17. Januar 2019

Dumm, dümmer, Gillette? Ein Streiflicht zu Filterblasen.

Der Markenname Gillette dürfte den meisten Erwachsenen der westlichen Welt ein Begriff sein. Auch wenn es das Unternehmen in eigener Form  nicht mehr gibt (es gehört seit 2005 zu Procter & Gamble) so ist die Marke Gillette immer noch deutlicher Marktführer bei Nassrasierprodukten, mit fast 50% Marktanteil. Und das will schon etwas heißen, auch in Anbetracht dessen, dass im Bereich dieser Produkte Gillette im oberen Preisbereich aufgestellt ist.

Doch wenn es dem Esel zu gut geht, so begibt er sich bekanntlich aufs Eis. Und genau das erfährt wohl gerade die Firma P&G, die für die Marke Gillette vor einigen Tagen einen neuen und vergleichsweise ungewöhnlichen Werbespot in Umlauf brachte. Der Spot ist beeindruckend. Und das nicht nur deshalb, weil er eigentlich keinerlei Bezug zum eigentlichen Produkt hat, sondern nur ein reines, politisches Statement darstellt. Auch vielleicht deshalb, weil kaum ein Video, erst recht kein Werbevideo, es so schnell geschafft hat, so viele negative Kommentare und Bewertungen einzusammeln. In knapp vier Tagen hat es Gillette bereits geschafft mehr als 800.000 negative Bewertungen einzufahren. Und das bei gerade 16 Millionen Aufrufen.
Klar, es gibt noch ganz andere "Stinker" auf Youtube (schönen Gruß von Justin Bieber), aber es handelt es sich um ein Werbevideo. Die Idee ist, das Leute das toll finden, nicht, dass sie es verabscheuen. Wer sich die Kommentare unter dem Video ansieht (und das sind auch schon über 200.000), dann stellt man fest, dass die 800.000 negativen Bewertungen sogar noch untertrieben sein könnten.
Nun gibt es diese eher fragwürdige These, dass auch negative Werbung gute Werbung ist, da Werbung Aufmerksamkeit erzeugen soll und damit Publicity generiert. Das mag bei einem unbekannten Produkt (oder einem unbekannten Sternchen) auch zutreffen, aber sicher nicht mehr bei einem Produkt mit 50%+ Marktanteil. Und die Kommentare geben einen kleinen Vorgeschmack auf die Wirkung, die bei den Kunden erreicht wird.

Was ist nun so schlimm an dem Video? Nun, es ist im Wesentlichen eine Kreuzung aus #metoo und "old-white-man"-Bashing. Es ist eine recht verzerrte oder zumindest einseitige Darstellung der Realität, wie sie vermutlich bei Emma und Konsorten seit Jahrzehnten, aber doch in der Werbeindustrie bis dato noch nicht allzu präsent war. Kann man mögen. Muss man aber nicht. Muss vor allem "Mann" nicht. Und da liegt so ein bisschen der Hund begraben. Wenn sich das Produkt nun vor allem an Frauen mit einer großen Angst vor "toxischer Männlichkeit" (oder ähnlichen Hohlparolen) richtete, dann würde es vielleicht (und nur vielleicht) die richtige Zielgruppe treffen, aber die meisten Männer werden sich doch eher von dieser Art der Kampagnen-Werbung abgestoßen fühlen. Und das sind nun ausgerechnet die, die ja nun Nassrasierer (und zugehörige Produkte) im Wesentlichen konsumieren. 

Ich weiß nicht was die Werbefirma, die den Spot entwickelt hat, dazu bewogen hat dieses Ding zu verbasteln. Und ich kann es mir nur so vorstellen, dass die so tief in ihrer "Kreativen"-Filterblase stecken, dass die keinen Bezug mehr dazu haben, was die meisten normalen Menschen so denken. Oder gerade nicht denken.Vielleicht glaubt man dort, dass Männer wirklich auf #metoo abfahren und ihre "toxische Männlichkeit" lieber ganz schnell loswerden wollen. Das Männer eigentlich Sklaven und Opfer von Testosteron sind und sich nichts sehnlicher wünschen als diese Geissel schnellstmöglich abzulegen. Vielleicht ist es auch eine moderne Werbefirma mit möglichst "diverser" Aufstellung, die das eigene Weltverständnis für die Basis allen Seins hält.

Ich will nicht verhehlen, dass ich seit etlichen Jahren (so vielleicht 10) eigentlich nur noch naß rasiere und eigentlich auch ebenso nur Gillette Produkte dafür verwendet habe (komme mir jetzt keiner mit der ewig alten Leier vom Rasierhobel, meine Haut verträgt den nicht). Was einfach daran liegt, dass die zwar recht teuer, aber eben auch recht gut sind und waren. Und man ist ja ein Gewohnheitstier und prüft nicht jedes Jahr das neueste Gimmick, dass sich gerade wieder ein Werbefuzzi ausgedacht hat. Ebenso wenig halte ich etwas von den ganzen "Boykotten" zu denen man an allen Ecken wegen eben jenem oder diesem aufgefordert wird. Aber ich denke, wenn mir die nächste Tranche Klingen langsam zur Neige geht, ich mir doch mal Gedanken darüber machen werde, vielleicht einem alternativen Produkt die Ehre eines Testes zukommen zu lassen. Vielleicht passe ich zu wenig in die diese moderne Welt der "nicht toxischen Männlichkeit" und bin halt der Meinung, dass sich Jungs auch mal prügeln dürfen (Mädchen nebenbei auch) und eine Anmache auf einer Party keine Vergewaltigung ist. Aber ich bin ja auch nur ein alter, weißer Mann, auf dessen Geld P&G vielleicht auch keinen Wert legt. Wer weiß.

Naja, im Unterschied zur Politik darf man hier wenigstens mit den Füßen abstimmen. Oder eben mit den Bartstoppeln.


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Llarian

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