1. März 2017

Marginalie: Der ach so freche Karneval

Für Nicht-Rheinländer ist die berüchtigte fünfte Jahreszeit oftmals nur schwer zu verstehen und noch schwerer zu verdauen. Jetzt sind wir alle auf Kommando lustig. Ist nicht jedem Seins. Und wer keinen Alkohol trinkt für den ist es dann noch schwieriger. Aber an für sich undramatisch, beschränkt sich der Unsinn bekanntlich im Wesentlichen aufs Rheinland, deshalb soll der Karneval selbst auch hier nicht das zentrale Thema sein, sondern nur ein Teilaspekt davon. Der "freche" Teil.

In der Selbstwahrnehmung des Karnevalisten an sich ist Karneval ja etwas furchtbar freches, bei dem die Obrigkeit herausgefordert wird, die Mißstände kritisiert werden, es kommt so ein klein bischen Revolutionsstimmung für Kinder auf, was man sich so alles traut.
Kumulieren tut das ganze zum einen in diversen Karnevalssitzungen (mancher wird an der Stelle die richtige Assoziation haben) und natürlich, wie könnte es anders sein, im Rosenmontagszug. Wo dann "die Politik" und "das Establishment" durch den Kakao gezogen wird. So meint zumindest der rheinische Karnevalist in seiner etwas seltsamen Form der Wahrnehmung.
Wie könnte es auch anders sein, so hat der Düsseldorfer "Wagenbauer" Jacques Tilly mal wieder daran gearbeitet sein ohnehin recht teppichverdächtiges Niveau noch ein bischen abzusenken und hat sich dann dieses Jahr auf Donald Trump gestürzt. Mit gewohnt geschmackloser Inszenierug. Und natürlich hat er es sich auch nicht nehmen lassen noch ein bissel gegen die AfD und Wutbürger im Allgemeinen zu hetzen. Wer Tillys "Arbeit" kennt, kann das nicht besonders überraschen, seine politische Heimat ist nicht wirklich ein Geheimnis. Aber auch Jacques Tilly soll nicht das Thema sein.
Nein, interessant ist eher wie die Wagen ankommen und wie der Karnevalist sie wahrnimmt.Denn der Karnevalist an sich fühlt sich damit ungeheuer revolutionär und eben "frech". Das ist auch der Tenor der heimischen Presse, vom Express bis zur rheinischen Post. Wenn überhaupt Kritik aufkommt, dann allenfalls an dem Fakt, dass Trump in einer Vergewaltigungsszene gebastelt wurde. Anstoss dabei wird aber nicht an Trump genommen, sondern an dem PC-gefährlichen Thema Vergewaltigung. Trump wiederum als Hitler darzustellen: Kein Problem in Düsseldorf.
Das Absurde an der ganzen Geschichte ist aber etwas anderes: Ich kann mir kaum ein Thema vorstellen, bei dem man besser auf dem deutschen Mainstream liegt, als beim Trump-Bashing. Auch die AfD zu verunglimpfen entspricht hundertprozent der deutschen Politik- und Medienleitlinie, oder anders gesagt: Dem Establishment. Trump, Le-Pen und Wilders als Hitler darzustellen, absolut auf dem deutschen Mainstream. Trump und Putin in einen Kontext zu setzen, einen demokratisch gewählten Volksvertreter und einen "lupenreinen Demokraten", absolut Mainstream. Aber der Karnevalist kommt sich ungeheuer frech und mutig vor. (Randnotiz: Herr Tilly konnte dann auch gleich Mails von "Reichsbürgern" vorlegen, um zu belegen wie ungeheuer gefährdet er dadurch ist und wie man ihm nach dem Leben trachtet. Ich frage mich nicht nur woher er weiss, dass ihm "Reichsbürger" schreiben (haben die einen offiziellen Briefkopf?), ich würde die ganze Story doch sehr fragwürdig einstufen.))
Aber mutig ist daran rein gar nichts.Wo ist der Mut das zu artikulieren, was die Politik vorlebt und dem aktuellen Zeitgeist entspricht? Wo ist der Mut sich in Beleidigungen zu ergehen, wo man sicher annehmen kann, dass man von seinem Ziel kaum als satisfaktionsfähig betrachtet wird? Wo ist der Mut mit der Menge auf eine Minderheit einzudreschen, die gerade nicht politisch opportun ist?
Und weils so gut passt, lassen Sie mich auch einmal Godwins Law im ersten Akt erfüllen. Ich kenne durchaus ein historisches Analogon wie mutig der rheinische Karneval auch schon früher gewesen ist. Denn auch im dritten Reich waren die Narren unglaublich "frech". Und mutig. Und sie lagen genauso hundertprozent auf der Linie des Establishments wie sie das heute liegen.

Ich kann mit Karneval recht wenig anfangen. Aber wenn die Leute sich friedlich besaufen wollen, habe ich auch nichts dagegen. In anderer Teilen des Landes gibt es ja auch Schützenfeste und die haben eigentlich auch kein anderes Ziel. Aber dieser "offizielle" Karneval, der so "frech", "mutig" und "kritisch" sein soll, der macht mir das ganze nicht nur unsympathisch. Ich finde es eher widerlich. Wer eine solche Geschichte im dritten Reich hinter sich hat, sollte eigentlich ganz kleine Brötchen backen. Aber man ist ja bekanntlich "frech". Nee, ist klar.
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Llarian

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