8. März 2017

Gedanken zur Freiheit der Wissenschaft

­Würde mich jemand fragen was Wissenschaft ist würde ich als erstes anmerken wollen, daß der Wortstamm im Grunde unglücklich gewählt wurde. Wissenschaft hat nämlich im Sinne des Wegs zu Erkenntnis sehr viel mehr mit Zweifel, denn mit Wissen zu tun. Sie sollte daher, beschreibt das Wort doch einen Prozeß nicht das Ziel desselben, viel eher "Zweifelschaft" heißen.

Nach Karl Popper ist Wissenschaft dabei ein Prozeß, welcher mit intersubjektiv überprüfbaren (also falsifizierbaren) Theorien versucht, empirische Beobachtungen zu beschreiben. Die formulierte Theorie wird dabei immer wieder mit empirischem Datenmaterial abgeglichen. Solange die Theorie diesem Vergleich standhält, kann man sie als aktuellen Kenntnisstand der Wissenschaft bezeichnen. Es ist allerdings per definitionem unmöglich die Theorie als absolut richtig zu beweisen, denn: Gleichgültig wie viele empirische Beobachtungen die Theorie auch bestätigen, kann niemals die Möglichkeit ausgeschlossen werden, daß eine empirische Beobachtung einmal der Theorie widersprechen könnte.


In anderen Worten ausgedrückt heißt dies: Wissenschaft kann niemals Gewissheit (Wissen) geben, sondern nur eine Annäherung an diese(s) sein. Wissenschaft ist in diesem Verständnis ein Prozess, in dem man Versucht eine Theorie zu widerlegen (sie anzuzweifeln), und mit jedem Mißlingen dieses Vorhabens kommt man der Gewißheit und Erkenntnis ein Stückchen näher - wenn man beides auch nie endgültig erreichen kann. Absolutheit gibt es in der Wissenschaft nicht. Kann es nicht geben. Für die Absolutheit braucht es ein Dogma, welches nicht Teil der Wissenschaft sein kann.

Sogar unser Grundgesetz berücksichtigt in meinen Augen dieses Verständnis von Wissenschaft, in dem es in Artikel 5, Absatz 3 feststellt: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei." Es ist unter anderem (meines Dafürhaltens sogar vor allem) die Freiheit des wissenschaftlichen Zweifels, welcher hier durch das Grundgesetz geschützt ist.
 
Vor einigen Monaten habe ich in einem Beitrag hier in Zettels Raum versucht darzulegen, warum ich viele Fragen im Zusammenhang mit dem, was man allgemein den ("menschengemachten) Klimawandel" nennt, für derzeit unbeantwortet halte. Zunächst unterliegen die zur Modellierung benutzten Gleichungssysteme gewissen inhärenten, prinzipiellen Restriktionen. Daraus folgt, wie ich versuchte darzulegen, dass weder der Umfang des menschlichen Einflusses auf das Klima, noch der Umfang nichtmenschlicher Einflüsse auf das Klima derzeit klar sind - auch und vor allem, weil empirische Beobachtungen und Theorievorhersagen immer schwerer zu erklärende Differenzen aufweisen. Im Weiteren sind auch die Auswirkungen einer Klimaveränderung und die Wirkung des derzeitigen politischen und staatlichen Handelns unklar. Raum für Zweifel gibt es demnach mehr als genug in diesem Zusammenhang und Klimawissenschaft sollte, im Sinne des von mir weiter oben beschriebenen Wissenschaftsverständnisses, vor allem darin bestehen, diesen berechtigten Zweifeln in der wissenschaftlichen Debatte Raum zu geben.

Im Jahre 2013 erschien, herausgegeben vom Umweltbundesamt, eine 122 Seitige Broschüre zum Klimawandel mit dem Titel: "Und sie erwärmt sich doch." Diese Broschüre ist ein Plädoyer dafür, dass in Sachen Klimawandel die Wissenschaft im Wesentlichen "abgeschlossen", das Wissen erreicht ist. Unabhängig von der Art und Weise wie das Bundesumweltamt dazu argumentiert, kann eine solche Sicht natürlich nicht mit dem Bild einer "zweifelnden Wissenschaft" korrespondieren, wie ich sie weiter oben beschrieben habe.

Besonders eingehen möchte ich auf den Abschnitt ab Seite 96 bis Seite 113 dieser Broschüre, welchen ich dem geneigten Leser zur Lektüre anempfehle, um ein Gefühl für die benutzte Sprache, Kontext und Art Argumentation zu bekommen, welche das sachliche Argument an wesentlichen Stellen vermissen lässt. Der Abschnitt ist überschrieben mit dem Titel "Entstehung und gezielte Verbreitung von Zweifeln an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur anthropogenen Klimaerwärmung." In diesem Kapitel und den folgenden Seiten werden Zweifel an dem durch das Umweltbundesamt vertretenen wissenschaftlichen Sicht auf rein wirtschaftliche und nicht näher spezifizierte, unlautere Interesse zurückgeführt, die sich teilweise sogar am Rande der Legalität bewegen. So heißt es zum Beispiel auf Seite 98:

"Neben der sachlichen Aufbereitung und Verbreitung der wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt es […] fragwürdigen Herangehensweisen […] und Aktivitäten am Rande der Legalität. […] Für den Personenkreis, der die Erkenntnisse der Klimawissenschaft nicht anerkennt, hat sich sogar ein feststehender Begriff durchgesetzt: "Klimawandelskeptiker"."

Wenn es auch nicht direkt attribuiert wird, werden hier durch assoziative Sprache die Formulierungen wie „am Rande der Legalität“ und „Klimawandelskeptiker“ in einen Zusammenhang gestellt. Auf Seite 110 heißt es dann in einem Kapitel, überschrieben mit:

 "5. "Klimawandelskeptiker" in Deutschland: [...]

Auch in Zeitungen und Zeitschriften […] tauchen mitunter Beiträge auf, die nicht mit dem Kenntnisstand der Klimawissenschaft übereinstimmen. Bekannt für derartige Beiträge sind die Journalisten und Publizisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch."

Dies war nach meinem Verständnis Anlaß einer Unterlassungsklage durch Michael Miersch gegen die Bundesrepublik Deutschland. Diese wurde jetzt letztinstanzlich durch das Oberverwaltungsgericht Magdeburg abgewiesen. Einzelheiten dazu kann man in einer Pressemeldung Michael Mierschs nachlesen. Das Umweltbundesamt darf also bei seinen Darstellungen im Zusammenhang mit den getätigten Namensnennungen bleiben.

Ich bin kein Jurist und traue mir nicht zu, das Urteil aus juristischer Sicht beurteilen zu können. Ich bin allerdings Naturwissenschaftler und als solcher kann ich feststellen, dass diese Broschüre des Umweltbundesamtes dem Geiste einer wissenschaftlichen Debatte, welche vom Zweifel lebt, widerspricht, indem sie den Zweifel diskreditiert. Ein Gericht erklärt dabei das Vorgehen des Umweltbundesamtes für rechtens. Den Widerspruch, wie das mit der durch Artikel 5 Absatz 3 GG garantierten Freiheit von Lehre und Forschung vereinbar ist, welche durch persönliche Diskreditierung hier meines Ermessens angegriffen wird, kann ich persönlich nicht auflösen.

Das Bonbon, liebe Leser, nun am Ende meiner Gedanken. Der Titel der Broschüre des Umweltbundesamtes lautet. "Und sie erwärmt sich doch." Er ist damit eine Anspielung auf das berühmte Zitat Giordano Brunos "Und sie bewegt sich doch!", welches fälschlicher Weise oft Galileo Galilei zugeschrieben wird. Der Titel der amtlichen Broschüre ist demnach eine Anspielung auf ein Zitat, welches gemeinhin als ein Sinnbild für den Kampf des Individuums für die Freiheit der Wissenschaft gegen staatliche Repression - als solche kann man die Inquisition im Mittelalter durchaus interpretieren - verstanden wird.

Während also im Mittelalter das Individuum sich gegen die Repression staatlicher und kirchlicher Ordnung wehrt, geriert sich hier eine staatliche Behörde in Verteidigungspose gegen ein Individuum. Welch ein makabres und erschreckendes Verständnis von Gesellschaft, Politik und Geschichte.

© nachdenken_schmerzt_nicht. Für Kommentare bitte hier klicken.