16. Dezember 2016

Randbemerkung: Darf man einem Dieb glauben?

­
Stellen Sie sich folgende Situation vor, lieber Leser: Es gibt einen kleinen Ort, nennen wir ihn Obastein, und in Obastein regiert ein alter Bürgermeister schon eine ganze Weile vor sich hin. Er ist nicht unbeliebt und lebt vor allem davon, dass die meisten Bürger ihn für einen integren Menschen halten. Nun gibt es im Dorf auch ein altes Unternehmen das von einem Herrn Putz geführt wird. Und der Herr Bürgermeister und der Herr Putz, die mögen sich nicht. Warum spielt keine wirkliche Rolle, nur das die beiden sich absolut nicht leiden können. Nun ist der Herr Putz ziemlich sauer, aber vor allem ist er nicht arm. Er engagiert einen Privatdetektiv, der herausfinden soll, was der gute Herr Bürgermeister alles so treibt. Und nach einiger Suche stösst der Detektiv auf eine Verbindung zu einer schweizer Bank. Er besticht einen Mitarbeiter der Bank und dieser händigt ihm Unterlagen aus, die recht gut belegen, dass der gute Herr Bürgermeister seit Jahren ein erhebliches Bankkonto bei der Schweizer Bank führt. Soweit, so "normal".


Nur ergibt es sich, dass in Obastein nun auch alle vier Jahre gewählt wird. Der Wahlkampf ist eigentlich relativ langweilig, da die Wiederwahl des Bügermeisters relativ sicher ist und die verbreitetste Zeitung des Ortes, die Obasteiner Zeit, steht fest hinter dem Bürgermeister. Und mitten im Wahlkampf, in dem eigentlich die Wiederwahl des Bürgermeisters fest stand, veröffentlicht eine kleinere Zeitung, ein Revolverblatt namens Fuchs-Nachrichten durch einen Tip von Herrn Putz die Existenz des Bankkontos. Nun kommt der Herr Bürgermeister gehörig in die Defensive. Er kann es nicht so recht erklären, redet viel drumrum und beruft sich am Ende darauf, dass das seine Privatsache sei. Erstaunlicherweise (?) oder auch gerade nicht, reicht diese Nachricht aus, dass sein Konkurrent gewählt wird. Der Bürgermeister ist ausser sich. Er schreit Zeter und Mordio und bezichtigt Herrn Putz die Wahl beeinflusst zu haben.

Nun: Hat Herr Putz das wirklich getan? Ist Herr Putz der "Böse"? Das er illegal gehandelt hat, steht ziemlich ausser Frage, aber ist es nicht der Bürgermeister gewesen, der das Bankkonto geführt hat? Und wie ist es mit dem lokalen Nachrichtenblatt, den Fuchs-Nachrichten, das die Geschichte veröffentlicht hat? Hat das nicht auch die Wahl beeinflusst? Und was ist mit dem zweiten Nachrichtenblatt, der Obasteiner Zeit, die fest und dauernd gegen den Konkurrenten des Bürgermeisters angeschrieben hat? Ist es nicht normal, das Nachrichten Wahlen beeinflussen? Kann es besonderes Unrecht sein, wenn der Herr Putz das tut?
Was ist, wenn eine Zeitung den Bankmitarbeiter bestochen hätte? Was wäre, wenn der Bankmitarbeiter der Zeitung die Information einfach so gegeben hätte?

Natürlich ist von mir gemalte Bild recht einfältig (und allein durch die Namen trivialst zu durchschauen). Aber die Fragen bleiben: Darf vermeintliche oder tatsächliche Unmoral nur von Pressevertretern aufgedeckt werden? Oder gar nicht? Haben Politiker ein Recht darauf, dass ihre Moral nicht in Frage gestellt wird, auch wenn sie sich selber gerne auf einen moralischen Sockel stellen? Und macht es einen Unterschied, ob die Unmoral durch einen "Whistleblower" aufgedeckt wird (was ja heute ungeheur en vogue ist), oder von jemandem, der bewusst einem bestimmten Politiker schaden will?  Hat nicht das Bundesverfassungericht (in einer seiner dunklen Stunden) verkündet das illegal von Privaten verschaffen Informationen, grundsätzlich (!) verwertbar sind (siehe Steuer-CD Urteil)? Darf man einem Dieb glauben? Oder nur dann, wenn es der guten Sache dient?
Llarian

© Llarian. Für Kommentare bitte hier klicken.