3. Juli 2017

Der mediale Mythos des Raser-Problems auf Deutschlands Straßen – Teil 2

Der Kraftfahrzeugverkehr ist gefährlich, weil – wie es häufig formuliert wird – dabei große Massen mit hoher Geschwindigkeit bewegt werden. Der Kraftfahrzeugverkehr ist aber auch extrem nützlich: Für den Einzelnen bieten der Personenkraftwagen oder das Motorrad eine Freiheit, wie sie die fahrplangebundenen öffentlichen Verkehrsmittel weder in zeitlicher noch in örtlicher Hinsicht gewährleisten können. Unsere Wirtschaft bedient sich aus derartigen Flexibilitätserwägungen gerne des Lastkraftwagens.
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Kraftfahrzeugverkehr bedeutet eine Abwägung zwischen Freiheit und Gefahr, zwischen der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs einerseits sowie dessen Sicherheit andererseits. Vermittler in diesem Konflikt sind die Straßenverkehrsvorschriften. Sie beschränken häufig die Freiheit des Einzelnen, machen deren sinnvollen Gebrauch bisweilen aber auch erst möglich. Müssten wir uns an jeder Kreuzung mit den anderen Verkehrsteilnehmern verständigen, wer Vorfahrt hat, dann würde das so enden wie im Slapstick-Film: Alle gestikulieren höflich, fahren dann gleichzeitig los und in die Kollision hinein.

Die Vorfahrtsregeln schaffen ein Mehr an faktischer Freiheit: Wer sich auf der bevorrechtigten Straße befindet, braucht sich nicht nur nicht mit anderen auf die Fahrtreihenfolge zu verständigen; er darf mangels gegenteiliger Anhaltspunkte vielmehr darauf vertrauen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer die Vorfahrtsregeln kennen und ihm den Vortritt einräumen.

Der Inhalt der Straßenverkehrsvorschriften und das prinzipielle Vertrauen auf deren Beachtung durch die anderen Verkehrsteilnehmer stecken das sogenannte erlaubte Risiko ab. Abstrakt lassen sich dessen Grenzen relativ leicht bestimmen, zum Beispiel durch die Formulierung eines Gebots des Fahrens auf Sicht beziehungsweise auf halbe Sicht. Welcher Geschwindigkeit dies im Einzelfall entspricht, ist freilich eine diffizile, für den Richter ohne Beiziehung eines Sachverständigen in der Regel nicht zu lösende Frage.

Jenseits dieser Probleme der Rechtsanwendung begegnet der Streitpunkt, was man auf dem Asphalt dürfen soll. In dieser rechtspolitischen Diskussion wird häufig auf Unfallstatistiken zurückgegriffen. Und zwar insbesondere von jenen, die eine stärkere legistische Einhegung des Straßenverkehrs anstreben. Wer der Meinung ist, dass circa 3.500 Verkehrstote pro Jahr deutlich zu viele sind, ist ethisch im Vorteil gegenüber jenem, der um der Nutzen der motorisierten Fortbewegung willen mit dieser Zahl leben kann.

Zu bedenken gilt hierbei allerdings, dass eine weitere Verschärfung der Straßenverkehrsvorschriften nur noch zu einer disproportionalen Verringerung der Personen- und Sachschäden führen wird. Der Hochrisikobereich, dessen Beschneidung sehr viel für die Verkehrssicherheit bringt, ist schon längst zum Tabu erklärt worden. Eine substantielle Verbesserung der Unfallstatistiken würde ausgehend vom Status quo drastische Beschränkungen der Freiheit des Straßenverkehrs erfordern; polemisch ausgedrückt: ganz Deutschland eine Zone 30.

Und freilich hilft eine strengere Regulierung in den Fällen nicht, in denen sich jemand als normativ nicht ansprechbar erweist.

Noricus

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