8. Januar 2019

Aus der Schwalbenperspektive: Ribe(r)ye oder La Bavette d'Or


Ein leider viel zu früh verstorbener Freund von mir arbeitete seinerzeit als Schlossführer in einer prächtigen fränkischen Barockresidenz. An ihn musste ich kürzlich denken, denn er hatte die Angewohnheit, bei seinen mehr als kurzweiligen Führungen immer dieselbe Fangfrage zu stellen. War die Besuchergruppe gegen Ende der Runde im mit reichlich Zierat versehenen Thronsaal versammelt, ließ er sie immer schätzen, wie viel Gold wohl in der prunkvollen Ausstattung verwendet worden war. Und meistens tappte der überwiegende Teil der Gruppe in die Falle: "Ein Kilo", hieß es - ja bis zu zehn Kilo wurden aufgerufen, bis mein Freund mit diebischer Freude verkündete, dass ein Gramm Blattgold ungefähr eine Fläche von einem halben Quadratmeter bedecken könne.

Nun ist selbst ein "Tomahawk-Steak", wenn man es rundum mit dem glänzenden Element überzieht, keinen halben Quadratmeter groß - der reine Materialwert der "kostbaren" Verpackung von Franck Ribérys Abendmahlzeit liegt also ungefähr einen Euro teurer als ein Meter Melitta Toppits extra reißfeste Alufolie, falls der französische Balltreter schwächeln und sich den Rest auf den Weg einpacken lassen sollte.

Dass das Steak trotzdem mehrere Hundert Euro im VauKa kostet, ist also weniger dem glänzenden Äußeren geschuldet als dem Marketingtalent des Wirts, der es mit einer Menge Show und Social-Media-Einsatz dazu gebracht hat, dass gerade die Champions-League-Stars sich dort die Klinke in die Hand geben und geradezu ausflippen, wenn er mit dem Salz rumwirft. Ein Hype also, nicht mehr und nicht weniger.

Dass Fußballer bisweilen zum Protzentum neigen ist nichts Neues - spätestens seit Günter Netzers Vorliebe für fahrbare Untersätze mit dem cavallino rampante auf der Motorhaube.  Auch Ribéry greift abseits offizieller Termine nicht auf einen Wagen des Sponsors aus Ingolstadt zurück. Stattdessen ist er ebenfalls südlich des Brenners fündig geworden.

Trotzdem ist nicht bekannt geworden, dass beispielsweise Verkehrsminister Andi Scheuer - trotz nachgewiesenem Interesse für Rasensportler mit Migrationshintergrund - öffentlich die Wahl von Ribérys Reisemittel kritisieren würde, weil sich der Durchschnittsbürger ja nur einen alten Diesel... ach, lassen wir es einfach.

Jetzt aber, nach dem Steak, gibt zum Beispiel der nie um einen Tweet verlegene Schleifenträger Karl Lauterbach zu Protokoll: „Aus meiner Sicht pervers – vor allem in Anbetracht des Hungers auf der Welt. (...) Problematisch ist auch das angeberische Zurschaustellen. Das zeigt einen falschen Bezug zum Geld, wirkt dekadent.“ 

Dieser Tweet ist symptomatisch für einen Großteil der Reaktionen, die auf den Instagram- und Twitter-Accounts eingegangen sind und die Ribéry dann auch dazu verleitet haben, "einige Mütter zu beleidigen". Natürlich auch symptomatisch für einen SPD-Bundestagsabgeordneten, der dann natürlich prompt auch auf den Uli Bezug nimmt und sich überhaupt wünscht, dass lieber Dortmund Meister wird. Zwar eine Kapitalgesellschaft, aber wahrscheinlich stellt sich der vor, dass die nach dem Training nur mal zusammen einen fertig marinierten Schweinenacken vom Lidl auf den Grill werfen. Ruhrkohle statt Blattgold.

Aber warum diese Reaktion, wenn es am Wert nicht liegen kann (selbst wenn man unterstellt, dass sämtliche Kommentatoren den Test meines verblichenen Freundes nicht bestanden hätten)?  Ich glaube, hier muss man mit dem zutiefst moralisierten Umgang mit der Ernährung als Erklärung ansetzen, der tief in der deutschen wie in der linken Seele verankert ist. "Du bist, was Du isst" - so lautet nicht umsonst ein Zitat, das mit hoher Wahrscheinlichkeit bei jeglicher Diskussion über Ernährungsthemen fälltHand aufs Herz, lieber Leser, könnten Sie ohne zu googlen angeben, von wem es stammt? Es stammt von einem der wichtigsten geistigen Väter der Linken, nämlich von Ludwig Feuerbach. Und im Schicksalsbuch der Deutschen heißt es kongenial: "Am Golde hängts, zum Golde drängt doch alles"! 

Beim Verspeisen von Gold zeigt sich das symbolische Potenzial in Reinform - die Schere bzw. das Steakmesser zwischen Arm und Reich trifft auf die postreligiösen Nahrungstabus. 

Schalten Sie wieder ein, wenn es heißt: "Warum die germanischsprachigen und angelsächsischen Länder die einzigen sind, in der es nicht gängig ist, Beleidigungen in Bezug auf die Mutter auszusprechen"!

    
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Meister Petz

© Meister Petz. Titelvignette: Luís Figo's Ballon d'Or 2000. Jaime de la Fuente (CC BY 2.0). Für Kommentare bitte hier klicken.