22. März 2018

Wasser auf die Mühlen der AfD oder Artikel, die wütend machen

Einige Nachrichten haben die Eigenschaft mehr Emotionen auszulösen als "normale" Nachrichten. Das sind gerne Berichte über Unglücke, Unfälle oder Verbrechen, die man sich gerade in seinem persönlichen Umfeld nicht zu erleben wünscht. Manchmal aber ist es nicht das Ereignis selber, das die Emotion auslöst, sondern die Berichterstattung darüber. Ein solcher Artikel ist vorgestern in der online Version der Welt erschienen und er löst bei mir deutliche Emotionen aus. Und zwar Wut. Er ist ein gutes Beispiel dafür was in der Presse schief läuft und ebenso einer der Gründe warum dieses Land in der Situation ist, in der es sich heute befindet.


Der Artikel ist hier zu finden. Und es ist meines Erachtens nach ein Schmierstück allerersten Ranges, das selbstrendend unter die Freiheit der Presse fällt jeden noch so grossen Mist zu schreiben, das aber eben aus sich heraus auch genau ein Beispiel für den grossen Mist ist, der heute geschrieben wird.
Es geht um den Mord von Flensburg, wo ein 17-jähriges Mädchen von ihrem Freund/Exfreund mit einem Messer erstochen wurde. Das politische daran ist, die meisten Leser werden davon auch woanders gelesen haben, dass der Täter einer der berühmten "unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge" ist. Ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan um genau zu sein. Und da es sich nicht um den ersten Mord eines Flüchtlings an einem minderjährigen Mädchen in letzter Zeit handelt, ist der Fall selbstredend politisch. Das scheint auch der Autor (oder die Autorin) des Welt-Artikels realisiert zu haben, weswegen er oder sie wohl der Meinung ist, hier schnell ein paar Pflöcke einschlagen zu müssen.
Das fängt schon in den ersten zwei Sätzen an, wo der Leser erst einmal darauf hingewiesen werden muss, dass jeder (neue) Fall wieder Munition für die AfD darstelle. Was wohl auch die Hauptsorge des Autors ist. Die üblichen (und anstrengenden) Konjunktive was alles passiert sein soll und wer alles nur mutmaßlich was getan haben soll, kann man auch noch so überlesen. Aber dann kommen solche Sätze:
Die Ermittler haben zum Motiv zwar offiziell noch keine Angaben gemacht. Aus dem Umfeld heißt es jedoch, religiöse Fragen hätten in diesem Beziehungsdrama wohl keine Rolle gespielt. Für die Autoren rechter Blogs und Foren steht trotzdem sofort fest: Der Islam ist schuld. Mireilles Tod in Flensburg ist für sie nicht das traurige Lebensende eines jungen Mädchens aus schwierigen Verhältnissen, sondern Ergebnis einer „Invasion kulturfremder muslimischer Männer“.
Das klingt -zunächst- neutral. Nur: Welches Umfeld eigentlich? Der einzige, der derzeit etwas über das Motiv sagen kann, ist der Täter. Und der hat nicht mit irgendwem außer der Polizei gesprochen und die nicht mit der Presse. Liest man tatsächlich etwas mehr Hintergrund zu dem Fall, dann findet man oftmals die Information, dass das Mädchen im vergangenen Jahr begann ein Kopftuch zu tragen. Nun belegt das nicht das Motiv, führt aber deutlich etwas über die Beziehung aus. Was man mit Sicherheit sagen kann, ist, dass Religion in der Beziehung auf jeden Fall(!) eine Rolle gespielt hat. Ob das Mordmotiv damit zusammenhängt ist derzeit unbekannt.  Oder anders gesagt. Es ist eine ganz simple Lüge. Der Autor denkt sich hier bewusst(!) etwas aus und legt ebenso bewusst(!) eine falsche Fährte. Man könnte es auch billiger formulieren: Das hat alles nichts mit dem Islam zu tun. Aber der Satz war vermutlich zu abgegriffen.

Den letzten Satz des obigen Zitates finde ich fast noch ekliger. Denn was haben bitte die Lebensverhältnisse des Mädchens mit dieser Tat zu tun? Worauf soll hier abgehoben werden, dass Mädchen "aus schwierigen Verhältnissen" gefährdeter sind oder das "rechte Blogs" nicht genügend die "schwierigen Verhältnisse" bedauern oder betrachten? Eine völlig sinnlose Einstreuung, die rein moralische Aufladung bewirken soll.

Ein weiteres Streiflicht:
Gesa Birkmann von Terre des Femmes sagt: „Da gibt es sicher noch viele Hürden zu nehmen.“ Man müsse sich stärker als bisher damit auseinandersetzen, welche Wertvorstellungen Zuwanderer haben. „Das hat aber mit Merkels Flüchtlingspolitik nichts zu tun“, betont sie. Schließlich wisse jeder, der sich für Opfer von häuslicher Gewalt engagiere, dass diese auch von deutschen Männern ausgehe.
Hier ist es gerade der letzte Satz ist ein urtypische Vertreter der ewigen Relativierer. Gut, das deutsche Männer "auch" gewalttätig sind. Denn wie wir ja alle wissen werden von deutschen Männern, respektive Jugendlichen, reihenweise Freundinnen und Exfreundinnen "gemessert". Wir erinnern uns ja alle an Edgar H., der jüngst seine Freundin (oder Exfreundin) Keira mit 20 Messerstichen umbrachte. Was war ein nahezu glückliches Geraune durch die Presse gegangen, dass es jetzt endlich mal ein deutscher Täter war. Seht her, die Deutschen machen das auch! Das dumme ist nur: Rein von den Zahlen her müsste es mehr als 40 mal mehr deutsche Messermeuchler geben als Asylanten. Es müsste also auf einen Messermord von Flensburg 40(!) Edgars geben, die ihre Freundinnen umbringen. Um es kurz zu machen: Die gibt es nicht. Nichtmal einen Bruchteil davon. Und natürlich hat das mit Merkels Flüchtlingspolitik zu tun. Diese Menschen sind hier aufgrund des Rechtsbruchs der Frau Bundeskanzler. Da gibts nichts dran zu deuteln.

Der Artikel schliesst dann folgendermaßen:
In Flensburg gab es am Freitagabend vor der Kirche keine Proteste rechtsgerichteter Gruppierungen gegen Asylbewerber und eine liberale Flüchtlingspolitik – anders als in Kandel. Unter den um Mireille Trauernden waren auch viele Afghanen.
Auch das klingt ja erst einmal positiv. Oder? Nun, hier geht es einmal anders herum, hier wird dann aus der Lüge die Lücke. Denn der Welt Artikel verschweigt hier so eine Kleinigkeit. Eine scheinbar unbedeutende Kleinigkeit. Die Gedenkveranstaltung wird nämlich nicht von den Eltern oder Angehörigen organisiert (die es im Wesentlichen nicht mehr gibt), sondern von der Kirche, den Grünen und einer oder mehrerer Flüchtlingsorganisationen. Oder anders gesagt: Das war eine rein politische Veranstaltung bei der es darum ging "den Rechten" von vorneherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Das erinnert frappierend an die völlig unwürdige Reaktion der Stadt Bonn als ein junger Mann von einem Schläger totgetreten wurde und man erst einmal gegen rechts demonstrieren musste.Was macht wohl eine Flüchtlingsorganisation, wenn sie die Felle davonschwimmen sieht? Vielleicht ihre Schäfchen dorthin schicken, damit es schöne Bilder in der Presse gibt? Warum sollte eine Flüchtlingsorganisation eine Gedenkfeier für eine normale, deutsche Staatsbürgerin organisieren? Soviel zum Thema Instrumentalisierung und Anstand. Aber steht das hier? Nein. Die Welt berichtet von vielen Afghanen (die vermutlich ganz spontan zu der Feier gegangen sind, weil sie so mitfühlend sind). Den Seitenkommentar zu den Aberdutzenden gefundenen Handtaschen aus 2015 überlasse ich dem Leser als Übung.

Man mag mich zeihen hier auf Kleinigkeiten abzuheben und gemessen an einem typischen Augstein ist der Artikel vielleicht sogar harmlos. Aber vielleicht ist es auch eher die kline Lüge, die den Stein effektiver hölt als die Ausfälle von Augstein. Es ist diese Generik, die mich so wütend macht: Nichts genaues weiss man nicht, aber die Welt ist schon informiert, dass es nichts mit dem Islam zu tun hat, dass es auch nichts mit den Flüchtlingen zu tun hat, das Afghanen alle mitfühlend sind und Gewalt ja auch von ganz anderen Männern ausgeht. Wie viele Mädchen werden noch sterben, bis solchen Schreiberlingen die Tine ausgeht? Denn es werden noch welche sterben. Und zwar etliche. Und irgendwie kann ich die Artikel jetzt schon lesen: Es werden Beziehungsdramen sein, der Islam wird damit nichts zu tun haben und irgendwie ist die deutsche Gesellschaft daran schuld. Letzteres stimmt. Aber vor allem eine Gesellschaft die solchen Schund noch bezahlt.

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Llarian

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