11. Juli 2022

Eine wirkliche Mondrakete: "...und wieder zurück"





(Symboldbild)

In der nachgerade „unendlichen Geschichte,“ die die Rückkehr der Menschen zum Erdtrabanten mittlerweile darstellt (oder genauer: als deren unmittelbare Vorbereitung sich mittlerweile präsentiert), bleibt dem Chronisten für die 26. Kalenderwoche, mit der die erste Hälfte des laufenden Jahres abschließt, nur, zwei erfolgte Schritte in diesem Marathonlauf im Protokoll zu vermerken. Sie mögen sich, jeder für sich genommen, nicht sehr gewichtig ausnehmen. Aber daß sie erfolgt sind, zeigt, daß sich hier definitiv „etwas bewegt“ und daß tatsächlich Hoffnung besteht, daß wir nach all den endlosen Verzögerungen und Vertagungen damit rechnen können, in absehbarer Zeit tatsächlich Zeugen eines solchen Aufbruchs zu werden. Ich erspare mir an dieser Stelle Überlegungen darüber, ob es sich bei bemannten Flügen zum Mond – oder zum Mars – tatsächlich um einen „Aufbruch“ handelt, ob die „Zukunft im All“ nicht besser Robotern, Rovern und automatischen Sonden vorbehalten sein sollte und daß der „spirituelle Mehrwert“ eines solchen Unterfangen sich in jedem Fall in überschaubaren Grenzen halten dürfte. Genau diese Erwägungen sind schon vor einem halben Jahrhundert, als Neil Armstrong seinen kleinen Schritt für einen Menschen und den „gewaltigen Sprung für die Menschheit“ im Meer der Ruhe machte, endlos angestellt worden – und aus der Rückschau kommt ihnen nicht das geringste Gewicht zu. Die „Vermessenheit,“ die „Hybris,“ die nicht nur von damaligen Zeitgeistsurfern wie Günther Anders scharf verurteilt und der Erbsünde zumindest der westlichen Menschheit zugeschlagen wurde („for man has invented his doom / first step was touching the moon,“ hieß es 14 Jahre später, 1983, in Bob Dylans Song „License to Kill“ aus dem Album „Infidels“), zeichnet in der Rückschau eher solche moralischen Vorhaltungen aus. Aus der Distanz von einem halbem Jahrhundert wirkt auch der damalige Vorschlag, die Kosten des Mondlandeprogramms „doch lieber zur Lösung sozialer Probleme“ zu verwenden oder damit „den Welthunger zu bekämpfen,“ ausgesprochen naiv – vor allem, wenn man bedenkt, daß die letzte Frage zu genau jener Zeit durch Norman Borlaughs „Grüne Revolution“ (die nichts mit heutigen „grünen Weltumbauplänen“ zu tun hatte) gelöst wurde, und daß der Welthandel und die Öffnung des größten Teil der Welt für den Markthandel im letzten halben Jahrhundert das größte Wohlstandsprogramm in der Geschichte der Menschheit darstellte und mehr Menschen aus der Falle der absoluten Armut befreit hat, als es auch das astronomischste Regierungsprogramm je hätte tun können.

(Note 1: zwischen 1990 und 2015 ist nach Berechnungen der Weltbank der Anteil der Weltbevölkerung, der in solcher „absoluter Armut“ lebt – konkret: von umgerechnet weniger als $1,90 pro Tag – von 36% auf 10% der Weltbevölkerung gesunken, und das, obwohl sich die Zahl der Menschen auf der Erde von 5,28 Milliarden auf 7,33 Milliarden erhöht hat.) (Note 2: Die Kosten des „Apollo“-Mondflugprogramms beliefen sich für den Zeitraum von 1960 bis 1973 – von den ersten Planungen bis zur Verwendung einer dritten Stufe einer Saturn V als erste amerikanische Raumstation „Skylab“ – auf insgesamt 25.8 Milliarden Dollar. Inflationsbereinigt würde dies in heutiger Kaufkraft einer Summe von 257 Milliarden Dollar entsprechen. Das „Artemis“-Programm hat. Das Space Launch System, das sich seit 2011 in der Entwicklung und im Bau befindet, hat bislang eine Summe von gut 20 Milliarden Dollar gekostet.)

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I.

Zum einen ist hier der am Samstag, den 2 Juli, erfolgte Rücktransport des SLS von der „Mondstartrampe,“ dem Startkomplex 39B in Cape Canaveral zum gut 7 Kilometer entfernten Vertical Assembly Building zu nennen. Das „ewige Hin und Her,“ das diesem und meinem vorigen Beitrag zum Thema den Titel verleiht, könnte den Kleinen Zyniker schon an die wiederholten Grüße von Punxsutawney Phil erinnern. Aber wenn sich in sechs bis acht Wochen das Tor 3 des 160 Meter hohen Gebäudes erneut öffnet, damit der Crawler-Transporter 2 die Startplattform mitsamt dem SLS zum dritten Mal zur Startrampe zu befördern, geschieht dies nicht mehr zur Probebetankung oder zum Durchexerzieren des Countdowns, sondern tatsächlich, endlich, für den Start zum Mond. Zwar ist auch der vierte Betankungsversuch am 20 Juni nicht völlig reibungslos verlaufen und der Countdown endete mit einem vorzeitigen Abbruch 29 Sekunden vor der Zündung der Haupttriebwerke anstatt den eingeplanten 9 Sekunden, aber der festgestellte Störfaktor ist nicht an der Rakete aufgetreten, sondern an den Systemen der Startplattform. Genauer gesagt: ist dort eine Leckage aufgetreten, an einem Leitungssystem, das zur Ableitung von Wasserstoff dient, der zur Kühlung der Brennkammern dient, in denen die Knallgasreaktion zwischen dem flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff für die Erzeugung des Schubs von 9,8 Millionen kiloNewton sorgt. (Drei Viertel des Bewegungsimpulses bei Start wird freilich von den beiden seitlich an die Erststufe angeflanschten Feststoff-Boostern erzeugt.) Bislang visiert die NASA eines der möglichen Startfenster zwischen dem 23. August und dem 6. September an, um aus der Vorbereitungsphase in die tatsächlich aktive Periode überzugehen.



(Note 3: der Kleine Pedant merkt an, daß Punxutwaney Phil nicht das einzige Waldmurmeltier ist, dessen Berufung es ist, am „Groundhog Day,“ zu Mariä Lichtmeß, dem 2. Februar - dem Geburtstag von James Joyce übrigens, dessen "Ulysses" vor 100 Jahren, 1922, zuerst erschienen ist – das Wetter der nächsten sechs Wochen vorauszusagen. Als Kollegen hat er etwa Balzac Billy, Fred la Marmotte und Wiarton Willie in Kanada und Buckeye Chuck, Milltown Mel, Gus the Groundhog, Staten Island Chuck und Stormy Marmot, dem „offiziellen Murmeltier“ von Aurora im Bundestaat Colorado – nicht zu verwechseln mit Stormy Daniels, die zu ihrer Zeit eine andere Art von traditionellem Gewerbe pflegte, wenngleich ebenfalls mit nationalen Zuschauerquoten.) (Daß der Brauch durch deutsche Einwanderer, die Pennsylvania Dutch, in die Neue Welt gebracht worden sein soll, die zwischen 1770 und 1830 ihr Glück jenseits des „Großen Teichs“ versuchten, wird zwar immer wieder erwähnt, scheint aber in den Bereich des Anekdotischen zu gehören.) Festzuhalten bleibt, daß diese Spezies, im Englischen „Groundhog“ oder „Woodchuck“ genannt, durch solche Botschafter eine erhebliche Auffrischung seines Ruf erhalten hat, der im 19. Jahrhundert durch seine Neigung, tiefe Bauten zu graben und Gärten und Äcker zu verwüsten, nicht der beste gewesen ist. Ein Bericht, den das mit der Frage der Einhegung (vulgo: Bejagung) betraute „New Hampshire Legislative Woodchuck Committee“ 1883 vorlegte, wies auf höchst bedenkliche Charaktermängel bei diesem vierbeinigen Zeitgenossen hin:

The woodchuck, despite its deformities both of mind and body, possesses some of the amenities of a higher civilization. It cleans its face after the manner of the squirrels, and licks its fur after the manner of a cat. Your committee is too wise, however, to be deceived by this purely superficial observation of better habits. Contemporaneous with the ark, the woodchuck has not made any material progress in social science, and it is now too late to reform the wayward sinner. The average age of the woodchuck is too long to please your committee.... The woodchuck is not only a nuisance, but also a bore. It burrows beneath the soil, and then chuckles to see a mowing machine, man and all, slump into one of these holes and disappear....” (“Report of the Woodchuck Committee," erschienen in: Journals of the Honorable Senate and House of Representatives of the State of New Hampshire, 1883, S. 1193–1197)


Ungeachtet all seiner Mißbildungen an Leib und Seele verfügt das Waldmurmeltier doch über einige Züge von Zivilisiertheit. Es wäscht sich das Gesicht nach Art der Eichhörnchen, und putzt sich das Fell wie eine Katze. Freilich ist dieses Komitee zu gewitzt, um sich von solchen rein oberflächlichen Gewohnheiten täuschen zu lassen. Seit den Zeiten von Noahs Arche hat das Murmeltier keine sozialen Fortschritte gemacht, und es ist längst zu spät, diesen verstockten Sünder auf den Weg zur Besserung zu leiten. Das Alter, das ein Murmeltier im Durchschnitt erreicht, ist zu hoch, als daß dem Komitee gefallen könnte. … Das Murmeltier ist nicht nur ein Störenfried, sondern auch ein Langweiler. Es gräbt sich in den Boden ein, und kichert, wenn eine Mähmaschine samt Fahrer in ein solches Loch stürzt und verschwindet…


Der Kleine Zyniker vermutet, daß der Verfasser des Berichts, Charles R. Corning (1855-1924), im Zivilstand Jurist, Richter, Abgeordneter in beiden Kammern des Parlaments von New Hampshire und von 1903 bis 1909 Bürgermeister von Concord – einem Ort, der Lesern von Emerson und Thoreau „ein Begriff“ sein solle - , bei der Abfassung „seine Zunge fest in die Wange gesetzt hatte,“ wie die englische Wendung verbatim übertragen lautet.)







(Die Besprengung mit Wasser dient dazu, das Schotterbett des Transportweges zu fixieren und der subversiven Wühltätigkeit von Murmeltieren zu wehren.)









II.



Das zweite Ereignis, das der Chronist für die vorvergangene Woche im Protokoll notiert, war der Start des ersten „wirklichen Raumfahrtereignisses“ im Zug der Rückkehr zum Erdtrabanten – der Start der CAPSTONE-Mission vier Tage vorher, am Dienstag, dem 28. Juni. Das Kürzel steht für „Cislunar Autonomous Positioning System Technology Operations and Navigation Experiment“ - eine Auflösung, die einen auch nicht unbedingt schlauer macht. Kurz gesagt: es geht hier nicht um wirkliche lunare Forschung, sondern die Erprobung einer speziellen Umlaufbahn um den Mond, der in dieser Weise vorher noch nie für ein Raumfahrzeug gewählt worden ist. Genau diesen Orbit soll in ein paar Jahren die „Gateway“ genannte Raumstation erreichen, die (falls sie denn gebaut und fertiggestellt wird), als Basis für die Ausflüge der Astronauten zur Mondoberfläche dienen soll. Auf diesem „near-rectinilear halo orbit“, abgekürzt NRHO, kreist die Station nicht wie die Apollo-Kapseln vor einem halben Jahrhundert 80 bis 100 Kilometer über der Mondoberfläche, sondern in einem weitgestreckten Orbit, dessen nächster Punkt gut 3000 Kilometer über dem Nordpol des Mondes liegt, während die weiteste Entfernung 70.000 Kilometer über dem Südpol erreicht wird. Im Fall von Erdsatelliten spricht man von einem „Molnija-Orbit.“ Die frühen sowjetischen Spionagesatelliten verwendeten solche Umlaufbahnen, um ihr Spähwerk bei Klassenfeind aus möglichst geringer Höhe verrichten zu können und die gewonnenen Bilderdaten aufgrund der blamablen Übertragungsraten in aller Ruhe zu den Empfangsschüsseln im Mutterland des Sozialismus beamen zu können. Die Umlaufzeit beträgt in diesem Fall genau 7 sieben Tage. Ich erspare mir die bahnmechanischen Feinheiten, aber die Tatsache, daß die Station (und die Sonde) nicht nur den Mond, sondern auch den 2. Lagrange-Punkt des Erde-Mond-Systems, von uns aus hinter dem Mond gelegen, umkreist, führt dazu, daß die Bahn nicht streng elliptisch verläuft, sondern auf weite Strecken gerade, also „rectilinear.“



Freilich hatte es vor einer Woche für fast zwei Tage den Anschein, als sei dieser erste praktisch-faktische Schritt auf dem Weg zum Mond zu einem Fehlschlag geworden. (Der Kleine Symobologe merkt an, daß auch das Apollo-Programm unter schlechten Sternen begann: nämlich mit einer wirklichen Katastrophe, als im Januar 1967 die drei Astronauten des Apollo-1-Mission ums Leben kamen, als die reine Sauerstoffatmosphäre beim Training in der Kapsel durch einen elektrischen Kurzschluß Feuer fing.) Nach dem Start vom „Launch Complex 1“ des amerikanischen privaten Startups RocketLab in Neuseeland und der Trennung von der Rakete wurde die Bahn des kleinen Satelliten („von der Größe eines Mikrowellenherds,“ mit einer Masse von 28 kg) von der „Photon“-Antriebs in sechs weiteren Zündungen am Apogäum, dem erdfernsten Punkt, jeweils weiter angehoben – bis nach der 6. Zündung eine Entfernung von 200.000 Kilometern erreicht ist. Ab diesem Punkt überwiegt die Anziehungskraft des Mondes die der Erde (wenn er sich bei seinem monatlichen Umlauf direkt „vor“ der Sonde befindet) und das bewirkt, daß sich ein Raumschiff im Lauf von mehreren Lunationen tatsächlich dort einfinden kann – ohne erst, wie im Fall der Apollo-Missionen, die nötige Fluchtgeschwindigkeit von 40.000 km/h erreichen zu müssen. Der Nachteil der immensen Brennststoffeinsparung liegt darin, daß die Reise mehrere Monate in Anspruch nimmt. CAPSTONE soll die Mondumlaufbahn am 3. November erreichen. Diese Art von „Schleichfahrt“ ist für Raumsonden im 21. Jahrhundert übrigens der Normalfall: alle in den letzten zwei Jahrzehnten lancierten Robotermissionen sind diesem Profil gefolgt: die japanische Kaguya-Mission ebenso wie die chinesischen Chang-e-Sonden, die beiden indischen Chandrayaan-Sonden und die israelische Beresheet-Mission. Es ist übrigens auch die Bahn, die Robert A. Heinlein 1947 in seinem ersten Jugendroman, „Rocket Ship Galileo“ zuerst detailliert beschrieben hat und die Clint Eastwood ein halbes Jahrhundert später, im Jahr 2000, in seinem „Rentner-im-Weltraum“-Abenteuer „Space Cowboys“ noch einmal erläutert hat.





Gut 11 Stunden nach der letzten Zündung der Photon-Antriebseinheit am 4. Juli, dem amerikanischen Unabhängigkeitstag, brach dann der Kontakt mit der Sonde in einer Entfernung von gut 270.000 Kilometern von der Erde ab und blieb aus. (Daß ausgerechnet der Termin, sich „von der alten Erde loszumachen,“ ausgerechnet auf den 4. Juli fiel, sei als hübsches Symbol vermerkt.) Einige Stunden lang war auf der Seite des „Deep Space Network,“ auf der die NASA ihre Kontakte zu den Sonden weit draußen im Sonnensystem anzeigt, nur zu sehen, wie die Antennenschüssel Nr. 26 bei Madrid ein Peilsignal in Richtung der errechneten Position der Sonde funkte. Daß die Webseite die meiste Zeit des Blackouts selber zu Wartungszwecken offline geschaltet war, kam als Pikanterie hinzu. Ein solches Verstummen kann verschiedene Ursachen haben: der Ausfall des gesamten Systems, einer wichtigen Komponente im der Hard- oder Software – oder daß sich die Sonde bei einem Manöver oder einer Kurskorrektur einen falschen „Leitstern“ ausgesucht hat, anhand dem sie ihre Orientierung im Raum errechnet und infolge davon ihre schwachen Funksignale nicht in Richtung Terra, sondern in die galaktischen Weiten sendet. In solchen Fällen führen Raumsonden eine systematische Durchmusterung des Himmels durch – bis sie ein solches Leitsignal wie eben von Antenne 26 auffinden können. Im Fall von CAPSTONE, das nach gut 18 Stunden am Abend des 6. Juli endlich „wieder zu Hause anrief,“ stellte sich heraus, daß die Ursache ein „falsch formatierter Funkbefehl der Bodenstation“ gewesen war, der die Software des Senders neu booten sollte, nachdem es im der Signalstärke zu Schwankungen gekommen war, aber das Neuaufspielen nach dem Herunterfahren nicht ausgelöst hatte. Computerei über planetarische Distanzen ist übrigens sowieso ein ganz spezielles Kapitel: Für den Mars-Orbiter Mars Express der Europäischen Raumfahrtagentur ESA ist vor gut einer Woche, am 2. Juli, ein speziell geschneidertes Update aufgespielt worden, da das System der 1998 gestarteten Sonde noch unter Windows 98 läuft.



Immerhin: daß der Start zum Mond ausgerechnet von Neuseeland aus erfolgt ist, gibt dem Unterfangen auch einen Anflug des Verspielten, Originellen. Ältere Leser (oder Kingogeher, wie man damals noch sagte), mögen sich vielleicht an Richard Lesters Filmkomödie „The Mouse on the Moon“ aus dem Jahr 1963 erinnern, der – entre nous: reichlich mißlungenen – Fortsetzung zu „Die Maus, die brüllte“ (beide Filme beruhen auf Romanvorlagen von Leonard Wibberley) In diesem bemühten Streifen plant das bankrotte Kleinfürstentum Grand Fenwick, für das ersichtlich Luxemburg Pate gestanden hat, mit den beiden Weltraum-Großmächten beim „Wettlauf zum Mond“ mitzubieten – und erreicht sein Ziel auch durch eine Aneinanderreihung absolut unglaubwürdiger Zufälle. Selbst Margaret Rutherford, uns nur noch als Inkarnation der Miss Marple bekannt, kann als Großherzogin von Grand Fenwick den Film nicht vor der Bruchlandung retten. Darum geht es hier aber nicht. Aber daß auch ein bescheidenes Staatswesen wie Neuseeland tatsächlich an der Rückkehr zum Mond teilnimmt, zeigt, daß sich gegenüber dem ersten „Space Race“ doch Entscheidenes verändert hat. Der Startkomplex 1 auf der Halbinsel Mahia, der östlichste Punkt des neuseeländischen Festlandes, pazifikwärts vor der Nordinsel gelegen, wirkt wie eine Lego-Version der immensen Raumflughäfen von Kourou oder Cape Canaveral; auch die verwendete „Electron“-Rakete dürfte mit 18 Metern Höhe die kleinste Mondrakete sein, die bislang zur Anwendung gekommen ist. Daß ein Privatunternehmen, daß vor 16 Jahren in Neuseeland gegründet worden ist und mit seinen rund 500 Angestellten noch als mittelständiges Unternehmen durchgehen kann, von dort aus „nach den Sternen greift“ - ist eine hübsche Volte (ebenso wie die Tatsache, daß die NASA die „Falcon Heavy“ von SpaceX als Lander für die ersten bemannten Exkursionen zur Mondoberfläche ausgewählt hat.)



Als der schottische Science-Fiction-Autor Ken McLeod 1999 seinen vierten Roman, „The Sky Road,“ herausbrachte, war das dort beschriebene „kleinstaatliche Raumfahrtprogramm“ eher eine Drôlerie, ein lokalpolitischer Schlenker als eine ernstgemeinte Vision. In dem Buch geht es um das Aufblühen einer neuen technologisch avancierten Zivilisation in Europa, Jahrhunderte nachdem ein Atomkrieg der „Alten Welt“ ihr Ende bereitet hat. Und wie bei der „schottischen Aufklärung“ vor gut 300 Jahren ist das unabhängige Schottland auf dem Weg, mit einem eigenen Raumfahrtprogramm dem Rest der sich langsam erholenden Welt den Anspruch als Primus inter pares vor Augen zu führen. Niemand hätte vor 23 Jahren ernsthaft die Möglichkeit in Betracht gezogen, daß für dieses Jahr noch – von Schottland aus! – vom „Sutherland Spaceport“ in der Grafschaft Sutherland, ganz im Norden des schottischen Festlands gelegen, der Erststart der „Prime“-Rakete des dänisch-britischen Herstellers Orbex in die Erdumlaufbahn erfolgen soll – der erste Weltraumstart einer englischen Rakete seit 1971. (Die Kleine Zyniker aus dem Off: Wenn jetzt die Dänen auch noch zum Mond starten, können Wallace & Gromit auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.*) Von Sutherland sollen auch künftig Starts der Electron erfolgen. (* Note 4: Immerhin stehen mit der Rocket Factory Augsburg und Isar Aerospace gleich zwei bayerische Unternehmen in den Startlöchern, um demnächst weitere Kunstmonde in die Umlaufbahn zu befördern.)

U.E.

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