweite Gruppe, die den unbedingten Druck hat so etwas zu tragen). Entscheidender sind eigentlich gänzlich andere Qualifikationen, die Manager (zumindest höhere) im Unterschied zu Politikern in aller Regel aufweisen. Wenn ein Manager einen höherer Job erreicht, dann hat er in aller Regel jahrelange Arbeitserfahrung, Führungserfahrung und Verantwortung getragen. Das ist das, was einen Manager attraktiv macht.

In der Politik ist das Problem eher, dass darauf viel zu wenig bis gar nicht darauf geachtet wird. Mich juckt nicht, dass Franziska Giffey sich einen Doktor ermogeln wollte, es juckt mich eher, dass sie noch nie irgendwo außerhalb der politischen Verwaltung gearbeitet hat. Und es juckt mich nicht die Bohne, ob Annalena Baerbock ein lächerliches Jahres-Studium hinter sich hat und nun meint sie sei eine "Völkerrechtlerin". Was mich juckt ist eher, dass die Frau in ihrem Leben noch nicht einmal einen Kleingartenverein geleitet hat, über keinerlei Arbeitserfahrung verfügt, keine Führungserfahrung aufweist und sie mal ab von ihren zwei Kindern auch noch nie Verantwortung für irgendetwas übernommen hätte. (Wobei ich ihr die zwei Kinder sogar noch hoch anrechne, es wäre eine sehr wünschenswerte Qualifikation für einen Politiker, dass er Kinder hat und diese auch groß zieht oder schon groß gezogen hat.) 

Statt nach einem akademischen Grad zu suchen, wäre es bei weitem sinnvoller die Frage zu stellen, was ein Politiker in seinem Leben schon real geschafft hat. Hat er ein Unternehmen geleitet? Oder gar eins aufgebaut? Hat er schon einmal wichtige Projekte geleitet? Welche Führungserfahrung bringt er mit? Hat er überhaupt schon einmal eine größere Gruppe führen müssen? Hat er Personalerfahrung? Hat er ökonomische Verantwortung getragen? Hat er überhaupt schon einmal gearbeitet?

Aber die Deutschen lassen sich lieber von einem Doktorhut beeindrucken. Ich habe in meinem Arbeitsleben drei Selfmade-Unternehmer kennengelernt, die ihr Unternehmen von ganz unten selbst aufgebaut haben, kein Erbe, keine Übernahme, selbst aufgebaut. Keiner von denen hatte einen Doktorhut. Und jeder wäre erheblich besser qualifiziert als die ganzen Schaumschläger, die meinen sie wären was ganz dolles, weil sie zwei Buchstaben führen (und selbst die dafür notwendige Arbeit noch abschreiben müssen). Allerdings ist eine erfolgreiche Wirtschaftskarriere auch deutlich schwieriger zu faken als ein Doktor. 
­
Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.