6. März 2017

Die innere Ruhe oder der Aufstand?

Der türkische Präsident Erdogan hat mal wieder alle Hände voll zu tun, möglichst viel Platz in deutschen Zeitungen zu erlangen. Nun, es ist ihm gelungen. Sein Nazi-Vergleich ist wunderbar geeignet in Deutschland maximal zu provozieren und Aufmerksamkeit ist ihm absolut sicher. Man darf sich fragen, warum er das macht.


Denn diplomatisch wie wirtschaftlich wäre eine solche Provokation rundheraus dämlich. Er risikiert einen echten Handelsbruch mit Deutschland und wenn tatsächlich, als Spitze der Eskalation (zu der es eher nicht kommen wird) die diplomatischen Beziehungen abgebrochen würden, wäre das eine Katastrophe für die ohnehin schwächelnde türkische Wirtschaft. Ohne die Deutschen hat die Türkei in Europa fast keine Freunde mehr und eine Ausrichtung nach Russland oder nach China dürfte für sich zwar interessant sein, ist aber nicht wirklich kompatibel, denn das was die Türkei zu bieten hat, ist für China und Russland nicht so interessant wie für Europa. Und was gewinnt er auf der anderen Seite? Die paar Stimmen der "Deutschtürken" sind am Ende kaum kriegsentscheidend. Klar nimmt man die gerne mit, aber die eigentliche Entscheidung wird in der Türkei getroffen, wo er ohnehin auf bessere Presse hoffen kann (warum nur?). Wegen der paar zehnntausend Stimmen mehr, die er durch solche Auftritte bekäme, wäre es absurd einen solchen Schaden zu riskieren.
Ich denke die Zielgruppe für seine Provokation sind nicht die Deutschen. Und auch nicht seine Landsleute in der Türkei. Ich denke das Ziel seiner Provokation sind fast ausschließlich die sogenannten Deutschtürken. Und die Absicht ist die maximale Entfremdung von der deutschen Gesellschaft. Erdogans Verhalten in der Vergangenheit, seine Rede über Assimilation ("gegen die Menschenrechte"), seine Aufforderung an die hiesigen Türken ("integriert Euch, aber bleibt Türken"), seine Steuerung durch Ditib, all das deutet klar darauf hin, dass es ihm vor allem darum geht in Deutschland eine möglichst große und schlagkräftige Minderheit zu erhalten, die er als Satellit für sich einsetzen kann. Deswegen sind ihm auch Leute wie Özdemir, der, egal wie unsympathisch er einem sonst erscheinen mag, sich als Deutscher mit türkischen Wurzeln versteht, so ein gewaltiger Dorn im Auge. Erdogan möchte diese Minderheit erhalten. Sie soll wachsen und gedeihen und sich um Himmels willen nicht in die deutsche Gesellschaft assimilieren lassen.
Denn nicht nur ist diese Minderheit finanziell ausgesprochen nützlich (Stichwort: Überweisungen in die "Heimat"), nein, sie sind auch in Deutschland ein gewaltiges Pulverfass. Die Situation mit den Flüchtlingen kann man auch anders lösen, Deutschland kann Zäune bauen, der Frieden kann ausbrechen, andere können Zäune bauen. Das Erpressungspotential gilt nur so lange wie Merkel an der Macht ist, und das steht so lange nicht an.
Aber das Pulverfass "Deutschtürken" ist eines mit beliebiger Zeitausdehnung. Erdogan mag das Spiel spielen: Entweder ihr tut demnächst was ich sage, oder ich sorge dafür, dass ihr in inneren Unruhen untergeht. Oder auch anders rum: Es sind schon die Unruhen da, und wenn ihr mir was gutes tut, dann bin ich so nett und beruhige die Lage. Keine sehr schöne Vorstellung.

Wie man mit den Provokationen jetzt umgeht, ist dabei nicht einmal so wichtig. Man mag sein Spiel mitspielen und noch ein bisschen eskalieren. Man mag es auch versuchen zu beschwichtigen, es wird am Ende kaum etwas ändern: Das Potential ist da. Und Erdogan versucht es zu nutzen. Und als Gesellschaft müssen wir uns die Frage stellen, wie wir damit umgehen. Sind wir bereit für den inneren Frieden zu akzeptieren, dass eine fremde Macht, mit gänzlich anderen Wertevorstellungen als den unseren, massiven Einfluss auf die deutsche Politik nehmen kann?


Llarian

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