1. Januar 2019

Bitte ohne Schall und Rauch: Gedanken zur alljahresendlichen Feuerwerkskritik

Hand aufs Herz: Haben Sie gestern (beziehungsweise heute) die eine oder andere Rakete in den Nachthimmel steigen lassen? Wenn ja, dann haben Sie die – soweit ersichtlich – einhellige Empfehlung der Multiplikatoren-Elite dieses Landes, auf die Silvesterknallerei zu verzichten, entweder nicht mitbekommen oder vorsätzlich missachtet. „Brot statt Böller“ ist der Klassiker unter den Jahresendabrüstungsforderungen, später wurde die Kracherkritik dann auch auf den zu vermeidenden Stress für Haus- und Wildtiere gestützt, seit neuestem rücken die Gesundheitsgefahren für den Menschen, neben Verbrennungen und Schädigungen der Sinnesorgane auch körperliche Belastungen durch die Feinstaubfreisetzung, in den Vordergrund. Und der MDR rechnet uns dann noch die Anzahl an Straßenkilometern respektive Lehrern vor, die man mit dem Geld, das die Deutschen am 31. Dezember in die Luft blasen, sanieren beziehungsweise einstellen könnte.
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Man verstehe mich nicht falsch: Wenn jemand die Summe Euro, die er früher in Feuerwerksartikel investiert hat, nunmehr für wohltätige Zwecke spendet oder wenn jemand aus Sorge um das liebe Vieh auf die freinächtliche Schall- und Raucherzeugung verzichtet, so trifft er damit eine individuelle Entscheidung, die jedenfalls zu respektieren und keineswegs verächtlich zu machen ist. Dem Crescendo der einschlägigen Ermahnungen habe ich vielmehr das Folgende zu entgegnen:

1. Das Grundgesetz definiert es gerade nicht als Aufgabe des Staates, den Menschen zu bessern. Von mir aus kann das Umweltbundesamt gern auf die durch das Silvesterfeuerwerk erzeugten Feinstaubemissionen hinweisen. Aber braucht es in dem betreffenden Artikel wirklich einen letzten Absatz, in dem mir das ohnehin Offensichtliche, nämlich wie ich mich am letzten Tag des Jahres ökologisch korrekt verhalte, noch einmal mit dem Holzhammer nahegelegt wird?

2. Selbst wenn eine substanzielle Anzahl von Bürgern den Knallkörperkauf unterließe, würde dadurch kein einziger Verkehrswegemeter instandgesetzt und keine Schule dieses Landes auch nur um eine Unterrichtsperson bereichert. Die Kalkulationen, wie viel der Staat mit dem verpulverten Geld anfangen könnte, leiden also an einem wesentlichen Denkfehler, der „Brot statt Böller“ gerade nicht unterläuft. Denn es ist ja tatsächlich so, dass Beträge, die nicht für das Licht- und Lärmspektakel berappt werden, dem Marktteilnehmer für andere Zwecke, also auch für eine freigebige Zuwendung, zur Verfügung stehen.

3. Warum eigentlich die Fixierung auf das Feuerwerk? Könnte man nicht auch dazu aufrufen, bei der Jahresendparty dem überreichlichen (ergo gesundheitsgefährdenden) Alkoholkonsum zu entsagen und das dadurch Ersparte sinnvoll zu allozieren? Eine Halbe Bier für den Mann und ein Achterl Prosecco für die Frau (die mitlesenden Netzfeministinnen werden um Verzeihung für die sexistische, wenn vielleicht auch empirisch durchaus zu erhärtende, Zuschreibung der Getränkepräferenzen ersucht) müssen doch reichen. Oder wäre dann Silvester nicht mehr Silvester, weil Promillehaltiges halt doch einen sicheren Beitrag zu einer ausgelassenen Stimmung leistet?

Letztlich kann ich mich eines bestimmten Verdachtes nicht erwehren, nämlich dass sich hinter den Argumenten der Pyroabstinenzlobby – wenn vielleicht auch nicht ausschließlich, so doch nicht ganz nebensächlich – eine sehr hässliche Motivation verbirgt: Zweckfreier, vielleicht sogar unvernünftiger Spaß soll den Menschen ausgetrieben werden. Wo kämen wir denn auch hin, wenn wir uns einfach mir nichts, dir nichts amüsierten? Und so fängt man mit den weichen Zielen an: Ihren Schwips am letzten Tag des Jahres lassen sich die Deutschen wohl nicht so schnell madig machen, bei dem bereits seit Dekaden regelmäßig attackierten Geballere könnte es anders aussehen.

Noricus

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