Luftquallen. Eine Entdeckergeschichte.
Von Paul Scheerbart
Vor acht Tagen besuchte mich ein Herr, auf dessen Visitenkarte der sonderbare Name "Crispin Dobberkatz" stand. Der Herr sagte gleich:
"Ich habe einen komischen Namen, das ist ein großes Unglück für mich; denn man lacht immer, wenn ich was erzähle. Außerdem bin ich ein geborener Amerikaner - aus Chicago. Und als Amerikaner werde ich auch nicht ernst genommen, weil man jetzt alle Amerikaner für Schwindler hält - Cook und Peary haben mir da sehr geschadet."
"Wodurch," fragte ich da, "kann ich Ihnen also gefällig sein?"
"Sie," erwiderte er, "werden in jedem Falle immer ernst genommen. Ihnen glaubt man alles. Sie haben noch nie die Unwahrheit gesagt."
"Das weiß ich!" versetzte ich stolz und bot dem Herrn eine meiner sehr langen Zigarren an.
Wir rauchten.
Und er fuhr fort:
"Sehen Sie, die Sache liegt nun so: ich habe etwas Kolossales entdeckt; nicht einmal Eskimos hatte ich bei mir - wie Cook und Peary."
"Haben Sie," fragte ich da ganz ernst, "den Südpol der Erde entdeckt?"
"Nein," erwiderte er.
Ich atmete auf.
"Das freut mich," sagte ich leise, "denn wenn ich diese Entdeckung des Südpols für eine Tatsache hätte ausgeben sollen, so wäre mir zweifelhaft gewesen, ob mir alle Menschen glauben würden - die meisten hätten es ja wohl getan - alle aber bestimmt nicht."
Der Herr Crispin Dobberkatz kam nun zur Sache und sagte hastig - öfters stotternd:
"Meine Entdeckung ist - darauf können Sie sich verlassen - viel größer als die Entdeckung des Nord- und Südpols zusammengenommen. Ich hatte im vorigen Jahre ein kleine Erbschaft gemacht. Und mit dem - mir zur Verfügung stehenden Gelde - ließ ich mir einen lenkbaren Luftballon bauen, an dem - Motor und Propeller - u-n-t-e-r der Gondel arbeiten sollten. Ich wollte nicht geradeaus fliegen - ich wollte nur nach oben fliegen. Sie können sich die Sache wohl vorstellen: ich wollte hoch oben in der Luft, wenn die Antriebskraft des Ballons nachließ, durch einen Motor unter der Gondel einfach nachhelfen, um so hoch wie möglich zu kommen. Daß ich dadurch gewaltige Höhen erreichen mußte, schien mir sehr klar zu sein."
"Mir auch!" bemerkte ich rasch. "das Experiment wird aber nicht billig gewesen sein. Von Ihrem Vermögen ist sicherlich nicht viel übrig geblieben."
"Sie haben," rief er feierlich, "den Nagel auf den Kopf getroffen. Nicht ein roter Pfenning ist übrig geblieben."
"Trösten Sie sich!" rief ich lachend, "das geht anderen Leuten auch so. Wenn Sie nur nicht allzuviele Schulden bei Ihrem Experiment gemacht haben, dann geht's ja noch."
"Leider," gab er wehmütig zurück, "habe ich auch allzuviele Schulden bei dem Experiment gemacht."
"Nun - dann," versetzte ich hart, "bin ich sehr froh, daß ich nicht Ihr Gläubiger bin. Mit Schuldnern, die nichts besitzen, ist ganz bestimmt nicht viel anzufangen. Das weiß ich aus Erfahrung. Sie können mir's glauben; ich lüge nie - das wissen Sie ja schon, und ich - weiß das auch."
Er runzelte die Stirn und schweig ein paar Sekunden, dann aber fuhr er wieder hastig und stotternd in seiner Erzählung fort:
"Die Mechaniker, die meinen Ballon zusammenbauten, haben mir sehr viel Geld abgenommen. Und schließlich habe ich ihnen noch alles, was sie machten, dalassen müssen als Pfand. Das ist das Bitterste für mich: ich bin gar nicht in der Lage, weiter zu experimentieren. Ich bin nicht in der Lage, Geldleuten meinen Höhenluftballon zu zeigen, so daß ich nicht weiß, wie ich es anfangen soll, meine Ideen durchzusetzen. Es glaubt mir ja niemand. Wenn jemand meinen Namen hört, fängt er gleich an zu lachen. Und - daß ich Amerikaner bin, kann ich doch nicht verschweigen. Das geht doch nicht."
"Warum sollte das nicht gehen?" sagte ich lächelnd. "Sie sprechen ja fließend Deutsch. Außerdem glaube ich gar nicht, daß es Ihnen schadet. Amerikaner zu sein. Ihr allerdings etwas komisch klingender Name schadet Ihnen auch nichts. In Deutschland schadet er Ihnen ganz bestimmt nicht. Wir sind hier an das Komische so gewöhnt. Mein Name klingt doch auch komisch. Und - ein aparter Name läßt sich doch leichter behalten. Die Namen Müller und Schultze sind viel gefährlicher. Indessen - ich weiß nicht recht, wie ich Ihnen helfen soll. Geldleute, die sich für Höhenluftballons interessieren, werden wohl zu entdecken sein. Aber - ich entdecke niemals Geldleute. Darauf können Sie sich verlasen. ich spreche die Wahrheit!"
"Glaub's ja!" rief Herr Crispin nun ebenfalls lachend, "aber Sie sollen ja auch gar keine Geldleute entdecken. Ich will ja ganz was anderes von ihnen."
"Na, dann erklären Sie," sagte ich sehr laut, "sich nur deutlicher. Sind Sie denn mit Ihrem Ballon schon aufgestiegen?"
"Freilich," rief er da mit leuchtenden Augen, "von diesem Aufstieg will ich Ihnen ja erzählen. Das ist ja das kolossale Ereignis in meinem ganzen Leben. Und daß da niemand an das, was ich erlebte, glauben will, das ist ja der einzige Schmerz in meinem ganzen Leben. Und darum bin ich ja nur zu ihnen gekommen. Ich wollte Sie bitten, eine Geschichte aus dem, was ich Ihnen jetzt mitteilen werde, zu machen."
"Mit Vergnügen," versetzt ich, "ich schreibe gern Geschichten. Aber - ich schreibe nur wahre Geschichten - keine Schwindelgeschichten. Sie müssen mir fest versprechen, daß alles, wie Sie mir mitteilen, genau den Tatsachen entspricht und Lügen nicht enthält."
"Darauf," sagte er, "können Sie sich fest verlassen. Ich lüge auch nicht. Deswegen fühle ich mich ja so zu ihnen hingezogen. Wahrheitsfreunde fühlen sich immer zueinander hingezogen. Ich verspreche Ihnen feierlich, nur die lautere Wahrheit zu sagen."
Wir schüttelten uns gerührt die Hände. Dobberkatz traten zwei dicke Tränen in die Augen - mir nicht.
Ich wurde nun ungeduldig, und wollte nun endlich erfahren, was dem hern aus Amerika passierte, ich sagte das, und er antwortete:
"Ich will mich kurz fassen!"
"Davon merke ich noch nichts!" sagte ich bescheiden.
Er aber begann zu erzählen - mit leuchtenden Augen - folgendermaßen:
"Ich stieg ganz allein in meinem Ballon auf, um die Gondel so wenig wie möglich zu belasten, und so erreichte ich sehr bald eine Höhe von ungefähr zehntausend Metern."
"Ungefähr?" fragte ich.
"Ja," sagte er, "ich hatte leider Meßinstrumente nicht mitgenommen - weil ich - ja - weil ich gar nicht die Absicht hatte, der Welt durch Erreichung einer besonderen Höhe zu imponieren. Ich wollte etwas anderes: ich wollte hoch oben neue Lebewesen entdecken!"
Die letzten Worte schrie Herr Crispin, ich aber meinte ganz ruhig:
"Wenn Ihnen das gelungen ist, so werde ich sehr viel darüber schreiben. Erzählen Sie nur weiter! Fassen Sie sich nur kurz!"
Und er faßte sich endlich kurz - also:
"Ich setzte hoch oben meinen Motor unter meiner Gondel in Bewegung, wickelte mich fest in meinen Pelz und erreichte mit meinen Händen meinen Luftballon, da die Gondel ja nun schneller hoch stieg, als der Ballon. Ich hielt nun den Ballon mit zwei leichten Stöcken, die ich nur zu diesem Zwecke mitgenommen, und stieg nun immer höher - ungefähr zwei Stunden hindurch."
"Wieder dieses Ungefähr!" bemerkte ich unwillig.
Er aber sagte gelassen: "Die Zeitbestimmung ist gänzlich gleichgültig. Denn -sehen Sie! Jetzt sah ich das Ungeheuerlichste - ich sah aquamarinfarbige Riesenquallen."
Er schwieg und sah mich an, und ich wollte nun eine Beschreibung dieser Quallen haben.
"Stellen Sie sich," erklärte er da lebhaft, "zehn Meter breite, fast durchsichtige Seequallen vor - etwas hellbläulich und etwas hellgrünlich - wie Aquamarine sind. Aber sehr hell - fast durchsichtig. Diese Riesenquallen hatten vier Augen, die sie sofort, als sie mich sahen, wie Fernrohre vergrößerten. Die Fernrohre wurden wohl zwanzig Meter hoch. Das Tollste aber bemerkte ich unter ihrem Leibe - da faltete sich etwas auseinander - ein Propeller war's - ein natürlich angewachsener Propeller mit vier Flügeln. Diese Naturschraube setzte sich in Bewegung und brachte das Ter mit kolossaler Geschwindigkeit weiter. Und dann kamen sehr bald andere Quallen herbei - noch größere und auch kleinere - und alle die Quallen hatten natürlich Motorschrauben unter ihrem Leibe. Den Leib konnten sie in eine Kugel verwandeln. Die Schraubenflügel machten den Eindruck von Elfenbein, sie waren nicht größer als der Körper und konnten in diesen so hineingepreßt werden, daß sie ganz unsichtbar wurden. Nun starrten mich diese ungeheuerlichen Lebewesen, von denen viele sehr viel größer als mein Ballon waren, unheimlich mit ihren langen, an den Spitzen scharf smaragdgrün funkelnden Fernrohr-Augen mit großer Neugier an. Und ich starrte die Tiere gleichfalls an und wußte nicht, was ich sagen sollte. ich schlug mit den Händen herum und vergaß, daß ich Stöcke in den Händen hatte. So kam es, daß ich plötzlich mit dem Kopf gegen den Ballon stieß und so tief in den Ballon hineinkam, daß ich die Quallen nicht mehr sehen konnte. Ich ließ den Motor an und da konnte ich mich nicht gleich von dem Ballon frei machen. Kurz und gut: ich sank, mit dem Kopf im Ballon, in die Tiefe. Und als ich den Kopf schließlich frei hatte, sah ich die Luftquallen nicht mehr. Und als ich nach meiner Landung auf der Erde mein Abenteuer erzählte, glaubte man mir nicht;> man lachte mich einfach aus. Die Mechaniker wollten, ich sollte meine Schulden bezahlen; sie pfändeten mir Gondel, Ballon, Motor, Pelz und alles Übrige, so daß mir nur so viel übrig blieb, um nach Europa zu ihnen zu reisen. Ich möchte nochmals mit meinem Höhenluftballon aufsteigen. Wenn Sie eine Geschichte über das, was ich Ihnen erzählte, schreiben, so werden sicherlich einige Luftschiffer aufmerksam auf mich werden. Die Luftquallen müssen ja auch von anderen Leuten zu entdecken sein. Ich möchte, daß auch andere diese Luftungetüme entdecken. Sie blicken mit ihren Fernrohr-Augen offenbar immerzu in die Sternenwelt hinein. Vielleicht ist es möglich, diese Lebewesen zu uns hinunterzubringen. Jedenfalls müssen Sie eine Geschichte darüber schreiben, damit die Menschen erfahren, daß ich diese Luftquallen zuerst entdeckt habe. Diese Entdeckung ist doch mehr wert, als die Entdeckung des Nord- und Südpols."
"Ist das alles wahr?" fragte ich nun.
Da versicherte er mir nochmals, daß alles, was er erzählt habe, wahr sei.
Und da kann ich nun nur so berichten, wie ich's mit dem Vorstehenden getan habe.
Ich weiß, daß Herr Dobberkatz ein Ehrenmann ist, dem ich eine Lüge nicht zutrauen kann.
Wenn Kapitalisten Herrn Dobberkatz unterstützen wollen, bin ich gern bereit, seine Adresse anzugeben.
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Vom Berliner literarischen Original Paul Scheerbart (1863-1915) gab es an dieser Stelle schon geraume Zeit nichts mehr zu lesen, aber dieser kleine Text greift das Thema meines letzten Beitrags über „Dinge, die am Himmel gesehen werden“ recht gut auf. „Luftquallen. Eine Entdeckergeschichte“ erschien am 24. August 1910 in der Nummer 24 des ersten Jahrgangs der von Herwarth Walden herausgegebenen expressionistischen Zeitschrift „Der Sturm,“ dessen erste Nummer im März erschienen war.
„Cook und Peary”: Daß die “Eroberung des Südpols,“ fast zeitgleich unter Roald Amundsen im Dezember 1911 und gut fünf Wochen später durch Robert Falcon Scott erfolgte, ist bekannt – vor allem, daß das Abenteuer für die fünf Mitglieder des englischen Teams tödlich endete. Weniger bekannt ist, daß es bei der zwei Jahre zuvor erfolgten „Entdeckung des Nordpols“ zu etwas Ähnlichem gekommen war, nur daß das Diktum, das Marx in seiner Schrift „Der 18. Brumaire des Louis Napoleon“ Hegel nahelegt – daß sich geschichtliche Ereignisse doppelt ereignen, „das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“ – in diesem Fall in umgekehrter Reihenfolge stattfand. Was sich zwischen den amerikanischen Polarforschern Frederick Cook und Robert Peary im Sommer 1909 nach ihrer Rückkehr aus dem hohen Norden abspielte, hatte alle Züge einer Farce – und das wurde auch auf beiden Seiten des Atlantiks so gesehen – nicht zuletzt, weil es sich an der Rivalität der beiden größten New Yorker Tageszeitungen festmachte. Am Mittwoch, dem 1. September 1909, meldete der „New York Herald“ auf der Titelseite: „The North Pole Is Discovered by Dr. Frederick A. Cook.” Eine Woche später, am. 7. September, brachte die “New York Times“ die Schlagzeile: „Peary Discovers the North Pole After Eight Trails in 23 Years.” Die zweite Meldung beruhte auf einem Telegramm, das Peary aus der ersten Telegraphenstation, die er auf dem Weg nach Süden erreicht hatte, Indian Harbor auf Labrador, an das Blatt, mit dem er einen Vertrag über die Berichte seiner Polarfahrt abgeschlossen hatte, gekabelt hatte. Pearys 22-köpfige Expedition hatte New York im Juli 1908 Richtung Norden verlassen; am 6. April hatte er mit seinem Assistenten und drei Eskimos (damals durfte man dieses Wort noch verwenden, ohne sich den Zorn aller politkorrekten Geister zuzuziehen) man seiner Messung den nördlichsten Punkt der Welt erreicht (was in einer Einöde aus ebenem Eis damals etwas schwerer zu bestimmen war als heute im Zeichen von GPS); Peary letzte Sextanten-Messung ergab einen Wert von 89 Grad und 57 Minuten nördlicher Breite am Lagepunkt seiner letzten Lagers; die Gruppe marschierte daraufhin fünf Meilen in die Richtung, in der nach ihren Berechnungen Norden liegen mußte.
Cook, der ein Jahr zuvor, 1907, mit dem gleichen Ziel aufgebrochen war, machte sich im Februar 1908 von Annoatok im äußersten Norden Grönlands auf den Weg (Annotatok war in jenen Jahren eine kleine Robbenfängerstation; heute ist der Flecken aufgegeben). Erst 14 Monate später, im Frühjahr 1909, tauchte die Gruppe wieder auf; Cook erklärte später, er habe während des Irrmarsches über das Packeis, bei dem die Männer fast verhungert wären, am 21. April 1908 den Nordpol erreicht. Nach der Rückkehr beider Forscher entspann sich ein bitterer Streit um die Priorität – und ob ihre Behauptungen wohl zutreffen würden. Am Ende, im Dezember 1909, schickte Cook das Wenige, was er als Beleg vorweisen konnte, an die Königliche Polarkommission an der Universität von Kopenhagen – die am 21. Dezember in einem Gutachten zu dem Schluß kam, daß diese Beweise nicht ausreichten. Die meisten Messungen und Notizen, so Cook, seien auf Grönland unter Steinhaufen vergraben worden, um den quälenden Marsch über geborstenes Eis und offene Wasserflächen nicht unnötig zu behindern und dabei vielleicht verlorenzugehen; bis heute sind diese Corpora delicti nicht wieder aufgetaucht. Erschwerend kam hinzu, daß sich Photos, die Cook aus der ersten Phase der Expedition präsentierte und die zeigen sollten, daß er den Mount Denali im Süden Alaskas als erster bestiegen habe, als Fälschung erwiesen. Der heute als „Fake Peak“ bezeichnete Berg ist mit 1600 Metern Höhe etwas weniger herausfordernd als der fast 6200 m hohe Denali, 19 km weiter nördlich gelegen, der höchste Berg Alaskas. Cooks Ruf hat sich von dieser Episode nie wieder erholt. Die Berichte seiner Begleiter stimmten in zahlreichen Punkten nicht überein, und das verwaschene Photo, das Cook und einen seiner Begleiter vor ihrem Iglu an Nordpol zeigen soll, büßte damit einiges an Überzeugungskraft ein. Daß die heutige Forschung seit einiger Zeit zu der Überzeugung gekommen, daß auch Peary sein Ziel verfehlt habe und sich ebenfalls nicht als erster Mensch auf der Verlängerung der gedachten Erdachse aufgehalten habe, sei nur angemerkt. Schon die Zeitgenossen fanden die Episode eher bizarr – die Frage, welchen Unterschied, welchen Sinn es denn ergebe, ob man wirklich Leib und Leben riskieren sollte, um einen solchen Punkt zu erreichen, der sich in nichts sonst von all den tausenden Quadratkilometern ewigen Eises ringsum unterscheidet, findet sich als basso ostinato in den Berichten der Zeitungen und Journale des Herbstes 1909, von Buenos Aires über Paris, Berlin und Sankt Petersburg. Edmund Hillarys bündige Begründung für die Eroberung des "Dritten Pols," des Mt. Everest - "weil er da ist!" - folgte erst 40 Jahre später.
Daß Peary hier in eigener Sache „nicht ganz sauber gearbeitet“ hat, sei ebenfalls nur am Rande angemerkt. Sein Begleiter Matthew Hanson, der ihn auf dem Weg zum Pol begleitet hatte und der fließend die Sprache der Einheimischen sprach, erklärte, Cooks Begleiter würden falsche Angaben machen; daß Cooks Aufzeichnungen vergraben worden waren, lag daran begründet, daß er sie Harry Whitney (1873-1936) anvertraut hatte, einem Robbenjäger, der Peary aus einer früheren Expedition her kannte, weil die Kräfte seiner Männer nicht ausreichten, zwei bepackte Schlitten über das Eis zu ziehen. Als Whitney in Upernarvik Peary die drei Kisten übergeben wollte, um sie auf dessen Expeditionsschiff „Roosevelt“ zu verstauen, weigerte sich Peary, sie an Bord zu nehmen. Der lauthals ausgetragene Streit führte dazu, daß ein Jahr später Roald Amundsen größten Wert auf die Dokumentation seiner Reise und ihrer Umstände legte, um jede Gefahr einer Wiederholung zu vermeiden.
Im „Simplicissimus,“ dem berühmtesten (oder berüchtigsten) deutschen Satireblatt der ausgehenden Kaiserzeit, nahm sich in der Nr. 26 vom 27. September 1909 einer der Hausdichter des Blattes, Edgar Steiger (1858 in der Schweiz geboren und Anfang 1919 in München gestorben) der Causa von "Pearys Schrecken" unter dem Titel „Selbsterkenntnis“ so an (die Titelzeichnung stammt von Olaf Gulbransson, einem anderen Hausgott der Zeitschrift):
Ich bin der Pol, das heißt der Punkt,
An dem das Denken untertunkt;
Der alten Weltenesche Wipfel,
Der Erdenachse letzter Zipfel,
Mit dem der Mensch, der auf mir steht,
Sich langsam um sich selber dreht;
Ein mathematischer Begriff,
Um den seit je der Südwind pfiff,
Und drum ein Horizont gespannt,
Drin Ost und Westen unbekannt,
Und wo, wenn du dich umgeguckt,
Der Norden auf den Kopf dir spuckt;
Ein Garnichts ohne Raum und Zeit;
Ein Sprungbrett für die Ewigkeit;
Ein Erdfleck ohne Zeit und Raum,
Ein Widerspruch, ein Trug, ein Traum,
Mit ew'gem Schnee und Eis bedeckt
Und schon zum zweitenmal entdeckt!
Wer das versteht, der mag entscheiden,
Wer jetzo Recht hat von den beiden,
Der Cook mit seiner Fahnenstange,
Der Peary mit dem großen Maul.
Zerbrecht euch nur den Kopf recht lange!
Ich sage nichts. Ich bin zu faul.
(Der Cook mit seiner Fahnenstange)
U.E.
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