6. Dezember 2016

"Abteilung: Erzählt den Witz!"



Liebe Närrinnen und Narrhallesen,
Viel zu lang ist's ernst gewesen....

Zu den unverbrüchlichen Grundsätzen im Spaßgewerbe gehört es, einen Witz, einen Joke, einen Gag nicht zu erklären. Erläuterte Pointen fallen flach. (In abgeschwächter Form gilt dieses eiserne Naturgesetz für die Übersetzung von grapjes, weswegen es ein sicheres Zeichen ist, daß wir uns in utopischen Gefilden bewegen, wenn Voltaires Unglücksrabe Candide im 18. Kapitel seiner Odyssee durch alle Unbillen der Weltgeschichte konstatiert, daß die Scherze des König von Eldorado sogar in der Übersetzung funktionieren.) Die Versuchung liegt da nahe, dieses Prinzip der Aussparung zu steigern, indem dem geneigten pp. Publico erst gar nicht mitgeteilt wird, daß es nunmehr ernsthaft bespaßt wird, getreu dem altbewährten englischen Schauspielermotto "Dying is easy - comedy is hard". Hinzu tritt die Mißlichkeit des hiesigen Festkalenders, die zwischen die Eröffnung der Fünften Jahreszeit und deren Kulmination im Februar die Nüchternheit der vorweihnachtlichen Fastenzeit und den Besinnlichkeitstreß des Jahresendfestes schaltet und der Fröhlichkeitsindustrie ein hemmendes Stakkato aufnötigt.



Da nimmt man mit Dank den Versuch des bislang als Karnevalsverein weniger in Erscheinung getretenen Amtes mit dem offiziellen Kürzel BfV, zur Stimmungsaufhellung zwischen Totenmonat und Wintersonnenwende beizutragen, zur Kenntnis. Andere Erklärungsversuche möchte man, selbst angedenk des Ockhamschen Rasiermesserprinzips, ausschließen angesichts der Begleitumstände, die sich um des Geschehen ranken und die mit dem Wort "bizarr" ausgesprochen höflich umschrieben werden.

Wie allgemein bekannt, wurde am 16. November ein Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz verhaftet (die Mitteilung an die Presse erfolgte am 30.11.), unter dem Verdacht, daß er versucht hatte, im Internet-Chaträumen mit Islamisten Kontakt und Gleichgesinnte aufzutun, um ihnen Zugang zur Kölner Dependance des Amtes in der Merianstraße zu verschaffen, "um Ungläubige zu töten", was "sicher im Sinne Allahs" sei. Zudem bot er an, Gesinnungsgenossen Informationen über Fahndungen und Einsätze zukommen zu lassen. Das Glück wollte es, daß er damit nicht an sprenggläubige Glaubensbrüder geriet, sondern an verdeckt ermittelnde Mitarbeiter des eigenen Dienstes, die anhand seiner detaillierten Informationen die Identität hinter den Nicks "Raul ." und "Abdarrahman" ausfindig machen konnten. Bislang scheint ungeklärt, ob hier vor der Aufdeckung des falls sicherheitsrelevante Informationen weitergegeben wurden. Angesichts der haarsträubenden Details war von Seiten der Ermittler die Rede von "multipler Persönlichkeit" und daß er eher den Eindruck eines "Verwirrten" als eines fanatischen, zum Tod entschlossenen Islamisten erweckt habe.

Die Tatsachen: Bei dem Verdächtigen handelt es sich, wie man heute sagen würde, um einen Biodeutschen  - wenngleich mit spanischen Wurzeln. (Die hiesigen Zeitungen haben sich in weiser Einsicht in die Beschränktheit ihrer Möglichkeiten allein auf einen Bericht der Washington Post vom 30. November verlassen; die seitdem verschiedentlich auftauchende Schreibweise des Umlautes verdankt sich diesem Umstand ) Roque Mühlinghaus, 51, lebte in der niederrheinischen Kleinstadt Tönisvort bei Krefeld, arbeitete viele Jahre bei einer lokalen Sparkasse, in späteren Jahren als Pressesprecher (oder "Marketingleiter"); dies, soweit es aus den Treffern im Internet klar wird, bis mindestens 2012. Danach wird seine Lebensbahn exzentrisch. 

Im Jahr 2010 taucht er zum ersten Mal im Focus der Medien auf, in diesem Fall im Zusammenhang mit dem Schicksal seines dritten Sohnes, über das auch die BILD-Zeitung berichtete, und das man, jetzt ohne jeden Flachs, nur als tragisch bezeichnen kann. Konterkarierend dazu stehen aber die Details jenes Lebens, das er im Verborgenen führte. Es wirkt, als habe hier das Reale Leben die grellsten Klischees über die Verborgenen Dunklen Seiten der biederen Provinz wie in einem Zerspiegel gebündelt. Herr M. betätigt sich - unter den Tarnnamen, unter denen er auch als Verfassungsschutzmitarbeiter im Weltnetz firmiert - als Darsteller in Schwulenpornos; entwickelt eine Vorliebe für Tattoos in zackigen Lettern, war seit dem vorigen Jahr Mitinhaber eines Tattoo-Shops und verkaufte nebenbei auch fetischistische Dessous.

Im Internet warb er unter dem Label „German Military Underwear“ für militärische Unterwäschekollektionen, dachte dabei aber nicht an lange Baumwollunterhosen, sondern eher an frivole Schlüpfer und kapriziöse Unterhöschen, verziert und bestickt mit militärischen Emblemen, Reichsflagge, Bundesadler oder einem Eisernem Kreuz. Bekannten gegenüber soll er gesagt haben, er stehe auf kleine Höschen und werde mit ihnen „großes Geld verdienen“. Auf seiner vom EXPRESS entdeckten Internetseite bezeichnet er sich als „Gründer“ der „German Men Underwear“. Vertriebsort war Krefeld, der Standort der Bank, in der Roque M. lange Marketingleiter sowie Banksprecher war. (Express)

2014 konvertiert er dann zum Islam, nach eigenen Angaben aufgrund von ominösen "Anrufen eines Mohamed aus Österreich". Den Ermittlern dürfte eine Verbindung zu Abu Walaa wahrscheinlicher sein, der am 8. November ebenfalls in Tönisvort verhaftet wurde.

Den Behörden ist Abu Walaa als bedeutender Propagandist der salafistischen Szene schon lange bekannt. Die Bundesanwaltschaft habe seit Herbst 2015 gegen den Iraker und mutmaßliche Helfer ermittelt. Sie sollen vor allem in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen junge Muslime für den sogenannten „Heiligen Krieg“, den Dschihad, angeworben und bei der Ausreise logistisch und finanziell unterstützt haben. Der in seinem Umfeld sonst so unauffällige Walaa ist für die Ermittler die zentrale Figur im Rekrutierungsnetzwerk des IS in Deutschland. (Göttinger Tageblatt).

(Die Behörden haben sich bislang nicht zu einem möglichen Konnex geäußert. Durchaus möglich, daß im Gefolge der aktuellen Menschengeschenkwelle in jedem Krähwinkel dieses Landes so viele Glaubensbemühte (vulgo Dschihadisten) versammelt sind, daß ein paar mehr oder weniger gar nicht auffallen.)

Wohlgemerkt: nichts davon - nicht einmal der Übertritt zu einer fanatischen Ausprägung einer Religion, die man nach den Erfahrungen der letzen 20 Jahre wohl besser als totalitäre Ideologie einstufen sollte, ist verboten oder - in heutigen Zeiten - als Ausweis einer unbürgerlichen Gesinnung zu werten. Exzentrisch, sicherlich. (Obschon die Vorstellung eines schwulen Pornostars, dem sich der Todesengel Azra'il gegenübersieht & über dessen Destination im Fall einer letalen Glaubensbemühung zu entscheiden hat, seinen Reiz besitzt. Zwar gibt es im Islam Volkstraditionen analog dem hiesigen "Pharisäertum", etwa Alkohol im Finstern zu genießen, "weil es Allah dort nicht sieht". Aber in diesem Metier legt man auf exzellente Ausleuchtung selbst kleinster Details hohen Wert.)  Wenn man schon die Qual hat, sich zwischen 56 möglichen Geschlechtern entscheiden zu müssen oder Naturgesetze als reine soziale Konstrukte zu akzeptieren, muß auf der Suche nach Distinktionsmerkmalen ein Gang zugeschaltet werden. Aber eins fragt man sich doch: Wie kann man in der obersten [Schlapphutbrigade] sorry, Geheimdienstbehörde dieses Landes ernsthaft auf den Gedanken kommen, der Pressesprecher einer Provinzsparkasse mit eher nichterroristischen Freizeitneigungen sei ein geeigneter Mitarbeiter zum Aufspüren und Ausräuchern in-echt, total-real und krass konkret vorhandener Gefährdungen? "He was thoroughly vetted" - er wurde gründlich überprüft, zitiert die Washington Post einen seiner Dienstkollegen (der verständlicherweise, wie im Pressewesen in solchen Fällen üblich, auf seine Anonymität Wert legt). Da hat man es wohl verabsäumt, in dem halben Jahr zwischen seinem Dienstantritt im April als "Seiteneinsteiger" und seinem Karriereende sechs Monate später etwa seine früheren Parteikollegen zu befragen.

Bis vor wenigen Jahren war Roque M. auch aktiver Grünen-Politiker, saß im Ortsvorstand der Partei. Doch dort, so heißt es in Parteikreisen, soll es um das Jahr 2009 herum einen Bruch gegeben haben. Parteimitglieder seien darauf gestoßen, was M. in seiner Freizeit mache: Porno-Filme, andere Artikel für die Homo- Szene.
Darunter war auch ein Roman mit dem Titel „Jesus in Love“, in dem es um eine angebliche homosexuelle Neigung von Jesus ging. Das war einigen in M.´s Umfeld zu viel. Der Fotograf, der ein entsprechendes Titelbild mit schwulem Bezug zu Jesus gestalten sollte, sah sich wegen der Anstößigkeit dazu nicht in der Lage, wie dieser am Donnerstag selbst dem EXPRESS sagte.
Aus Sicht einiger andere Grünen-Funktionäre habe zumindest ein Teil des Materials, bei dem es auch um die Darstellung bzw. Beschreibung von Vergewaltigungshandlungen bzw. massivem Eindringen in den Körper gegangen sein soll, die Grenze zur Verherrlichung von Gewalt überschritten. Ein Parteimitglied fragt sich heute: „Das konnte man zumindest damals recht einfach bei Google finden. Hat das der Verfassungsschutz das etwa nicht gesehen, als er ihn einstellte?“
(Kölner Express)

Als einzig plausible Erklärung scheint sich hier anzubieten, daß man vorhat, den radikalen Islamismus auf jene Weise zu besiegen, mit der schon die Alliierten 1944/45 den Sieg über einen vollkommen humorfreien Gegner davongetragen haben; nämlich daß sie sich beim Anblick der Umtriebe der Gegenseite buchstäblich totlachen.



Wie aber, Scherz beiseite, kann es angehen, daß ein Nachrichtendienst in einem halben Jahr nicht herausbringt, was mich - zugegeben post festum - keine zwei Minuten Googelei gekostet hat? Der in den Medien am Wochenende zitierte Einspruch "er hat das ja nicht unter Klarnamen getan; wie sollten wir davon etwas wissen?" zieht natürlich; es dürfte für unsere Sherlocks sicher einen schweren Schock darstellen, daß selbst auf diesem Blog und dem daran angeflanschten Diskussionsforum die wenigsten Teilnehmer mit ihren Taufnamen unterwegs sind - eine Tatsache, die in der Diskussion um die Anonymität im World Wide Web vor 20 Jahren auskultiert wurde und die das Netz keineswegs in ein fröhlich rechtsfreies Anarchistan verwandelt hat. Eine Nachfolgemeldung von heute bei Spiegel Online scheint da ein brauchbarer Fingerzeig:

Die Verwunderung war groß, als bekannt wurde, dass ein mutmaßlicher Islamist vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) als Islamistenjäger wurde. Ein selbsternannter Gotteskrieger mit Hang zu Schwulenpornos und Fraktur-Tattoos, der aus seinen Neigungen im Internet keinen Hehl macht, war im Inlandsgeheimdienst niemandem aufgefallen?
Zwar hätte eine einfache Google-Suche nach Roque M. jeden schnell stutzig werden lassen. Aber genau das, so das Ministerium, sei gesetzlich "nicht als Standardmaßnahme vorgesehen."
(SPON, 05.12.)

Titel: "Geheimdienste dürfen künftig googlen". Ja dann... Und weiter erfährt man en passant Folgendes:

Sicherheitsstandards anno 1994  
Ein Grund dafür dürfte sein, dass das Sicherheitsüberprüfungsgesetz aus dem Jahr 1994 stammt - damals gab es weder Google noch soziale Netzwerke wie Facebook.

Das gibt mir eine Idee, wie wir uns bei den aufopferungswilligen Spezialisten, denen unser Wohl anvertraut ist, auf eine der Sache durchaus angemessene Weise zum anstehenden Jahresbeendigungsfest bedanken können. Ich bitte hiermit darum - vorzugsweise in Gestalt von Sachspenden - ihnen allen, allen 2900 Mitarbeitern des Dienstes, besonders aber den führenden Chargen Gelegenheit zu geben, einen Blick in die Zukunft der Digitalisierung und IT werfen zu können, die aus ihrer Sicht noch im Dunkel der Zukunft verborgen ist, indem wir ihnen ein passendes Geschenk auf den Gabentisch legen.

Ein Tamagotchi.








Ulrich Elkmann

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